Sprachenvielfalt Afrikas

„Durch’s Reden kommen d‘ Leut zam“ - aber wie passiert das in Afrika? Afrika, ein riesengroßer Kontinent, mit 55 unabhängigen Ländern, über einer Milliarde Menschen und 2000 eigenständigen Sprachen.

So viele Sprachen – so viele Funktionen

Es wird oft vergessen, dass es auf dem afrikanischen Kontinent mehr Sprachen als auf jedem anderen Kontinent gibt und dass „Afrikanisch“ so als Sprache ja gar nicht existiert J. Sprachentechnisch ist Afrika ein sehr vielfältiger Kontinent, mit über 2000 eigenständigen Sprachen, von denen circa 50 als größere Sprachen gelten, weil sie jeweils von über einer Million Menschen gesprochen werden.

Als ich mich im Studium der Afrikawissenschaften an der Uni Wien im Rahmen der afrikanischen Sprachwissenschaft für eine Sprache (im Angebot waren Haussa, Kiswahili, Bambara, Fulfulde) entscheiden musste, fiel meine Entscheidung auf Kiswahili, aufgrund der hohen Verbreitung dieser Sprache (ca. 80 Millionen Sprecher/innen weltweit). Erst mit der Zeit wurde mir bewusst, welche Dichte an Sprachen und Sprachtradition es in Afrika gibt (sei es mündlich tradiert, niedergeschrieben oder in Geschichten verpackt) – Sprache, und vor allem mündlich überlieferte Texte, sind ein ganz wesentlicher und faszinierender Faktor afrikanischer Geschichtsschreibung und Kommunikation.

Ein Drittel aller Sprachen der Welt werden in Afrika gesprochen. Alleine in Nigeria gibt es beispielsweise 510 Sprachen, in Kamerun 279, im Sudan 142, in Äthiopien 84 und im Senegal 36, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Viele dieser Länder haben allerdings nur wenige offizielle Amtssprachen (in Nigeria ist beispielsweise nur Englisch als Amtssprache anerkannt), nicht so in Südafrika. Südafrika gilt als eines der sprachenreichsten Länder der Welt, da es elf anerkannte Amtssprachen vorweisen kann (Englisch, Afrikaans, isiZulu, Siswati, Süd-Ndebele, Sesotho, Sepedi, Xitsonga, Setswana, Tshivenda und isiXhosa).  

Sprachfamilien und Unterteilung

Generell werden afrikanische Sprachen in vier Sprachfamilien eingeteilt: Afroasiatische, Nilosaharanische, Niger-Kongo und Khoisan Sprachen. Die Sprache Madagaskars (Malagasy) wird normalerweise nicht zu den afrikanischen Sprachfamilien gezählt, weil sie zur austronesischen Sprachfamilie gehört. Außerdem sind auch die europäischen ehemaligen Kolonialsprachen in Afrika weit verbreitet (Englisch, Französisch, Portugiesisch, Spanisch, Deutsch, Italienisch und Afrikaans). Die afrikanischen Sprachfamilien sind untereinander oft völlig unterschiedlich, unterscheiden sich in ihrer Grammatik und in ihrem Wortschatz und sind auch nicht verwandt. In ihrer Vielfalt ist jede einzelne Sprache ganz besonders. So sind beispielsweise die Sprachen der Sprachfamilie der Khoisan-Sprachen jene, die sich durch besondere Laute, nämlich Klick- oder Schnalzlaute charakterisieren. Khoisan-Sprachen sind für unsereins sehr schwer zu erlernen, da die Klick-/Schnalzlaute durch die Stellung der Zunge (dental, lateral oder palatal) und der Art des Atemholens erzeugt werden, und es anfangs sehr lange braucht, um die Technik zu erlernen. Bekannte Sprachen in dieser Sprachfamilie sind Xhosa, Zulu, Sandawe oder Ju. Mittlerweile gibt es bereits auf Youtube und ähnlichen Kanälen viel Musik (u.a. natürlich Miriam Makeba) in Khoisan-Sprachen - ein Fest für unsere Ohren, da hineinzuhören!

Wie kommunizieren? Der Mix macht’s !

Aufgrund der Dichte an afrikanischen Sprachen ist es nicht verwunderlich, dass Mehrsprachigkeit ein so weit verbreitetes, langjähriges und allgegenwärtiges Phänomen in Afrika ist. Die Entwicklung einer Lingua Franca (also eine Art „Verkehrssprache“, eine gemeinsame Sprache für Menschen, die nicht die gleiche Erstsprache haben, um Verkehr, Handel, Kommunikation und Austausch zu ermöglichen) ist deswegen eine wichtige Basis und erleichtert den Umgang miteinander. Beispiele für eine Lingua Franca in Afrika sind Kiswahili, Arabisch, Wolof, Englisch oder Französisch.

Ein weiteres spannendes sprachliches Phänomen in Afrika sind, vor allem von Jugendlichen entwickelte, Pidgin-Sprachen, das bedeutet einen Mix aus Sprachen, welcher dann wieder als Lingua Franca fungiert, also Menschen Austausch und Verständigung ermöglicht, jedoch weder eine differenzierte, ausgereifte Grammatik noch einen großen Wortschatz beinhaltet. Eine Pidgin-Sprache wird als Fremdsprache erlernt, immer dort, wo mindestens zwei oder mehr Sprachen in Kontakt treten, oftmals ehemalige Kolonialsprachen. Weit verbreitet ist das sogenannte Pidgin-Englisch, welches natürlich je nach Land eine unterschiedliche Sprach- und Schreibweise hat. Einige Beispiele aus dem nigerianischen Pidgin-Englisch sind: Wetin dey happen? - Was passiert gerade?, I Wan Chop - ich möchte essen. I dey fine – mir geht’s gut. I no no - ich weiß es nicht.

Ein anderes kommunikatives Phänomen ist das Code-Switching, was kurz erklärt das Wechseln von einer Sprache in die andere ist. Menschen, die mehr als eine Sprache sprechen, wechseln oft innerhalb eines Gesprächs, eines Satzes oder sogar einer Phrase die Sprache. Das Code-Switching oder Code-Mixing passiert meist in internationalen Kommunikationskontexten oder in gemischten Gruppen und ist eine besondere Qualifikation für die jeweiligen Sprecher/innen, weil es besondere Sprachkompetenz beweist.

Sprache lernen = mehr davon haben

Für mich war die Motivation, Kiswahili zu lernen, hauptsächlich die Neugier auf das Kennenlernen einer neuen Sprache und Kultur. Es wurde aber viel mehr daraus! Sprache öffnet ja bekanntlich Türen, sowieso kommen durch’s Reden die Leute zusammen und auch bei mir ist dies eingetreten. Auch in Momenten, in denen meine Kenntnisse der Sprache noch zu gering waren, um eine anständige Konversation in Gang zu halten, wurde ich mit offenen Armen empfangen, hatte ich einen anderen Zugang zu den Menschen und wurde für meine Bemühungen und oftmalige Verzweiflung ob des fehlenden Vokabulars mit vielen schönen Bekanntschaften, bleibenden Erinnerungen und spannenden Geschichten und Erlebnissen belohnt. Viele lustige Momente später muss ich noch immer daran zurückdenken, was mir mein Bemühen gebracht hat. Deswegen hier auch mein Apell an alle interessierten Menschen da draußen, die gerne reisen, neue, spannende Länder kennenlernen und faszinierende Menschen treffen wollen – meist ist es sehr fein, dies offen und bemüht (womöglich auch in einer anderen Sprache?) anzugehen.

Katharina Metzbauer

Quellen und weiterführende Literatur:

kumquat "Sprache" 4/2014