„Und wenn du brav bist, dann…“

Vom Christkind, dem Osterhasen und warum es nicht okay ist, sie als Erziehungshelfer/innen zu missbrauchen.

Jede/r von uns kann sich wohl an das Gefühl zu Weihnachten erinnern, kurz vor der Bescherung: Vorfreude, Neugier (Kann man vielleicht heuer einmal einen Blick aufs Christkind erhaschen, bevor es aus dem Fenster davonflattert?) und Spannung gemischt mit etwas Unruhe (Ob man auch brav genug war, um alle Geschenke zu bekommen?) stellen sich ein.  Diese - nicht immer angenehmen - Gefühle werden natürlich auch durch die Geschichten, die man von Eltern, Großeltern, großen Geschwistern oder anderen (erwachsenen) Personen erzählt bekommt, begünstigt. Aber soll man deswegen darauf verzichten, diese „Kinder-Mythen“ zu erzählen?

Soll man oder soll man nicht?

Ob man diese Geschichten den eigenen Kindern erzählt und in welcher Version, bleibt einem wohl selbst überlassen. Das ist auch sicher immer abhängig davon, wie man es selbst erlebt hat und man damit umgegangen ist.

Kinderpsycholog/innen betonen immer wieder, dass die Geschichten vom Osterhasen und Co. die Fantasie der Kinder anregen. Solche „magischen Figuren“ helfen Kindern, die innere Bedeutung von Weihnachten o.ä. Festen besser zu verstehen, da sie mit abstrakten Begriffen wie „Schenken aus Nächstenliebe“ überfordert sind. Kinder haben ein Bedürfnis nach konkreten Bildern und Veranschaulichungen. Ohne symbolische Darstellung, etwas Greifbares, können Kinder die tiefere Bedeutung nur schwer entwickeln und kaum einen emotionalen Bezug zum Fest herstellen.

Die Frage, die sich viel eher stellt, als die, ob man diese „G‘schichteln“ erzählen soll, ist, wie erklärt man dem Kind irgendwann, dass eigentlich die Eltern die Geschenke unter dem Christbaum legen und die Eier im Garten verstecken? Natürlich ist es für jedes Kind ein anderer Zeitpunkt, an dem es bereit ist, diese „Zauberwelt“ aufzugeben und meistens geschieht das ganz von selbst. Kritische Fragen zum Christkind und zum Osterhasen tauchen oft erst dann auf, wenn das Kind bereit für die Wahrheit ist und sich noch etwas „Bestätigung“ für seine Entdeckung von den Eltern holen möchte.

Geschichtliches

Aber woher kommen diese „Mythen für Kinder“ eigentlich? Das Christkind als Gabenbringer ist wahrscheinlich eine Erfindung der Protestanten/innen. Bis zur Reformation war es üblich, den Kindern am Festtag des Hl. Nikolaus von Myra (6.Dezember), dem Schutzpatron der Kinder,  etwas zu schenken. Da die Protestanten/innen diese direkte Form der Heiligenverehrung ablehnten, wurde der „Heilige Christ“ eingeführt und die Beschenkung auf den 25. Dezember verlegt. Obwohl mit „Heiliger Christ“ wahrscheinlich nicht das Baby-Jesuskind gemeint war sondern Jesus Christus ganz allgemein, hat sich im Laufe der Zeit doch diese Vorstellung vom neugeborenen Jesus bzw. einem Engel, der die Geschenke bringt, entwickelt. Wahrscheinlich vor allem deshalb, weil sich dadurch gut erklären lässt, warum das Christkind am Geburtstag von Jesus kommt.

Schwieriger ist dieser Zusammenhang schon herzustellen, wenn es um den Osterhasen und das Osterfest geht. Vor allem die Verbindung zwischen Hase und Eiern wirft einige Fragen auf, aber eines nach dem anderen. Die ersten belegten Erwähnungen des Osterhasen stammen aus dem 17. Jahrhundert – auch damals schon in Verbindung mit dem Verstecken  von Ostereiern. Warum gerade der Hase als Eierschenker ausgewählt wurde, ist unklar. Wahrscheinlich weil er seit jeher als Fruchtbarkeits- und Frühlingssymbol gilt.

Jetzt bleibt noch die Frage zu klären, warum wir Eier zu Ostern schenken. Einerseits galt im Mittelalter auch das Ei als Frühlings- und Auferstehungssymbol (ähnlich dem Hasen), immerhin entwickelt sich aus diesem äußerlich toten Ding ein kleines Küken, und andererseits hatte man nach der Fastenzeit ohnehin einen Überschuss an Eiern, da man diese in dieser Zeit nicht essen durfte. So kochte man sie kurzerhand, um sie etwas haltbarer zu machen und verschenkte sie zu Ostern. Offen bleibt noch warum der Hase die Eier bringt, wahrscheinlich war er einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Brav-Sein als „Muss“?

Ein Punkt, den man nicht vergessen sollte, ist die Funktion, die diese Figuren einnehmen. Bedenklich wird es, wenn Christkind, Nikolaus, Osterhase und Co. als Druckmittel oder Erziehungsinstanzen eingesetzt werden. Sätze wie „wenn du nicht brav bist, bringt dir das Christkind nichts“ sollten vermieden werden. Manche Psychologen/innen gehen davon aus, dass die magischen Gabenbringer/innen wie der Osterhase und das Christkind deshalb bei den Kindern so beliebt sind, weil sie das prinzipielle Wohlwollen der Welt gegenüber Kindern symbolisieren. Das ist auch einer der Gründe warum Kinder von Weihnachten sehr begeistert sind, immerhin wird hier die Geburt eines Kindes ganz groß gefeiert. Kinder gehen dann davon aus, dass sich alle auch über ihre eigene Geburt gefreut haben und fühlen sich in ihrem Dasein bestätigt.  Wenn man also Geschenke an „Brav-Sein“ knüpft, gibt man Kindern das Gefühl, dass man sich nur über brave Kinder freut.

Auch bei Nikolo-Feiern spielt das „Brav-Sein“ – oft in Verbindung mit einem goldenen Buch – leider noch immer eine große Rolle. Dieses „zur Schau stellen“ von bösen Taten und öffentliches Tadeln soll man unbedingt unterlassen. Vor allem weil wir als Christen/innen glauben, dass Gott uns immer liebt und er uns nicht nur belohnt, wenn wir brav sind.

Veronika Schippani

kumquat "Mythen" 1/2013