Kubabaria – Mit jemandem weinen

Über Vergebung und Versöhnung nach dem Genozid in Ruanda.

Kubabaria kommt aus der Sprache Kinyarwanda, einer der Amtssprachen neben Französisch und Englisch in Ruanda. Es bedeutet soviel wie „mit jemandem weinen“, „mit jemandem leiden“. Man könnte es auch mit Verzeihen übersetzen. Es geht um das Anerkennen des Leids eines Anderen, das Anerkennen seines/ihres Menschseins.

Das Verzeihen und Versöhnen wurde in Ruanda zur Politik. 1994 wurde innerhalb von 100 Tagen fast eine Million Menschen umgebracht. Es war ein Konflikt der Bevölkerungsgruppen der Hutu und Tutsi. Heute darf man in Ruanda nur mehr im geschichtlichen Kontext von diesen beiden Gruppen sprechen, denn die Politik versucht eine gemeinsame Basis als Ruander und nicht als Hutu und Tutsi aufzubauen.

Sehr viele Hutu töteten tausende Tutsi. Es waren ihre Freunde und Nachbarn. Angespornt von Politik und Medien kam es zu schrecklichen Gräueltaten an Tutsi und gemäßigten Hutu. Man spricht zu Recht von Völkermord.

Was erschwerend hinzu kommt ist, dass es eine unglaublich große Anzahl von Täter/innen gibt.  Hundertausende wurden zu Täter/innen.

Ruanda hat sich der schweren Aufgabe zu stellen, diese Täter/innen zu bestrafen, andererseits aber auch wieder in das alltägliche Leben zu integrieren.

Auf der anderen Seite stehen die Opfer. Sie haben zumeist ihre gesamte Familie durch die Hand ihrer Nachbar/innen und Bekannten verloren. Wie kann man solch eine Bevölkerung, die auf beiden Seiten schwer traumatisiert ist, wieder zusammenführen?

Es sind erst 20 Jahre seit dem Genozid vergangen und doch hat sich bereits einiges in Ruanda getan. Wirtschaftlich und politisch ist Ruanda im Vergleich zu seinen Nachbarstaaten gut aufgestellt. Auch wenn Paul Kagame, der Präsident, als autoritär gesehen wird und kaum andere Parteien neben seiner eigenen zulässt, führt er Ruanda in eine stabilere Zukunft. Bildung und Bekämpfung der Armut sind wichtige Schwerpunkte in seiner Politik. Trotzdem gibt es zum Beispiel keine wirkliche Pressefreiheit.

Außerdem ist die Versöhnung ein wichtiger Teil der Politik. Wie bereits erwähnt darf man die Bevölkerung nicht mehr in Hutu und Tutsi unterteilen, wie dies die belgische Kolonialmacht getan hat.

Hier war es sogar vorgeschrieben, die jeweilige Zugehörigkeit im Ausweis zu verzeichnen.

Die Täter/innenverfolgung wurde teilweise durch staatliche Gerichte, aber auch durch wieder ins Leben gerufene traditionelle Gerichte namens Gacaca durchgeführt. Hier standen die Opfer und ihre Geschichten im Vordergrund. Es geht hier auch weniger um eine konkrete Bestrafung, als um den Erhalt des Friedens. Diese Gerichte wurden auch gegründet um die staatlichen Gerichte zu entlasten. 100.000 Menschen saßen in Gefängnissen und warteten auf ihren Prozess, da dies aber eine enorme Überlastung der üblichen Gerichte war und die Gefängnisse völlig überbelegt waren, führte man die Gacacas wieder ein.

Mittlerweile kehren viele Täter/innen zurück in ihre Dörfer. Dort treffen sie auf ihre Opfer.

Irgendwie müssen diese Menschen wieder lernen miteinander umzugehen. Mittlerweile gibt es viele Projekte und Seminare in denen den Menschen gezeigt wird, wie sich versuchen können sich zu entschuldigen und andersherum, wie man versuchen kann zu verzeihen. Man versucht aus der Spirale von Hass und Schuld herauszukommen. Und in einigen wunderbaren Fällen gelingt dies auch.

Zum Beispiel sind Charles und Stephan Freunde geworden. Vor dem Genozid waren ihre Familien befreundet, Stephans Familie schenkte Charles Familie sogar eine Kuh, ein wertvolles Geschenk in Ruanda. Doch der Völkerkonflikt spitze sich zu. Und Charles, Hutu, hat die Familie von Stephan, die Tutsi waren, umgebracht. Er kannte nur noch Hass. Er wollte auch Stephan umbringen, der aber rechtzeitig geflüchtet war. Charles kam ins Gefängnis. Dort war sein Hass gegenüber den Tutsi weiterhin ungebrochen. Doch eines Tages entschied sich Stephan, der Pastor ist, ins Gefängnis zu gehen um sich dort der Täter anzunehmen. Er musste die Trauer um seine Familie überwinden und wollte sich für ein friedvolles Zusammenleben engagieren. Als Charles ihn sah, überkamen ihn schreckliche Schuldgefühle. Er erkannte seinen fürchterlichen Fehler. Mit der Zeit nahm er seinen ganzen Mut zusammen und entschuldigte sich bei Stephan. Stephan vergab ihm. Er vergab ihm nicht nur, er half ihm auch bei seinem weiteren Lebensweg, und baute zum Beispiel mit ihm ein Haus für Charles neue Familie.

Geschichten wie diese sind sicherlich nicht die Regel, aber sie zeigen zu welch außergewöhnlichen Taten Menschen in der Lage sind. Sie können Schreckliches begehen, aber auch Wundervolles für ihre Mitmenschen tun.

Wenn du die ganze Geschichte von Stephan und Charles lesen möchtest, kannst du das hier tun:
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/voelkermord-in-ruanda-zeit-der-vergebung-1579360.html

Und wenn du dich auch filmisch mit diesem Thema auseinander setzen möchtest, kann ich dir diese Dokumentation empfehlen: Unversöhnt:
(http://www.welt.de/politik/ausland/article127434871/Ist-Versoehnung-nach-einem-Voelkermord-moeglich.html ). Es geht darum, wie Opfer und Täter einander begegnen und miteinander neue Wege finden zu leben.

kumquat "Ghandi & Malala" 3/2014