Sind spielende Kinder „Lärmbelästigung“?
Was haben Düsenjets, Presslufthammer, Autolärm und Kinderlachen gemeinsam? Schwer zu erraten, oder? Kaum zu glauben, aber wahr, all diese „Lärmbelastungen“ fallen unter die Kategorie gefährliche Immissionen – sind also Lärm, der unsere Gesundheit angeblich belastet.
Kinder sind laut. Na und!?!
Der Sommer ist noch gar nicht so lange her. Wie schön ist es da, in der Wiese zu liegen, die Sonne und die Ruhe zu genießen. Plötzlich hört man, wie Kinder lautschreiend einander hinterherlaufen, lachen und einfach wild sind. Tja, das kann einem passieren, und es kann einem auch passieren, dass die Nachbarn ein Baby bekommen haben und es die ganze Nacht nicht nur seine/ihre Eltern, sondern auch eine/n selbst wach hält.
Aber Erwachsene auch…
Mit all dem kann und muss man leben. Kinder sind laut, und haben auch ein Recht darauf. Und wie oft gibt es Partys auf die, die Polizei kommt, weil die Musik oder die Gäste zu laut sind. Man braucht nur in einer Runde mit mehreren Leuten zusammensitzen, alle erzählen sich etwas und sind somit klarerweise auch ziemlich laut.
Menschen können sprechen und das in allen unterschiedlichen Lautstärken. Je mehr wir sind, umso lauter sind wir meistens. Wenige kämen aber auf die Idee, sich deshalb bei einer Gruppe Erwachsener zu beschweren.
Aber bei Kindern rufen die Bewohner/innen nicht nur aus dem Fenster auf den Spielplatz: „Gusch! Jetzt seid‘s einmal leise!“, sondern greifen manchmal sogar zu Extremmaßnahmen und gehen mit ihren Klagen über den Kinderlärm vor Gericht.
Kinderlärm ist einklagbar?
So geschehen unter anderem im oberösterreichischen Hörsching. Dort führte ein jahrelanger Rechtsstreit sogar dazu, dass es zu einem gerichtlich angeordneten Ballspielverbot kam. Und in Völkermarkt sollte einem Kindergarten eine Holzwand vorgesetzt werden, damit das benachbarte Ehepaar nicht von den lärmenden Kindern gestört wird.
Es liegt hier einiges im Argen. Das beruhigende ist jedoch, seitdem diese Vorfälle so stark in den Medien diskutiert wurden, ist auch den meisten Richter/innen klar, dass Kinder nun mal auch ein Recht darauf haben laut zu sein, dass das auch etwas ganz Natürliches und Normales ist, und wir Erwachsene uns lieber darüber freuen sollten, wenn es noch Freiräume für Kinder gibt, in denen sie sich austoben und wild sein können.
Deutschland als Vorreiter
Deutschland ist uns hierbei wieder mal eine Nasenlänge voraus. Hier gab es einen Vorfall in einem Flugzeug. Ein Kind war laut und jemand wollte gerichtlich dagegen vorgehen. Es werden mehr und mehr Stimmen gegen Kinderlärm in Flugzeugen laut. Immer mehr Passagiere würden gerne für „kinderfreie“ Flüge zahlen.
Nachdem dieser Fall bekannt wurde, gab es ein starkes Medienecho, dass Kinderlärm nicht in dieselbe Kategorie wie Presslufthammer-Lärm fallen kann. Schließlich ist Kinderlachen nicht zu vergleichen mit Industrielärm. Gerade in einer Welt, in der wir ständig von technischem Lärm umgeben sind. Wir leben in Städten mit tausenden Autos, Bussen, Straßenbahnen, Baustellenlärm und was sonst noch alles dazu gehört. Und da wollen wir Kinderlärm mit Industrielärm gleichsetzten, für den es gesetzliche Normen und Vorschriften gibt?
Nach dieser medialen Aufregung gab es sogar eine Gesetzesänderungen: Kinderlärm darf nicht mehr unter das Immissionenschutzgesetz fallen. Das heißt man kann gegen Kinderlärm nicht mehr gerichtlich Klage einbringen.
Österreich hinkt hinterher
In Österreich sind wir leider noch nicht so weit, obwohl sogar seit Anfang des Jahres einige Kinderrechte in die Verfassung aufgenommen wurden. Hier sieht man wieder, dass es wohl nicht reicht, nur sechs Kinderrechte aus insgesamt 54 Artikel aufzunehmen.
Auch wenn es recht unwahrscheinlich ist, dass man mit einer Klage gegen Kinderlärm an österreichischen Gerichten wirklich durchkommt, wäre es ein positives Zeichen für die Rechte der Kinder und allgemein ein Zeichen einer offenen Gesellschaft, wenn das Immissionschutzgesetz diesbezüglich im Gesetz geändert werden würde – zugunsten der Kinder.
Kathi Bereis
kumquat "Pssst!" 4/2012