Einige Überlegungen zum Umgang mit Traditionen
Wahrscheinlich hast du diesen Satz schon mehr als einmal gehört bzw. selbst gesagt, je nachdem welche Rolle du gerade hast. Die Entscheidung Neues auszuprobieren oder Altes beizubehalten ist oft eine Gratwanderung, bietet aber auch Chancen auf Veränderungen. Einige Denkanstöße zum Umgang mit Traditionen findest du in diesem Artikel.
Traditionen sind gut!
Traditionen erleichtern eure alltägliche Jungschar-Arbeit. Wie mühsam wäre es, bei jeder Besprechung neu auszuverhandeln, wer die Sitzung leitet, wer aller dabei sein soll, wie lang es dauert, ob es was zu essen gibt,... Aber auch in den Gruppenstunden und am Lager werden dir wahrscheinlich viele Elemente einfallen, über die einfach nicht lange nachgedacht wird, weil das eben immer schon so war, z.B. vor dem Schlafen gehen gibt es eine Gute-Nacht-Geschichte, das Lagerparlament findet vor dem Abendessen statt und das Morgengebet beginnt erst, nachdem der Abwasch erledigt ist.
All diese Dinge geben uns auch Sicherheit, weil sie dadurch vieles berechenbarer machen und nicht nur den Kindern sondern auch den Gruppenleiter/innen ein Gefühl dafür geben, nach welchen Spielregeln unser Zusammenleben gut abläuft.
Traditionen sind schlecht!
Traditionen machen die Jungschar-Arbeit unheimlich schwer. Sie verhindern nämlich oftmals notwendige Veränderungen und lassen uns beim Gewohnten bleiben, obwohl es für viele nicht mehr passt. Beispielsweise kann es vorkommen, dass Veranstaltungen, wie z.B. eine Nikolojause, nur deswegen durchgeführt werden, weil es das in den letzten Jahren auch immer gab und alle glauben, dass das zur Jungschar dazugehört. Es kann aber sein, dass sie weder Kindern noch Gruppenleiter/innen viel Spaß macht, aber trotzdem an dieser Veranstaltung festgehalten wird.
Viele dieser Dinge laufen unbewusst ab und sind deswegen auch nur schwer zu ändern. Dafür muss dieser Prozess zuerst einmal ins Bewusstsein der Gruppenleiter/innen gerufen werden. Und auch wenn eine Tradition als zweifelhaft erkannt wurde, bleibt die notwendige Veränderung oft aus, weil man einfach nichts anderes kennt bzw. keine Ahnung hat, wie es anders gehen könnte.
Also was jetzt?
Wie so oft im Leben liegt auch hier die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Das spannende, aber auch herausfordernde im Umgang mit Traditionen liegt darin herauszufinden, welche gut und deswegen beibehaltenswert und welche schlecht sind – bei letzteren ist es dann sinnvoll, sich etwas anderes einfallen zu lassen.
Zusätzlich gibt es aber auch an sich gute Traditionen, deren Ausdrucksformen nicht mehr passend sind. Um bei der Nikolojause zu bleiben: Die gute Tradition daran könnte sein, dass es eine Veranstaltung im Advent für alle Kinder gibt. Das nicht mehr Passende könnte der zentrale Auftritt des Nikolos sein. Nun kann man sich gemeinsam überlegen, wie eine Alternative aussehen kann, z.B. ein Nachmittag für alle Kinder mit basteln, spielen, Geschichten lesen und einer gemütlichen Jause. Oder aber nur der Auftritt des Nikolos wird verändert…, sodass es wieder für alle passend ist.
Gerade bei der Vorbereitung des Lagers ist es sinnvoll, sich regelmäßig zu überlegen, wie ihr mit den Kindern umgehen wollt und ob ihr nicht auch manches anders machen bzw. Neues ausprobieren wollt. Dafür ist es notwendig, dass sich alle (vor allem auch neue) Gruppenleiter/innen in die Überlegungen einbringen können und alle Vorschläge nach Vor- und Nachteilen abgewogen werden.
Veränderungen in kleinen Schritten, die für alle passen, sind langfristig gesehen meist zielführender als radikale Umbrüche, die nur von wenigen mitgetragen werden.
Christina Schneider
[aus dem context "Anfangen"]