Outside your comfort zone is where the magic happens.
In der Bibel gibt es zahlreiche Geschichten, die ziemlich brutal sind. Eine davon ist die Geschichte von Judit, die Holofernes den Kopf abtrennt: Judit war eine schöne, gottesfürchtige Frau. Sie lebte in Betulia, einer kleinen Stadt, die vom assyrischen Heer belagert, umzingelt und von der Wasserversorgung abgetrennt wurde. Die Bewohner/innen von Betulia waren daraufhin in großer Sorge um ihr Leben. Judit wollte sich mit der Situation nicht abfinden und ging, nachdem sie gebetet und sich hergerichtet hatte, ins feindliche Lager. Sie sprach mit Holofernes, dem Heerführer, und blieb drei Tage bei ihm. In der dritten Nacht nahm sie sein Schwert und schlug ihm den Kopf ab. Judit kehrte nach Betulia zurück, den Kopf des Holofernes in einem Sack, und befreite so ihr Volk.
Eine grausame Geschichte voll Gewalt... Oder eine Mutmachgeschichte? Ich kann die Geschichte von Judit für mich interpretieren und mich fragen, welchen „Holofernes“ es gerade in meinem Leben gibt. Für mich ist ein „Holofernes“ etwas, das mir Angst macht, mich lähmt, mich von meiner „Wasserversorgung“ abtrennt. Etwas, das mich verzweifeln lässt. (Bei mir sind das gerade Sorgen um meine Zukunft - ich frage mich, ob ich einen Job bekomme, der mir gefällt...) Und dann kann ich überlegen, wie ich meinem „Holofernes“ den Kopf abschlagen kann, wie ich mich davon befreie. Das ist gar nicht so leicht...
Mir hilft bei der Frage, wie ich mit meinen Ängsten umgehen kann, die Herangehensweise von Ronja Räubertochter von Astrid Lindgren. Ronja lebt auf einer Burg, mit ihren Eltern und den Räuberkollegen ihres Vaters. Sie fühlt sich in der Burg wohl. Doch eines Tages will sie hinaus in den Mattiswald, um die Welt zu entdecken. Ihr Vater - Mattis - macht sich Sorgen. Der Wald ist nämlich sehr gefährlich. Aber er lässt Ronja hinaus in die Welt und sie genießt das sehr. Sie genießt die Schönheit der Natur, sie entdeckt Bäume und wunderschöne Flüsse. Dann schläft sie am Fluss ein und als sie aufwacht, sieht sie Graugnome. Graugnome sind sehr gefährlich. Es kommen immer mehr. Ronja hat Angst und ruft nach ihrem Vater. Er rettet sie. Zu Hause angekommen, sagen ihr ihre Eltern, dass man im Mattiswald am besten aufgehoben ist, wenn man sich nicht fürchtet.
Ronja überlegt also, wie sie es schaffen kann, sich nicht zu fürchten. Und sie findet einen Weg: „Und während der folgenden Tage tat Ronja nichts anderes, als dass sie sich vor allem Gefährlichen hütete und sich darin übte, keine Angst zu haben. In den Fluss zu plumpsen, davor sollte sie sich hüten, hatte Mattis gesagt, und darum sprang sie am Ufer kühn und keck von einem glatten Stein zum anderen, dort, wo das Wasser am wildesten toste. Schließlich konnte sie sich ja nicht im Wald davor hüten, in den Fluss zu plumpsen. Sollte das Sich-Hüten überhaupt von Nutzen sein, dann musste sie sich bei den Stromschnellen und Strudeln und nirgendwo sonst üben.“
Ronja geht also ihre Angst an. Sie übt das, was ihr Angst macht. Diese Herangehensweise finde ich sehr inspirierend. Ronja schafft es, ihrem Holofernes, ihren Ängsten, den „Kopf abzuschlagen“. Nicht der Angst, dem Unbekannten aus dem Weg gehen sondern sich hineinstürzen und so selbstbestimmt den eigenen Weg gehen.
Betti Zelenak
kumquat "Ghandi & Malala" 3/2014