Und was kommt jetzt?
Was hat jetzt durch Corona mehr Patz bekommen? Was können wir uns in die Zukunft mitnehmen, und was wollen wir verändern?
Ich gebe es zu – ich bin ein Gewohnheitstier. Veränderungen verunsichern mich im Großen und Ganzen eher. Ich bin sicherlich kein Mensch, der laut schreit: „Abenteuer, wo bist du?“. Gleichzeitig bin ich aber jemand, dem schnell langweilig wird. Also ein paar kleinere Veränderungen, Abenteuer sind mir schon Recht, und mal ab und zu was Neues ausprobieren – sehr gerne, aber bitte nicht zu schnell und nicht zu lebensverändernd.
Tja, und dann kam Corona! Alles hat sich verändert. Das bedeutete, nicht einfach mehr rausgehen zu können wann man will, nicht einfach Menschen zu treffen, wann man will - eingesperrt zu sein. Dennoch konnten manche eine andere Art der Verbundenheit zu einander kennenlernen. Es wurde deutlich, wie weltverändernd diese Krise ist und sein wird. Das kann gleichzeitig eine sehr große Angst machen, aber auch Hoffnung hervorrufen.
Gewohnheiten oder gar Traditionen entsprechen unserer menschlichen Natur, deshalb mögen wir sie so sehr. Aber viele unserer Gewohnheiten tun uns, anderen oder gar dem Planeten nicht gut. Deshalb kann es lohnend sein, gerade in einer großen Zeit der Veränderung als Chance zu sehen. Krisen rütteln uns ordentlich durch, aber können auch lehrreich sein.
Endlich mal zur Ruhe kommen
Unheimlich beeindruckend war die Stille am Beginn der Einschränkungen durch Corona in den Städten, die Ruhe, die eingekehrt war. Manchmal war es fast gespenstisch. Doch die Tiere schienen es zu genießen. Noch nie hatte ich so viele Vögel in der Stadt gehört.
Wer etwas verändern will, will tätig werden, aber vor allem braucht es einmal Zeit. Zeit zum Reflektieren, erkennen, was man eigentlich ändern will. Diese Zeit hat uns Corona gegeben, wir alle hatten viel Zeit über vieles nachzudenken, zu erkennen, was uns wichtig ist, was wir wertschätzen und auch zu erkennen, was wir nicht wollen, was wir nicht brauchen und was man ggf. ändern könnte.
Und dann war alles leer…
Ich gebe es zu, auch ich habe gehamstert. Nicht ganz so viel, aber als ich die leeren Regale im Supermarkt gesehen hatte, hat es mich doch so sehr verunsichert, dass auch ich lieber ein, zwei Packungen Nudeln mehr mitgenommen habe. Wir haben erlebt wie es sich anfühlt, wenn im Supermarkt nicht mehr alles vorhanden ist und man das mitnehmen muss, was noch da ist. Das regt zum Nachdenken an – denn für viele Personen sind diese Einschränkungen auch nach der Pandemie Realität.
Leere haben wir aber auch in den Kirchenräumen gespürt. Plötzlich konnten wir uns nur mehr einzeln oder mit bestimmten Regelungen in den Pfarr-Räumen aufhalten, manche Leute haben sich der Kirche sicherheitshalber ganz ferngehalten. Auch unser Terminkalender, der vorher bunt gefüllt mit Pfarr- und Jungscharterminen war, wies auf einmal viele leere Seiten auf. Dass wir für einige Monate nicht mehr planen konnten, hat unseren Alltag verändert und uns verunsichert.
Fortbewegung neu gedacht
Das erste Mal in meinem Leben habe ich einen klaren Himmel ohne Kondensstreifen gesehen, kein Flugzeug hat man gehört, alles war still. Als wieder Urlaub in gewissem Rahmen möglich war, war es klar, dass man nicht gleich wieder wegfliegen wird. Auch wenn es für einige nicht unbedingt eine freie Entscheidung war, haben sich viele Menschen für Urlaub in Österreich oder andere Urlaubsziele entschieden, die man leicht mit dem Zug oder Auto erreichen kann. Besonders für Kinder gab es auch im Umland ihrer Heimat viele neue Orte zu entdecken – ich denke da an Ausflüge in den Prater oder die Stadtwanderwege. Auch neue Wege der Fortbewegung wurden ausprobiert – vom Spazierengehen übers Wandern bis hin zum Radfahren in der Stadt. Vielleicht haben wir neue Ausflugsziele kennen gelernt, die wir mit unseren Jungscharkindern besuchen wollen!
Unsere Art der Fortbewegung und unser Reiseverhalten hat einen großen Einfluss auf das Klima unseres Planeten. Der Klimawandel war insbesondere wieder diesen Sommer stark zu spüren. Dieses Thema ist gerade für Kinder spannend, es ergeben sich viele Fragen und auch kreative Ideen, um der Klimakatastrophe ein Stück weit entgegen zu wirken. Solche Ansätze können wir in der Jungschararbeit aufgreifen und für Kinder greifbar machen – beispielsweise im Rahmen einer Klimakonferenz zum Start ins neue Pfarr-Arbeitsjahr! Wann, wenn nicht jetzt?
Wertschätzung
Corona könnte die Chance in sich tragen, etwas zu verändern, vielleicht auch zum Guten. Wir haben gelernt, vieles das für uns ganz selbstverständlich war, wieder wertzuschätzen. Die Welt hatte viel Zeit zu reflektieren, wir haben gesehen, dass vieles auch anders geht. Braucht es z.B. wirklich ständig Meetings vor Ort, oder könnten wir nicht viel CO2 sparen, indem wir mehr auf Videokonferenzen setzen, als von Ort zu Ort zu jetten? Brauchen wir wirklich so viele Dinge, oder haben wir in Corona-Lockdown-Onlineshopping-Trips gemerkt, dass uns auch viele Pakete nicht glücklich machen, sondern die Interaktion mit anderen?
Wir können die Pandemie zum Anlass nehmen, uns zu fragen, was wir vermisst haben und was nicht – auch in Bezug auf unsere Jungschararbeit. Vielleicht gibt es Dinge, die wir schon vor Corona nicht so toll fanden und auf die wir weiterhin verzichten möchten! Andere Sachen haben wir vielleicht neu ausprobiert und wir wollen sie auch in Zukunft einbringen. Nehmt euch bewusst Zeit, diese veränderten Einstellungen bei euren ersten Jungscharbesprechungen im Herbst zu reflektieren und bei eurer Planung zu berücksichtigen.
Und was heißt das für den Start ins neue Jungschar-Jahr?
Wir erzählen schon lange auf den Grundkursen auf der Burg Wildegg und auch sonst überall, dass vor allem die belastbaren Beziehungen in der Jungschar wichtig sind. Viele Gruppen haben in den Lockdowns auf Onlinegruppenstunden gesetzt. Das war ein spannender und auch sehr engagierter Kompromiss. Doch trotzdem, wie sehr haben sich viele Kinder und Gruppenleiter/innen dieses Jahr schon auf ein Jungscharlager gefreut? Endlich wieder Freund/innen sehen und unbeschwert den Sommer genießen. Gott sei Dank war das heuer auch möglich!
Aber vielleicht verändert Corona auch unser Programmangebot in der Jungschar, wer weiß wofür wir unsere neuen Fähigkeiten und die Flexibilität, die wir durch unzählige Onlinebesprechungen und ständig wechselnde Corona-Regelungen gelernt haben, noch brauchen können? Vielleicht muss ein Gruppenkind einmal wegziehen und dann kann es ab und zu doch online zugeschalten werden, oder man macht ein Onlinemeeting in Jogginghose, weil es schnell etwas zu entscheiden gibt. Und nicht zuletzt sind viele Änderungen, beispielsweise was die neuen Online-Skills unserer Jungscharkinder angeht, möglicherweise dauerhaft und stellen auch in Zukunft die Realität der „digital natives“ dar.
Ein reines Onlineangebot ist sicher nicht der neue Weg, im besten Fall haben sich unsere Fähigkeiten und Möglichkeiten aber erweitert und können die bisherige Jungschararbeit ergänzen – vielleicht sogar bereichern!
Kathi Bereis
kumquat "Platz da!" 2/2021