Wie arbeitende Kinder weltweit gemeinsam für ihre Rechte eintreten.
Einmal jährlich, und zwar am 12. Juni, findet der Welttag gegen Kinderarbeit statt. Dieser wurde im Jahr 2002 von der internationalen Arbeitsorganisation ausgerufen, um ins Bewusstsein zu rufen, wie viele Kinder auf der ganzen Welt ihrer Kindheit beraubt und wirtschaftlich ausgenutzt werden – nämlich circa 250 Millionen! Doch was ist Kinderarbeit überhaupt, und wo gibt es sie heute noch?
Kinderarbeit ist uns allen ein Begriff, doch ist es bei uns ein Begriff, der eher im Hintergrund herumschwirrt, und selten aktiv zum Thema gemacht wird - bis es immer wieder erschütternde Reportagen und Bilder in den Medien über Kinder gibt, die arbeiten müssen und ausgebeutet werden. Die meisten Kinder arbeiten im sogenannten informellen Sektor, also dort, wo es weder Verträge noch Sozialleistungen gibt: Sie arbeiten zum Beispiel mit ihren Eltern in der Landwirtschaft oder auf den Straßen der großen Städte als Schuhputzer/innen, Zeitungsverkäufer/innen oder Lastenträger/innen, sie betteln, sie schuften isoliert und ohne Pause als Dienstmädchen oder Dienstboten. Etwa fünf bis zehn Prozent der Kinderarbeiter/innen sind in Betrieben beschäftigt, die Waren exportieren - wie etwa in Textilfabriken, Teppichmanufakturen oder auf Kakao- und Kaffeeplantagen. Das heißt, dass weltweit ca. 20 Millionen Kinder tagein und tagaus schuften, um Produkte herzustellen, welche dann in Europa und Amerika zu einem möglichst niedrigen Preis angeboten werden können.
Zu den schlimmsten Formen der Kinderarbeit zählen Sklaverei, Schuldknechtschaft, kommerzielle sexuelle Ausbeutung, Kinderhandel und die Zwangsrekrutierung für Kampfhandlungen. In diesem Zusammenhang kann aber nicht mehr von „Arbeit“ sprechen, sondern schlicht und einfach von Verbrechen.
Warum arbeiten Kinder?
Wie kommt es überhaupt dazu, dass Kinder, anstatt in die Schule zu gehen oder sich mit Freunden zu treffen, in Fabriken, auf Bauernhöfen und in Bergwerken arbeiten ?
Die meisten Kinderarbeiter/innen gehen arbeiten, weil sie einfach dazu gezwungen werden. Vielfach sehen sie sich gezwungen, zuhause zu arbeiten, während ihre Eltern bei ihrer Arbeit in der Stadt sind. Manche dieser Kinder gehen zur Arbeit, um die finanzielle Lage ihrer Familie zu verbessern, wobei das große Problem ist, dass Kinder, für die gleiche Arbeit, oft nur einen Bruchteil dessen bezahlt bekommen, was Erwachsene für diese Arbeit bekommen würden. Das alles dient den großen Konzernen, welche Kinder auf diese Art und weise ausbeuten, vorrangig dazu, Artikel zu Billigpreisen in unsere Geschäfte zu bringen, und gut daran zu verdienen, dass wir natürlich bei einem T-Shirt um 3 EUR gerne zugreifen.
Kinder setzen sich für ihre Rechte ein!
Immer stärker organisieren sich arbeitende Kinder selbst, um einerseits auf ihre Situation aufmerksam zu machen und andererseits ihre Entwicklung selbst zu bestimmen, um ernst genommen und anerkannt zu werden. Seit den 80er Jahren entstehen in Lateinamerika Bewegungen und Organisationen arbeitender Kinder und Jugendlicher, seit den 90er Jahren auch in Afrika und Asien. In ihnen sind vor allem Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren aktiv, die mit ihrer Arbeit zum Lebensunterhalt ihrer Familien beitragen oder die eigene Existenz sichern. Diese Organisationen und Bewegungen sind sehr unterschiedlich in Hinsicht auf ihre Organisationsformen und ihren kulturellen Kontext. In Hinsicht auf ihre Inhalte und Ziele sind sie sich ähnlich - sie berufen sich auf die weltweit verbindlichen Menschenrechte und fordern Respekt und Anerkennung ihrer Arbeit sowie Partizipation.
Konkret bedeutet das: Sie fordern bessere Arbeitsbedingungen, die ihre Gesundheit wahren und ihnen Zeit für Schule und Freizeit lassen, sowie die Durchsetzung der Kinderrechte und die Abschaffung von ausbeutender und gefährlicher Kinderarbeit. Was sie nicht alle fordern, ist Abschaffung und Verbot der gesamten Kinderarbeit, weil die Kinder dann in die Illegalität gedrängt und kriminalisiert werden würden.
In Folge wären sie vollkommen recht- und schutzlos. Bewegungen arbeitender Kinder ist es ein Anliegen, dass Regierungen und internationale Organisationen die weltweite Armut und die sozialen Ungleichheiten bekämpfen, statt Kinder von der Arbeitswelt auszuschließen.
In einigen Ländern werden solche Organisationen von und für arbeitende Kinder als legitime Vertreter/innen der Kinder anerkannt. Diese Anerkennung ist die Grundvoraussetzung für politische Mitbestimmung und Veränderung der momentanen Situation. In einigen Städten wie zum Beispiel in Dakar im Senegal, in La Paz in Bolivien oder in Lima in Peru wurden zwischen den Stadtregierungen und den Kinderorganisationen gemeinsam Vereinbarungen über Krankenversorgung der arbeitenden Kinder, Schutz vor polizeilichen Übergriffen, bessere Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten getroffen. In manchen Ländern nehmen auch Gewerkschaften die Kinderorganisationen als Partner/innen ernst oder als Mitglied auf.
Die Kinderorganisationen sind auch international vernetzt. Bisher haben drei Welttreffen der Organisationen arbeitender Kinder stattgefunden, bei denen auch gemeinsame Forderungen erarbeitet wurden. Beim ersten Welttreffen von 1996 in Kundapur in Indien wurde eine Deklaration formuliert, die seither vielen Bewegungen arbeitender Kinder als Richtlinie dient.
Neben diesen positiven Beispielen gibt es leider auch eine andere Realität: Oft werden die Kinderorganisationen nicht gerne gesehen, diskriminiert und ignoriert, weil sie politische Forderungen stellen- dass Kinder politische Forderungen stellen, wird ihnen nicht zugetraut und schon gar nicht zugestanden. Da Kinder aber oft schon sehr früh Verantwortung übernehmen müssen, sollten gerade sie auch Forderungen stellen und mitbestimmen dürfen. Hier treffen unterschiedliche Bilder von Funktionen von Kindheit aufeinander: Gleichberechtigung und Mitbestimmung im Gegensatz zu einer beschützen und behüteten Kindheit.
Kindern eine Stimme geben!
Die Jungschar setzt sich natürlich auch für die Rechte von Kinderarbeiter/innen ein, und möchte den Organisationen, die sich dem Schutz der Kinder vor wirtschaftlicher Ausbeutung verschrieben haben, unterstützen. So werden mit den Geldern der Sternsingeraktion verschiedene Projekte unterstützt, die auf Kinder und ihre Rechte aufmerksam machen, die Kindern eine Stimme in der Gesellschaft geben und so helfen, Strukturen gemeinsam mit ihnen zu ihren Gunsten zu verändern. Zum Beispiel wird ein Zentrum für Kommunikation, CEPALC, in Bogota, der Hauptstadt von Kolumbien, unterstützt.
Kolumbien ist ein Land, das seit über 50 Jahren von Bürgerkrieg und Gewalt geprägt ist und in dem es erst kürzlich gelungen ist, einen dauerhaften Waffenstillstand zu vereinbaren. Natürlich sind auch Kinder von dieser Situation betroffen und in Kontakt mit Gewalt gekommen. CEPALC organisiert regelmäßige Treffen für Kinder aus marginalisierten Stadtvierteln, bei denen sie auf spielerische und kreative Art und Weise ihre Rechte kennenlernen, etwas über ihre Fähigkeiten und die Möglichkeit lernen, diese auch einzusetzen.
Außerdem bietet CEPALC die Möglichkeit, mithilfe von kreativen Möglichkeiten wie Tanz, Malerei, Puppenspiel, Radiosendungen oder Musik Erlebnisse zu bearbeiten, wie zum Beispiel Gewalterfahrungen in der Familie, in der Schule oder auf der Straße. Die Kinder entwickeln Kunstwerke, Lieder oder Theaterstücke und stellen diese dann aus bzw. vor. Die Stimme der Kinder wird auch über lokale Radiosender gehört und durch Theateraufführungen werden die Bewohner/innen des Stadtviertels erreicht. So können Kinder traumatische Erfahrungen aufarbeiten, werden über ihre Rechte informiert, geben das Gelernte an andere Kinder weiter und fordern ihre Rechte nach dem Motto „Nur Kinder wissen, was Kinder wollen!“
Florian Brandstätter, mit Material der JS Wien
kumquat "Spiel MIT mir!" 3/2016