Brennstoff Soja
Kaum jemand weiß, dass Schnitzel, Schweinsbraten und Tafelspitz auch etwas mit der Brandrodung des Regenwaldes zu tun haben. Wir verfolgen die Spuren des Schnitzels bis nach Brasilien.
Warum brasilianisches Soja in Europa verfüttert wird
Hast du dir schon einmal überlegt, wie viel Fleisch in Österreich konsumiert wird? Was schätzt du? In Österreich isst jede Person pro Jahr durchschnittlich 70 Kilogramm Fleisch. Berechnet man wieviel jeder Mensch pro Kopf und Jahr theoretisch essen könnte, damit alle gleich viel essen, wären das nur 40 Kilogramm Fleisch pro Person. Österreicher/innen essen somit mehr als die globale Durschnittsbürger/in. Insgesamt werden weltweit jährlich rund 66,4 Milliarden Tiere geschlachtet – das entspricht der zehnfachen Menge der Weltbevölkerung!
Da in Europa viel zu wenige Futterpflanzen angebaut werden, um die Nutztiere Schwein, Geflügel und Rind zu ernähren, müssen die Futtermittel aus anderen Ländern importiert werden. Ein sehr beliebtes Nahrungsmittel für die Nutztiere ist die Sojabohne. Jährlich werden rund 35 Millionen Tonnen Sojabohnen und -schrot aus nord- und südamerikanischen Ländern in die Europäische Union verschifft. Umgerechnet auf die EU-Bürger/innen sind das rund 65 Kilogramm Soja für jede/n. Der hohe Eiweißgehalt einer Sojabohne macht sie zu so einem beliebten Futtermittel: 80 Prozent aller Sojabohnen werden zu europäischen und nordamerikanischen Mastfutter verarbeitet, 10 Prozent zu Agrotreibstoffen, neun Prozent zur Herstellung von Magarine und etwa ein Prozent für andere Lebensmittel.
Die Sojabohne kommt ursprünglich aus China und braucht 100 Tage um zu reifen. Die Sojasträucher gedeihen in warmen Regionen besonders gut – heute wird sie in Nord- und Südamerika sowie in Asien angebaut. Im Jahr 2012 war Brasilien hinter den USA der zweitgrößte Sojabohnen-Produzent. 65 Millionen Tonnen wurden erzeugt. Da seit 1973 in den USA ein Sojaexportverbot existiert, ist die Nachfrage nach brasilianischem Soja hoch.
Brasilien ist eines der Länder, die stark verschuldet sind – es ist das am höchsten verschuldete Land Südamerikas. Um diese Schulden zu begleichen, versucht die brasilianische Regierung (bzw. wird sie durch das vorherrschende Wirtschaftssystem dazu gezwungen), die exportorientierte Agroindustrie auszubauen. Das bedeutet: Exportgüter wie Soja, Zucker, Kaffee und Eukalyptus werden in Monokulturen (Plantagen wo nur eine Pflanzenart wächst) möglichst ertragreich angebaut und ins Ausland verkauft.
Warum der Amazonas brennt
Viele Brasilianier/innen stehen diesem exportorientierten Konzept sehr kritisch gegenüber und stellen die Wirkung infrage. Zwei Drittel der Brasilianer/innen haben nämlich keinen ausreichenden Zugang zu Land und Nahrung. Land gehört einigen Wenigen: Etwa zwei Prozent aller brasilianischen Landeigentümer/innen besitzen fast die Hälfte des Bodens. Dieses Besitzverhältnis ist ungerecht. Vor allem deswegen, weil die riesigen Landflächen nicht zum Wohl der Brasilianier/innen genutzt werden (zum Beispiel für den Anbau der wichtigen Nahrungsmittel Reis, Bohnen, Maniok oder Weizen). Stattdessen werden Exportprodukte wie Soja oder Kaffee angebaut. Und der Ertrag dieser sogenannten Cash Crops fließt an die Großbäuerinnen und Konzerne zurück, die das Land besitzen.
Zusätzlich wurde der Sojaanbau ins Amazonasgebiet ausgeweitet. Der tropische Regenwald im Amazonasgebiet ist der größte unberührte Wald der Welt, mit hoher Bedeutung für das Weltklima. Das brasilianische Amazonasbecken verfügt über eine Fläche, die größer ist als Westeuropa.
Täglich werden hier Regenwaldflächen in der Größe von 10.000 Fußballfeldern abgebrannt, um Sojabohnen anzubauen. Dabei wird sehr viel Kohlendioxid freigesetzt und schadet dem Klima.
Nachdem die Bäume gerodet sind, wird der Boden stark mit Pestiziden und Düngemittel bearbeitet, um möglichst schnell viel Ertrag zu bekommen. Dadurch kommt es zu einer Auslaugung und Vergiftung des Bodens – die sowohl das Nachwachsen des Waldes und einen langfristigen Sojaanbau als auch einen Umstieg auf lokale Nahrungsmittel für Kleinbäuer/innen unmöglich macht. Außerdem wird die unglaubliche Artenvielfalt des Amazonas bedroht.
Zusätzlich zum Ökosystem ist auch das Überleben der Indio-Völker bedroht. Heute gibt es in Brasilien nur mehr 735.000 Nachfahren der ursprünglich 5 bis 6 Millionen indigenen* Bevölkerung. Im Zuge des Eindringens in das Amazonas-Gebiet kommen häufig gewaltsame Übergriffe gegen die indigene Bevölkerung vor, die auch in gezielten Morden und Massakern münden. Der Regierung wird dabei Mitschuld vorgeworfen, da Mörder nur selten wirklich strafrechtlich verfolgt werden. Außerdem gibt die brasilianische Regierung Großprojekte wie riesige Wasserkraftwerke in Auftrag. Die indigenen Völker geraten unter immer stärkeren Druck, ihre Lebensweisen aufzugeben. Die Ressourcen des Regenwaldes werden ausgebeutet und die Menschen dazu gezwungen, ihr Land zu verlassen.
Und was man dagegen tun kann?
Viele Brasilianer/innen schauen nicht tatenlos dabei zu, wie ihr Land zerstört und niedergebrannt wird. Einige sind organisiert – wie zum Beispiel CIMI. Das ist die Indianerpastoral der Katholischen Kirche – (mit dem aus Österreich stammenden Bischof Erwin Kräutler als Vorsitzenden) sie engagiert sich für die Menschenrechte der indigenen Bevölkerung. Gemeinsam mit den Indios versuchen Rechtsanwälte von CIMI, die Landrechte durchzusetzen und die Betroffenen im Kontakten mit offiziellen Stellen (Parlament, Polizei, Gerichten, usw.) zu unterstützen und zu beraten. Darüber hinaus fördert CIMI die Selbstversorgung der Indios, leistet Gesundheitshilfe und bietet Schulungsprogramme an. Durch Öffentlichkeitsarbeit will CIMI der ablehnenden Haltung vieler Brasilianer/innen und dem Unwissen über das Leben der Indianervölker entgegentreten.
Auch in Europa gibt es viele Menschen, die sich engagieren, um die problematischen Auswirkungen ihrer Lebensmittel zu verändern. Manche versuchen bewusst zu konsumieren, auf Fleisch zu verzichten oder die Produktionsbedingungen im Blick zu haben. Andere unterstützen große Umweltorganisationen wie den WWF oder Greenpeace, die Soja-Kampangen haben. Und manche gehen Sternsingen - CIMI wird von der Jungschar durch die Sternsingeraktion unterstützt. Falls du CIMI in deiner Jungschargruppe vorstellen willst findest du eine Idee für eine Gruppenstunde mit dem Titel „Unsere Welt ist vielseitig - Gott sei Dank!“ in der Gruppenstundendatenbank.
Betti Zelenak
*Die Bezeichnung „indigen“ hat sich als Sammelbezeichnung für „Ureinwohner/innen“ durchgesetzt, die deutsche Übersetzung von „indigen“ würde „eingeboren“ oder „einheimisch“ lauten. Das Wort „Eingeborene“ ist aber durch den kolonialen Beigeschmack belastet. In Brasilien werden indigene Völker als Indios bezeichnet, die direkte deutsche Übersetzung dafür wäre „Indianer/in“. Diese Bezeichnung wird im deutschen meist für nordamerikanische Gruppen verwendet und kommt von der Annahme Christoph Columbus, er sei in Indien gelandet. Jeder dieser Begriffe hat eine problematische Seite.
kumquat "BrandNeu!" 2/2014