Kinderschutz auf vielen Ebenen (Guatemala)


Unsere Partner-Organisation ODHAG bietet Kinderschutzschulungen und Beratung, um möglichst vielen Kindern ein gewaltfreies Aufwachsen zu ermöglichen.

Eines der Projekte im globalen Süden, das wir mit der Sternsingaktion 2024 solidarisch unterstützen, wird im mittelamerikanischen Land Guatemala durchgeführt. Guatemala ist von der Fläche her nur etwas größer als Österreich, allerdings ist es noch gebirgiger gelegen und hat ca. 18 Millionen Einwohner*innen (Stand 2023). Das Land ist also sehr dicht besiedelt und bewirtschaftet. Der Klimawandel, der auch in Mittelamerika immer deutlichere Spuren hinterlässt, wirkt sich durch die enge Bebauung und intensive Bewirtschaftung sehr negativ aus, die Gebiete sind von immer stärker und häufiger werdenden Tropenstürmen stark beeinträchtigt.

Der Staat ist auch Jahrzehnte nach dem Friedensschluss noch stark von den Gewalterfahrungen eines grausamen Bürgerkriegs geprägt. Zwischen 1960 und 1996 litt das ganze Land unter einem verheerenden Bürgerkrieg, der zwischen 150.000 und 250.000 Menschen das Leben kostete. Besonders betroffen waren Angehörige der indigenen Bevölkerung, die durch geplante Massaker der Armee und paramilitärischer Kräfte, ums Leben kamen. Inzwischen wurden die Verbrechen als Völkermord eingestuft. Die Aufklärung des Konfliktes, der offiziell 1996 durch die Unterzeichnung eines Friedensvertrages beendet wurde, ist noch lange nicht abgeschlossen. Die Kommission für historische Aufklärung geht davon aus, dass 93% der Gewalt im Konflikt, von Regierungstruppen und Paramilitärs ausgegangen ist, im Gegensatz dazu nur 3% von Guerillagruppen (die übrigen 4% sind unklar). Dieser Konflikt prägt Guatemala bis heute und seine Aufklärung ist auch eines der wichtigen Themen und einer der Entstehungsgründe unseres heurigen Beispielprojekts. Die strukturellen Ursachen des Bürgerkrieges wurden bis heute nicht überwunden. Das Land ist nach wie vor in Händen einer kleinen Elite, der Wohlstand sehr ungleich verteilt. Armut und Exklusion, vor allem von Indigenen, bleibt weiterhin ein flächendeckendes Problem. Etwa 60% der Bevölkerung leben in Armut, fast ein Viertel der Menschen (und auch ein Viertel der Kinder) in extremer Armut. Korruption ist Alltag. Der Zugang zu Bildung ist schwierig und oft auch nur den Eliten möglich. Gewalt - im öffentlichen Leben, aber auch innerhalb von Familien, in Einrichtungen, Schulen oder Pfarren - ist weit verbreitet.

Partnerorganisation ODHAG

In diesem Kontext arbeitet unsere Partnerorganisation ODHAG (Oficina de Derechos Humanos del Arzobispado de Guatemala – Büro für Menschenrechte der Erzdiözese von Guatemala) seit vielen Jahrzehnten für Friedenssicherung, Aufarbeitung von Kriegsverbrechen und Gewaltschutz. Als eine der größten Menschenrechtsorganisationen Guatemalas beziehen sich ODHAG in ihrer Arbeit viel auf den 1998 ermordeten Weihbischof Monsenor Gerardi, der sich für die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen stark gemacht und sich auch für Kinder eingesetzt hat. Dieser öffentliche Aktivismus und die fundierten Recherchen, die in einem Buch gesammelt wurden, waren der Grund für seine angeordnete Ermordung.

Kinderschutz in Kirche und Schulen

Seit einigen Jahren gibt es bei ODHAG einen Fokus auf Kinderschutz. Durch ihre starke Verankerung in der Diözese und in Themen des Gewaltschutzes ist die Organisation daher für die Jungschar/Dreikönigsaktion eine starke Partnerin im Kinderschutz. Die Arbeit bezieht sich sowohl auf Gewalt unter Kindern und Jugendlichen als auch auf Gewalt, die im institutionellen oder privaten Rahmen von Erwachsenen gegen Kinder ausgeübt wird.

Sie veröffentlichen zum Beispiel jährliche Berichte über die Lage von Kindern und Jugendlichen in Guatemala. Im Bericht von 2020 kann man lesen, dass dem Wohlbefinden, der Bildung und der Sicherheit von Kindern in Guatemala keinerlei Bedeutung beigemessen wird. So ist es nicht verwunderlich, dass es sehr viele unterernährte Kinder gibt, dass nur vier von zehn Kindern die Schulpflicht abschließen und dass Kinder und Jugendliche in Guatemala immer wieder Gewalt und sexuellem Missbrauch ausgesetzt sind - sowohl in der Schule, im öffentlichen Raum, als auch zuhause. Gerade die Lockdowns während der Pandemie haben die Gewaltanwendung gegenüber Minderjährigen noch einmal gesteigert - Hintergründe dafür sind oft Überforderungen, Zukunftsängste oder Platzmangel. Mädchen werden oft sehr jung schwanger und verlassen daher frühzeitig den Bildungsweg. Andere Kinder und Jugendlichen haben aufgrund mangelnder Schulplätze oder fehlender Schulen keine Chance auf Bildung. Auch in der Großstadt oder deren Randzonen ist die berufliche Perspektivlosigkeit gerade bei Jugendlichen sehr groß. Alkohol- und/oder Drogenmissbrauch bei Jugendlichen sind weit verbreitet. Gewalt, auch zwischen Jugendlichen, ist dann ein Ventil das aus dieser Situation heraus entsteht.

ODHAG organisiert deshalb Weiterbildungen für Lehrer*innen und Eltern, aber auch für Polizist*innen und Leitungen von Organisationen. Während der Pandemie waren die Schulen für 1,5 Jahre fast durchgehend geschlossen. ODHAG hat dann umgeplant und online Seminare im Bereich Kinderschutz für Schulpersonal, Angestellte von kirchlichen Einrichtungen und Angehörigen des guatemaltekischen Sicherheitsapparates (also zB. Polizist*innen) durchgeführt, die gut angenommen wurden und daher auch weiterhin angeboten werden.

Nun führt ODHAG auch wieder Workshops direkt an Schulen durch. Einerseits werden Schüler*innen in ihren Rechten aufgeklärt und Gewaltthemen im Kontext Schule, aber auch im familiären Kontext thematisiert. Andererseits werden auch Eltern und Lehrende geschult. Hier werden vor allem gewaltfreie Erziehungsmethoden vorgestellt, Disziplinarmaßnahmen thematisiert und auch auf Themen wie Drogensucht etc. aufmerksam gemacht.

Im Rahmen der Kurse für Eltern, Lehrende, kirchliche Mitarbeitende und andere Erwachsene, werden sie im Bereich Kinderrechte, Kinderschutz und Prävention von Gewalt geschult und angeregt, in ihren Institutionen Kinderschutzrichtlinien zu erarbeiten und umzusetzen. Hierbei wird auf Bewusstseinsbildung in der ganzen Institution gesetzt, beispielsweise indem die Guidelines zum Kinderschutz auf große Planen gedruckt und in der Schule aufgehängt werden. So sollen Familien, Schulen und kirchliche Einrichtungen zu sicheren Orten, frei von Gewalt, für Kinder und Jugendliche werden.

Weiters ist ODHAG auch innerkirchlich sehr aktiv und führt Diplomkurse für Pastoralassistent*innen und andere kirchliche Mitarbeiter*innen durch. Das Ziel ist es, die Kirche zu einem rundum sicheren Ort für Kinder und Jugendliche zu machen, an dem sie sich wohlfühlen und entfalten können. Es geht in diesen Kursen unter anderem um Bewusstseinsförderung, um auf die allgemeine Situation von Kindern und Jugendlichen in Guatemala erstmal hinzuweisen. Weitere Themen sind Kinderrechte und letztlich geht es auch darum, eine Kinderschutzpolicy für die jeweiligen Einrichtungen zu erarbeiten.

Nani Gottschamel und Johanna Walpoth
kumquat "sternsingen" 2/2023