Was die Nacht alles macht

Checkliste für Nachtaktionen

Dunkelheit hat eine ganz besondere Eigenschaft: Egal, was ihr macht, es wird für die Kinder (und wahrscheinlich auch für euch) viel spannender und aufregender. Das liegt hauptsächlich daran, dass wir uns in unserem Alltag vor allem von einem Sinn leiten lassen: Sehen. In der Nacht ist das natürlich sehr eingeschränkt. Dadurch bekommen unsere anderen Sinne viel größere Bedeutung und wir können in der Dunkelheit Dinge entdecken, die wir sonst nicht wahrnehmen.

Das kann uns in der Vorbereitung einer Nachtaktion zugutekommen: Sie brauchen keine speziell „aufregenden“ Gestaltungsideen, auch die einfachsten Spiele wie zum Beispiel Dinge suchen werden durch die Dunkelheit spannender. Dafür sind wir aber besonders gefordert, wenn es darum geht, umsichtig zu planen. Denn Dunkelheit kann auch ganz schnell Angst machen.

Angst ist, wie jedes andere Gefühl, etwas sehr persönliches und kann nicht verallgemeinert werden – wir können nie genau wissen, was bei anderen Menschen Angst auslöst – bei manchen kann es ein leises Geräusch in der Nähe sein, bei anderen ein Film mit brutalen Szenen. Bei jedem/r liegt die Grenze woanders, daher ist es unmöglich, Situationen objektiv als „angst-auslösend“ oder „nicht-angst-auslösend“ einzustufen. Menschen reagieren auch unterschiedlich auf die jeweiligen Gegebenheiten - gerade auch in Situationen, in denen sie möglicherweise Angst haben: Die einen lachen, die anderen laufen weg, wieder andere stehen starr und unbeweglich da. Und es ist keineswegs leicht zuzugeben, dass man Angst hat.

Aus diesen Gründen ist es wichtig, bei Spielen, die in der Nacht stattfinden, besonders vorsichtig zu sein, um Kinder keinen unangenehmen Situationen auszusetzen, sondern ihnen zu ermöglichen, Nacht und Dunkelheit als etwas Positives zu erleben.

Wenn ihr also eine Nachtaktion (z.B. für euer Lager) geplant habt, ist es gut, sie sich vorher nochmal daraufhin anzusehen, ob sie für alle Kinder zu einem schönen Erlebnis werden kann. Dafür findet ihr hier einige Tipps:

Gebt den Kindern Sicherheit!
•    Das Gelände, in dem das Spiel stattfindet, soll klar abgesteckt und den Kindern bereits bekannt sein (z.B. von einem Geländespiel, das ihr dort schon gemacht habt). Natürlich habt ihr vorher gefährliche Gegenstände entfernt und ungünstiges (z.B. rutschiges) Gelände abgegrenzt.

•    Die Kinder dürfen selbst entscheiden, ob und wie weit sie bei der Nachtaktion mitmachen wollen, da jede/r eine individuell unterschiedliche Grenze zwischen Spannung und Furcht hat.

•    Kinder müssen nie alleine gehen, sondern immer in der Gruppe. Gerade für Jüngere ist es besonders wichtig, von einem/r Gruppenleiter/in begleitet zu werden. Wenn eine (ältere) Gruppe ohne Begleitperson unterwegs ist, ist es wichtig, dass die Kinder wissen, wo ein/e Gruppenleiter/in zu finden ist (z.B. eine betreute Anlaufstelle mit Licht). Dort können die Kinder kurz Pause machen oder auch länger bleiben, wenn sie nicht mehr mitspielen wollen.

•    Die Kinder dürfen eine Taschenlampe mitnehmen und immer verwenden, wenn sie sie brauchen. Zusätzlich kann es auch eine gut beleuchtete Anlaufstation geben, zu der die Kinder immer wieder zurückkommen können (z.B. um nach jeder Station etwas abzugeben).
•    Baut Vertrautes in die Nachtaktion ein, damit die Kinder nicht vor lauter neuen Herausforderungen stehen. Wenn die Gruppenleiter/innen sich also verkleiden, dann nicht so, dass sie absolut nicht mehr erkennbar sind.

Macht den Kindern keine Angst!
•    Aufgaben und Stationen sollen spannend sein, ohne Angst zu erzeugen. Die Kinder sollen Abend, Nacht und Dunkelheit positiv erleben können.

•    Kinder werden nie erschreckt! Das zerstört das Vertrauensverhältnis, das die Kinder zu euch aufgebaut haben.

Alles nur ein Spiel?
•    Ganz wichtig ist, dass den Kindern die Grenze zwischen Realität und Spielgeschichte immer klar ist. Erzählt also nicht von einem Geist, der genau in der Gegend, in der ihr seid, herumspukt – aus so einer Geschichte können die Kinder nicht aussteigen, weil es ihre Realität betrifft.

•    Das Spiel endet immer mit einem Happy End und unklare Teile der Spielgeschichte werden aufgelöst, damit für die Kinder nach dem Spiel keine ungeklärten Fragen mehr offen bleiben.

•    Achtet darauf, dass der letzte Programmpunkt vor dem Schlafengehen nichts allzu aufregendes oder spannendes ist. Sollte das der Fall sein, ist es gut noch einen Schlummertrunk (z.B. heiße Milch mit Honig) anzubieten, damit die Kinder wieder runter kommen und gut einschlafen können.

Alternativprogramm
Auch wenn Spiele und Aktionen in der Nacht sich an diesen für Kinder wichtigen Punkten orientieren, kann es sein, dass Kinder es vorziehen, am Abend bzw. in der Nacht im Haus zu bleiben. Deshalb ist es am Abend wichtig, zwei verschiedene (möglichst ähnlich attraktive) Programmpunkte anzubieten, wobei einer davon im Haus oder gleich daneben stattfindet. Dabei ist auch zu beachten, dass ihr beide Programme gleichwertig darstellt – nicht die Nachtaktion als das tolle und „richtige“ Programm und die Alternative halt für die, die „sich nicht trauen“. Nur so haben die Kinder eine echte Wahl. So ein Alternativprogramm kann eine Rätselrallye durchs oder rund ums Haus sein, ein/e Geschichtenerzähler/in, bei dem/der es auch Kekse und etwas zu Trinken gibt oder auch etwas ganz anderes – eurer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Dunkelheit und Nacht ist etwas Spannendes, das es zu entdecken gilt. Ermöglicht euren Kindern eine gute Begegnung mit der Dämmerung, ohne dabei Angst auszulösen. Dann behaltet ihr bestimmt alle schöne Erinnerungen daran.

Sandra Fiedler

[aus dem kumquat "Angst" 2012]


Bei Tage ist es kinderleicht, die Dinge nüchtern und unsentimental zu sehen. Nachts ist das eine ganz andere Geschichte.
Ernest Hemingway