In der Schule, dem Studium und im Berufsleben mit Leistungsdruck konfrontiert zu sein, überrascht (leider) niemanden mehr. Dass er und sein Bruder der Stress sich langsam ins Privatleben einschleichen, wurde mir spätestens bewusst, als ich drei Wochen und zwei Reaktionssitzungen lang keine Zeit fand, diesen Artikel zu schreiben. Doch nicht nur wir Jugendlichen und Erwachsenen sind davon betroffen.
Einige Kinder nehmen bereits in der Volksschule Nachhilfe, damit die Noten fürs Gymnasium passen und müssen sich aufgrund der zahlreichen Freizeitaktivitäten schon Wochen im Voraus Termine mit ihren Freund/innen ausmachen. Leistungsdruck hat also sowohl auf Seiten der Gruppenleiter/innen als auch auf Kinderseite Einzug in die Jungschar gehalten. Leider ist dieser Druck manchmal recht unsichtbar und wird durch unser Verhalten sogar noch verstärkt. Deshalb ist es wichtig, immer wieder über den Aufbau der Jungscharstunden sowie das Jungschar-Jahr unter diesem Gesichtspunkt zu reflektieren.
Pflichten, Pflichten, Pflichten
Dass unsere Jungscharkinder zwischen Fußball und Klavierstunde hin und her hetzen müssen und dort in Ranglisten und Torstatistiken denken, können wir leider schwer ändern. Trotzdem können wir etwas bewirken und zwar dadurch, dass wir darauf achten, diesen Leistungsdruck aus der Jungschar regelrecht auszusperren. Spiele, in denen es darum geht, besser oder schneller als die anderen zu sein, spielen die Kinder im Alltag oft genug und nach ihrem Wissen werden sie ohnehin in der Schule gemessen.
Jungschar soll ein Ort sein, wo sie gerne sind und wo es nicht darum geht, jemand anderen zu übertrumpfen oder Leistung zu erbringen. Da ist man als Gruppenleiter/in natürlich gefordert. Aber es gelingt ganz leicht, indem man einfach immer wieder kooperative Spiele einbaut oder zum Beispiel statt einer „echten“ Olympiade auf Lager einmal eine MINI - MAX-Olympiade veranstaltet, bei der es darum geht, gemeinsam und durch Zusammenarbeit möglichst gute Ergebnisse zu erreichen.
Lager – Weniger ist oft mehr
Das Lager ist zweifelsohne der Höhepunkt im Jungschar-Jahr. Kinder, Eltern und auch wir Gruppenleiter/innen selbst setzen große Erwartungen hinein. Als Gruppenleiter/in beschäftigt man sich im Vorfeld wochenlang damit und um diesem Druck standhalten zu können, die hohen Erwartungen zu erfüllen, ist man mitunter versucht, das Lagerprogramm noch außergewöhnlicher und spektakulärer als beim letzten Mal zu gestalten. Ein Highlight soll dem anderen folgen, die Kinder aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.
Oft übersieht man dabei, dass den Kindern auch ein einfaches Spiel auf einer großen Wiese Spaß machen kann. Hauptsache, du nimmst dir dabei wirklich Zeit für sie. Die Kinder und auch du und die restlichen Leiter/innen haben nichts davon, wenn das gesamte Team nur noch „auf dem Zahnfleisch daherkommt“ weil schon so viel Kraft in die Vorbereitung gesteckt wurde, dass keine mehr für die Zeit mit den Kindern übrig ist.
Im Team und der Pfarre
Kinderfaschingsfeste, Schwimmausflüge, Kinderkreuzweg, Krippenspiel, Kinder-Chor, Adventbasteln, etc. Diese Liste lässt sich sicher noch beliebig lang fortsetzen. In vielen Pfarren ist das „Leistungspensum“ des Jungscharteams auch unter dem Jahr recht hoch. Viele Dinge und Aufgaben haben sich über die Jahre eingeschlichen, sind quasi „Tradition“. Oft bemerkt man erst spät, dass man eigentlich von einer Veranstaltung zur nächsten hetzt und vieles nur noch halbherzig erledigt.
Deshalb lohnt es sich gelegentlich, einen kritischen Blick auf die Agenda zu werfen. In unserer Pfarre beispielsweise gab es jahrelang eine Bastelstube für Kinder während unseres Adventmarktes. Das war immer mit sehr viel Stress verbunden, denn die Basteleien sollten schön aber nicht zu aufwendig oder teuer und doch leicht und schnell herzustellen sein.
Irgendwann stellten wir fest, dass hauptsächlich 3 bis 5-Jährige Kindergartenkinder zum Basteln kamen und den Eltern wichtiger war, die Kinder während des Punsch-Trinkens wo abzugeben, als dass sie auch wirklich eine sinnvolle Beschäftigung haben. Seitdem wird das Kinderbasteln einfach durch einen Kasperl-Auftritt von außerhalb und eine Malecke ersetzt und wir Jungscharleiter/innen können uns in der ohnehin stressigen Adventzeit auf anderes konzentrieren.
Es klingt vielleicht hart, aber dieses Ausmisten ist einfach von Zeit zu Zeit notwendig. Denn was auf Lager gilt, gilt für die Arbeit unterm Jahr schon lange: Man muss nicht ständig das Rad neu erfinden und vor allem ist es auch okay, einmal „Nein“ zu sagen.
Eine Einstellung, die man auch den Kindern und jungen Jugendlichen in der Jungschar vermitteln soll. Denn Kinder sollen Kinder sein dürfen und nicht Leistung erbringen müssen, wie Erwachsene.
Jungschar ist Lobby für Kinder. Darum hat die Jungschar Österreich vor einigen Jahren ein Positionspapier zum Thema „Leistungsdruck“ herausgegeben.
Veronika Schippani
kumquat "Bildung" 2/2013