Geht dir das manchmal auch so? Wenn ich die Zeitung aufschlage und wieder über eine Katastrophe irgendwo auf der Welt lese, dann frage ich mich oft, was kann ich schon tun, was ist meine Aufgabe in dieser Welt?
In der Bibel wird diese Frage immer wieder aufgeworfen. Schon ziemlich am Anfang des Alten Testaments kommt der Auftrag Gottes an Abraham: „Ein Segen sollst du sein.“ (1Mo 12,2) Ich nehme einmal an, dass dieser Auftrag auch für alle anderen Menschen gelten kann. Segensreich für das Leben meiner Mitmenschen zu sein, dem Guten in der Welt Raum zu geben, das klingt für mich nach einer guten Vision, die u.a. die Projektpartner/innen der Dreikönigsaktion in vielen Ländern leben (wie z.B. hier auf dem Bild auf den Philippinen).
Schauen wir uns das einmal praktisch an:
Was ist zu tun in den Fällen, wo nicht das Schicksal zugeschlagen hat, sondern menschliche Grausamkeit und Brutalität Ursache für eine Katastrophe sind? Was ist in den vielen alltäglichen Situationen zu tun, wo „Gutes unterlassen und Böses getan“ wird (wie es so schön im Schuldbekenntnis heißt)? Da fällt es relativ leicht, Mitleid mit den Opfern zu haben, aber für die Täter/innen steigen Gefühle der Rache und Vergeltung auf. Wie ist das zu vereinbaren mit dem Auftrag, „ein Segen zu sein“?
Jesus sagt: „Ihr aber sollt eure Feinde lieben und sollt Gutes tun und leihen, auch wo ihr nichts dafür erhoffen könnt.“ (Lk 6,35) Das erscheint in vielen Situationen unmöglich, wie eine Überforderung. Wenn ich allerdings auf Rache sinne und Vergeltung fordere („Der/die soll am eigenen Leib verspüren, was er/sie anderen angetan hat.“), stelle ich mich auf eine Stufe mit dem/der Täter/in. Denn wenn mir etwas wehtut, z.B. weil ich mich verletzt habe, habe ich ja auch nicht weniger Schmerzen, wenn sich jemand anderer auf die gleiche Art verletzt. Genauso kann die Forderung nach Rache meine Schmerzen vielleicht kurzfristig, aber nicht auf Dauer lindern.
Vielleicht hilft aber die Zusage Gottes, die direkt nach dem Auftrag an Abraham kommt: „Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen.“ (1Mo 12,3) Das meint für mich keinesfalls, dass unser Gott ein Gott der Rache ist. Für mich heißt das vielmehr: Unser Gott beschützt mich und schaut auf mich. Es gibt zwar keine ausgleichende Gerechtigkeit in dieser Welt, auf die ich mich verlassen kann, aber Gott wird für Gerechtigkeit sorgen. Das nimmt von mir den Druck, alles selbst tun zu müssen, zu richten und zu verurteilen, denn Gott steht dabei hinter mir und hilft mir. Ich denke, die Welt wird nicht dadurch besser, dass ich nach Rache schreie, sondern dass ich versuche, das Gute in der Welt zu vermehren.
Christina Schneider