Fußball ist ja nicht nur kicken

ein Interview mit Babsi Maly

Gerade jetzt rund um die Europameisterschaft 2008 ist Fußball in aller Munde. Klassischerweise ist hierbei immer von einer „Männersache“ die Rede: Fußball wird von Männern gespielt, von Männern geschaut, Schiedsrichter sind männlich ebenso wie Trainer und Funktionäre. Aber ist Fußball wirklich nur etwas „Männliches“?
Wir wollten uns dem Thema Fußball & Frauen abseits der Klischees von Spielergattinen & Co. nähern und haben eine Fußballerin befragt. Babsi Maly spielt seit vielen Jahren im Wiener Verein 1. FC Paulaner Wieden (www.fcpw.at).

Babsi, du hast in deinem Verein schon jahrelang Erfahrung im Mädchen- und Frauenfußball gesammelt – gibt es deiner Meinung nach Unterschiede zwischen Männerfußball und Frauenfußball?

Es gibt derzeit noch viele Unterschiede, die aber eigentlich fast alle auf den gesellschaftlichen Stellenwert von Frauenfußball zurückzuführen sind. Für Burschen und Männer ist Fußball spielen selbstverständlich – für Mädels noch immer recht außergewöhnlich. Im Vergleich zu Männern fangen Frauen, wenn sie überhaupt Fußball spielen, später damit an und werden dabei auch weniger gefördert. Das sieht man in Turnstunden und bei Hobbyangeboten, aber im Grunde fängt das auch schon bei der Kindererziehung an: Was ist z.B. das erste Spielzeug, das man Kindern gibt? Bei Mädchen ist es oft eine Puppe, bei Burschen viel eher ein Ball – so etwas beeinflusst nicht nur stark die motorische Entwicklung von Kindern und „Fußballtechnik“, sondern auch Verhaltensmuster wie die Lust an der Bewegung und am Gewinnen, Biss und „sich in Szene zu setzen“ - das müssen sich Mädchen später oft mühsam erarbeiten. Zentral ist die Frage: Wie viel und ab wann beschäftige ich mich mit Fußball - und nachdem da Burschen einfach viel früher zum Zug kommen, sind sie auch früher schon auf einem Leistungslevel, das Mädchen viel später oder gar nicht mehr erreichen können.
 
Welche Folgen hat das für den Frauenfußball?

Meisterschaftsspiele von Frauen sehen eben meist langsamer, „fader“ und „schlechter“ aus als Männerspiele. Ein Grund dafür ist, dass derzeit Mädchen in Vereinen am Anfang oft Quereinsteigerinnen sind, das heißt ohne viel Spielpraxis und Können in einem Verein zu spielen beginnen - während Burschen in Vereinen immer schon ein gewisses Level und Talent haben und dort Fußball als Wettkampfsport betreiben. Vereinsfußball ist ja ansich nicht nur kicken – zu einem Spiel gehört mehr, als auf den Ball draufhauen, das ist mehr als ein Kickerl im Park, aber wenn Mädels nicht mal im Park kicken, ist es auch logisch, dass das Niveau niedriger ist, wenn Spielverständnis und Technik erst im Verein gelernt werden - nicht Talent, sondern Interesse ist das Einstiegskriterium für Mädls. Viele talentierte Mädls spielen wahrscheinlich gar nicht in Vereinen, weil sie gar nicht wissen, dass sie gute Fußballerinnen wären.

Spielen Frauen anders Fußball?

Wenn Frauen beginnen, Fußball zu spielen, fehlt oft eine gewisse „Grundaggressivität“, das heißt Durchsetzungsvermögen, Körpereinsatz, zum Ball und „auf die Gegnerin“ zu gehen, müssen viele Frauen erst lernen. Für Burschen ist das viel selbstverständlicher, da sie viel eher lerne, sich körperlich durchzusetzen. Auch Tricksen und Ballverliebtheit bringen Burschen meist schon mit, das fehlt oft beim Frauenfußball und macht den Sport deswegen auch vermutlich weniger attraktiv.
Einen konkreten Unterschied merkt man an der Geräuschkulisse auf dem Spielfeld. Bei Männern hört man häufig emotionales Jubeln und auch viel Fluchen, Bei einem Frauenspiel hört man dagegen oft nur verhaltenes Jubeln und viele Entschuldigungen – sowohl für Fouls an der Gegnerin, aber auch für Fehler, die man selber macht. 
Auch das Konkurrenzverhalten innerhalb der Mannschaft ist, glaube ich, anders als bei Männern, die sich vielmehr über ihre Einzelleistungen im Vergleich zu anderen definieren. Zumindest bei mir in den Mannschaften erlebe ich, dass Leistungsunterschiede sehr gut „aufgefangen“ und von den anderen ausgeglichen werden. In meinem Verein kommen viele des Spaßes wegen, es ist ein kommunikativer Teamsport mit großer sozialer Komponente. 

Aber wie sieht es auch mit dem oft gebrachten Argument der körperlichen Unterschiede aus; dass Frauen körperlich schlechtere Voraussetzungen haben?

Bei wirklich gleicher Fußballerfahrung würden sich in einem Spiel Männer gegen Frauen körperliche Voraussetzungen, die z.B. muskulär bedingt sind, wie Schnelligkeit oder eben Schusskraft, eigentlich erst im Hochleistungsbereich wirklich bemerkbar machen. Maximal die Durchschnittsgröße von Männern wäre ein Vorteil, jedenfalls für Tormänner. Der große Unterschied liegt eben, glaube ich, nicht in den biologischen Vorraussetzungen, aber im Umgang damit. Der Körperumgang, die „Trainiertheit“ und sportliche Fertigkeiten haben bei Burschen einen wesentlich höheren Stellenwert, sind  richtiggehend „Statussymbol“. Das ist aber nichts „Naturgegebenes“, das sind erlernte Geschlechterrollen. Guter Fußball verlangt außerdem nicht nur körperliche Fähigkeiten, sondern auch viel Spielverständnis und Spielwitz - Qualitäten, die sich keinem Geschlecht zuordnen lassen, sondern viel mit Erfahrung und Interesse zu tun haben.  
Ein „biologischer“ Unterschied, der sich sehr wohl auf Frauenfußball auswirkt, ist, dass die Frauen die Kinder kriegen und dann zwangsläufig während der Schwangerschaft pausieren müssen, also jahrelanges kontinuierliches Spielen im Familienkontext schwierig ist. Viele hören auch mit der Geburt eines Kindes ganz zu spielen auf, Das hat dann allerdings wieder eher gesellschaftliche Gründe, da Zeit für Training und Matches auf Kosten von Zeit mit den Kindern eher Männern zugebilligt wird als Frauen. 

Frauen und Fußball ist also immer noch etwas Seltenes?

Ja, aber Frauenfußball wird immer häufiger, es beginnt in den Schulen selbstverständlicher zu werden, es gibt mehr Vereine mit Nachwuchsmannschaften für Mädls, allerdings könnte man noch viel mehr fördern. Allein die mediale Repräsentation von Frauenfußball bzw. Frauen und Fußball ist ein Witz. Es gibt kaum Vorbilder, die in der Öffentlichkeit stehen. Eng damit verbunden ist z.B. auch der finanzielle Aspekt – Sponsoren für den Frauenfußball sind Mangelware, aber professioneller Spielbetrieb, Nachwuchsarbeit, Trainerinnnenausbildung etc. kosten viel Geld. Die Generation Frauen, die damit aufwachsen, dass Fußball auch zu ihrem Leben gehört oder gehören kann, und somit als Vorbilder fungieren, wächst also erst heran bzw. ist erst im Kommen. 

Was haben Mädchen deiner Meinung nach davon, Fußball zu spielen?

Im Grunde das gleiche wie Burschen: Fußball ist Sport und Spiel, ist Bewegung und Spaß. Mädchen bringt es glaube ich aber auch ein anderes Selbstbewusstsein. Derzeit wird Frauenfußball in Österreich zwar viel belächelt, aber ich hab andererseits auch oft die Erfahrung gemacht, dass man viel positive Anerkennung erntet, wenn man in einem so männlich besetzten Feld gut mitspielen kann. Fußball ist außerdem eine kampfbetonte Kontaktsportart. Dadurch, dass man während des Spiels klassische weibliche Eigenschaften, wie z.B. Zurückhaltung, sich unterordnen, nur sozial zu agieren und Vorsichtigkeit, ablegen darf, erweitert man das klassische Frauenbild um einiges. Idealerweise fördert Fußball auch die Teamfähigkeit, auch weil ein Verein abseits des Spielfeldes einen tollen sozialen Rahmen bietet.
 
Vielen Dank, Babsi, für das Gespräch 
Das Interview führten Clemens Huber und Sabine Kräutelhofer

[aus dem kumquat "abseits" - 2008]