Land in Sicht?

Im Zuge des Kolonialismus wurden Gebiete und ganze Kontinente erobert, die bereits von Menschen besiedelt waren. Diese Menschen wurden verdrängt, der vorhandene Raum wurde neu aufgeteilt, es wurden neue Machtverhältnisse geschaffen und somit festgelegt, wer über den Raum, die Ressourcen, aber auch über Menschen und ihre Arbeitskraft verfügen darf.

Von einer ‚Entdeckung‘ dieser Gebiete zu sprechen, verschleiert, dass man Menschen etwas weggenommen hat, dass man sie verdrängt und ihr Land erobert hat. Die gewaltsame Übernahme erzeugt Ungerechtigkeiten. Diese ungerechten Machtverhältnisse zu verändern, ist Ziel des DKA-Projektes CIMI in Brasilien, wo besonders im Amazonasgebiet die Platzverteilung stetig neu ausgehandelt wird – meist leider immer noch zum Nachteil der indigenen Bevölkerung.[1]

Ungefähr genauso lange wie (meist von Europa aus) andere Gebiete erobert und kolonialisiert wurden, gab bzw. gibt es auch Widerstand gegen diese Landnahme. In Lateinamerika gibt es aufgrund dieser Widerstandsbewegungen schon seit mehreren Jahrzehnten Verhandlungen zwischen Regierungen und verschiedenen indigenen Gemeinschaften, weil letztere verlangen, staatlichen Boden zurückzugeben und autonome indigene Territorien zu schaffen, in denen sie leben können, über die sie selbst bestimmen können und die vor wirtschaftlicher Erschließung abgesichert sein müssen. Denn allzu häufig sind in Gebieten, in denen Indigene leben, wertvolle Ressourcen zu finden, wie Öl, Gold – oder einfach Platz.

Landverteilung in Brasilien

Schauen wir uns als Beispiel Brasilien an. Seit dort Jair Bolsonaro Präsident geworden ist, drängen Rinderbauern und -bäuerinnen immer weiter in den Amazonas-Regenwald vor und brennen weite Flächen nieder, um Platz für ihre Rinderweiden zu schaffen. Während der Corona-Pandemie ist der Goldpreis stark gestiegen, weswegen viele illegale Goldgräber/innen in indigene Territorien (vor allem bei den Yanomami im Norden Brasiliens) vorgedrungen sind, um nach Gold zu suchen. Dabei haben sie nicht nur Waffengewalt mitgebracht, sondern auch das Virus in viele entlegene Gegenden geschleppt. Leider werden derartige Vorstöße in den Amazonas-Regenwald, bzw. in indigene Territorien generell, viel zu wenig verhindert, viel zu selten bestraft und viel zu häufig geduldet.

Umso wichtiger ist es deswegen, ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen, aufzuzeigen, dass mit solchen Unternehmungen nicht einfach ‚leerer‘ Wald niedergebrannt oder ‚leere‘ Landstreifen nach Gold durchsucht werden, sondern die Lebensgrundlage von Menschen zerstört wird. Auch der Lebensraum vieler Tiere und damit die Sicherung von Biodiversität wird so zunichtegemacht. Und all das, obwohl der Wald als Ökosystem zur Verlangsamung der Klimakatastrophe beiträgt.

Protest & Widerstand: Probleme ansprechen, Miss­stände aufzeigen

Eindrucksvoll hat die indigene Aktivistin und Performerin Kay Sara auf diese Umstände aufmerksam gemacht, als sie bei der Eröffnung der Wiener Festwochen 2020 gesprochen hat: „Das Problem ist nicht, dass ihr nicht wisst, dass unsere Wälder brennen und unsere Völker sterben. Das Problem ist, dass ihr euch an dieses Wissen gewöhnt habt“[2], sagt sie. Sie klagt an und beschreibt die dramatische Situation der Indigenen in Brasilien, was oft nicht leicht anzuhören ist. Aber es ist wichtig, um ein Problembewusstsein für die Ungerechtigkeiten und Machtverhältnisse zu entwickeln, die ihren Ursprung im Kolonialismus haben und – obwohl dieses System längst abgeschafft wurde – immer noch wirken und fortgeführt werden. Aus diesem Problembewusstsein heraus müssen schließlich klare gesetzliche Regelungen geschaffen werden, um die weitere Zerstörung von indigenen Territorien zu verhindern. Es hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wichtige Erfolge gegeben: Beispielsweise haben sich viele lateinamerikanische Länder dazu verpflichtet, indigene Gemeinschaften zu konsultieren, bevor sie in ihren Territorien Bauprojekte oder Ähnliches planen. Breite Proteste und Widerstandsbewegungen haben dazu geführt, dass so manche Projekte auch ganz verhindert wurden. Aber das ist ein ständiger Kampf, ein stetiges Aushandeln zwischen Regierungen und Konzernen einerseits und lokalen Organisationen andererseits, die versuchen, die Rechte Indigener zu stärken.

Das DKA-Projekt CIMI

Eine solche Organisation ist CIMI (Conselho Indigenista Missionário), die Indigenen in Brasilien rechtlichen Beistand bietet und in ihrer wichtigen Arbeit auch von der Dreikönigsaktion und somit der Jungschar unterstützt wird. Damit wollen wir mithelfen, strukturelle Veränderungen herbeizuführen und die immer noch bestehenden Machtverhältnisse aufzulösen, die dazu führen, dass Indigene verstärkt politischen, aber auch ökologischen und ökonomischen Ungerechtigkeiten ausgesetzt sind. Wer über ein Gebiet bestimmen darf, wer sich Raum nehmen darf, ist immer mit Machtverhältnissen verbunden. Die sind aber nicht in Stein gemeißelt, werden stetig ausverhandelt und können sich dadurch auch verändern. Da setzt die Arbeit und Unterstützung von CIMI an.

Und was hat das mit uns zu tun?

Auch in Österreich finden Verhandlungen statt, die Auswirkungen darauf haben, wie umfangreich sich Indigene in Brasilien gegen die Vertreibung durch Konzerne wehren können. Wird etwa das Mercosur-Handelsabkommen der EU mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay unterzeichnet, kann das die Abholzung des Regenwaldes und die Vertreibung Indigener weiter befördern, weil keine entsprechenden Schutzmaßnahmen vorgesehen sind.[3] Derzeit steht die österreichische Regierung zu ihrem Nein gegenüber dem Abkommen. Damit das so bleibt, müssen wir auch in Österreich ein Bewusstsein für die damit einhergehenden Probleme und Ungerechtigkeiten schaffen. Es muss deutlich werden, dass damit nicht allein wirtschaftlicher Aufschwung, billige Lebensmittel oder Arbeitsplätze kommen könnten, sondern vielmehr Menschen etwas weggenommen wird und Lebensgrundlagen zerstört werden. Dafür wollen wir uns einsetzen!

Teresa Millesi
kumquat "Platz da!" 2/2021

[1] Die aktuellsten Verhandlungen beschäftigen derzeit das Oberste Gericht in Brasilien: Mit einem neuen Gesetzesentwurf soll Indigenen ihr Recht auf Land weitreichend abgesprochen werden, um große Gebiete wirtschaftlich nutzbar zu machen: https://www.kathpress.at/goto/meldung/2056394/indigenen-in-brasilien-droht-verlust-ihrer-landrechte
[2] https://www.derstandard.at/story/2000117523875/against-integration-dieser-wahnsinn-muss-aufhoeren
[3] Die DKA hat dazu im Juni 2020 gemeinsam mit Greenpeace Deutschland und Miseor eine Studie herausgegeben, hier zum Nachlesen: https://www.dka.at/fileadmin/dk/02_schwerpunkte/nachhaltig_leben/Greenpeace-Misereor-DKA-Studie-EU-Mercosur-Abkommen-B01331.pdf