Raum für Kinder in der Pfarre

Zwischen Utopie und Realität

"Bibelwoche" in einer Pfarrgemeinde. Viel Getümmel, viele Leute, und mitten drinnen auch eine ganze Menge Kinder aller Altersstufen. Die einen machen mit bei der eigens für Kinder vorbereiten Rätselrallye, die anderen erkunden die Geheimnisse des Glockenturms, wieder andere tollen einfach im Pfarrgarten herum und stärken sich zwischendurch bei Kuchen und Himbeersaft. Alle aber fühlen sich sichtlich wohl und genießen es, Teil zu haben am Leben der Pfarrgemeinde.

Eine Szene, die sich wohl die meisten Erwachsenen auch für ihre Pfarrgemeinde wünschen würden - dass es junge Menschen gibt, die sich hier wohl fühlen und die möglicherweise auch Aufgaben innerhalb der Pfarre wahrnehmen. Damit Kinderarbeit, die das ermöglicht, in der Pfarre passiert, ist zunächst einmal eines wichtig: Junge Menschen, die dazu bereit sind, sich dieser verantwortungsvollen Aufgabe zu widmen. Doch das reicht nicht - um ihre Arbeit gut machen zu können, brauchen sie entsprechende Rahmenbedingungen in der Pfarre. Zur Frage, was seitens der Pfarre zur Ermöglichung von Kinderarbeit wichtig ist, wie Kinder in die Pfarre "hineinwachsen können" finden Sie im Folgenden einige Überlegungen.

Ein guter Rahmen

....für die Kinder
Kinder brauchen Raum - das ist einerseits ganz wörtlich zu verstehen, im Sinn von konkreten Räumen, die kindgerecht eingerichtet sind, in denen es Platz zum Spielen gibt, in denen sie ungestört sein können und niemanden stören. Wenn es einen Raum gibt, der ganz exklusiv den Kindern zur Verfügung steht, in dem man nicht nach jeder Gruppenstunde alles wegräumen muss, weil gleich die nächste Gruppe kommt, in dem Plakate hängen bleiben dürfen, solange sie der Kindergruppe gefallen, ist ein wichtiges Signal, dass Kinder in der Pfarre willkommen und erwünscht sind.

Raum für Kinder ist aber andererseits auch etwas, das in den Köpfen der Erwachsenen da sein muss, z.B. indem die Bedürfnisse der Kinder beim Planen von Veranstaltungen, aber auch in der "Alltagsarbeit" mitgedacht werden, indem speziell auf Kinder zugeschnittene Angebote nicht als lästiges Anhängsel, sondern als fixer Bestandteil gesehen werden.

Dabei ist zu bedenken, dass Kinder anders denken als Erwachsene, erst um das 12. Lebensjahr herum entwickeln sie die Fähigkeit, abstrakt zu denken. Das bedeutet, dass sie eine konkrete Fragestellung brauchen und sich damit nicht durch diskutieren, sondern im konkreten Tun und Ausprobieren auseinandersetzen.

....und für die Gruppenleiter/innen!
Auch die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die im Rahmen der Jungschar mit Kindern arbeiten, brauchen Freiraum. Nur wenn seitens der Pfarre ein prinzipielles Wohlwollen, eine sowohl konkrete als auch ideelle Unterstützung ihrer so wichtigen Arbeit nicht nur beteuert, sondern auch spürbar wird, werden sie sich in der Pfarre wohlfühlen und daran interessiert sein, sich dort einzubringen. Wenn es zum Beispiel Konflikte mit Außenstehenden gibt, wenn sich Anrainer/innen über die zu lauten Kinder beschweren oder Eltern Kritik an der Jungschararbeit äußern, ist es wichtig, dass PGR und Pfarrer als neutrale Vermittler/innen zur Verfügung stehen, und nicht von vornherein auf der Seite der Außenstehenden sind. Lob und Anerkennung von Erwachsenen in der Pfarre ist nicht nur wichtig für Kinder, sondern auch eine ganz wichtige Motivation und Ermutigung für die Gruppenleiter/innen.

Achtung Fallen!

Auch bei viel gutem Willen seitens der Erwachsenen kommt es oft zu Missverständnissen und zur Überforderung von Gruppenleiter/innen. Vor zwei der häufigsten "Fallen", in die man leicht tappt, sei hier gewarnt.

Heute ist anders als gestern
Viele, die sich heute in den Pfarren engagieren, haben früher selbst Jungschararbeit gemacht und wünschen sich daher von den Gruppenleiter/innen, dass diese ihre Arbeit fortführen. Ein berechtigter Wunsch, wenn dabei nicht übersehen wird, dass sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren massiv verändert haben. Ehrenamtliches Engagement etwa ist in Zeiten von Studiengebühren und einer verschärften Situation am Arbeitsmarkt wesentlich schwieriger geworden, der Anspruch, neben dem Einsatz in der Jungschar auch maßgeblich in der Pfarre mitzutun, kann dabei leicht zur Überforderung werden.

Kindheit heute ist anders als vor 20 oder 30 Jahren, Jungschar heute ist anders - wichtig ist dabei, Verständnis zu haben für veränderte Situation der Kinder und Jugendlichen heute und davon auszugehen, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihr Bestes tun.

Wertschätzung ohne Leistungsprinzip
Menschen fühlen sich vor allem dann wohl, wenn sie bedingungslos gemocht werden, ohne etwas Bestimmtes leisten zu müssen, das gilt für alle Menschen, Erwachsene genau so wie Kinder und jugendliche Gruppenleiter/innen. Daher ist es wichtig, die Wertschätzung für die Kinder nicht an bestimmte "Leistungen" zu koppeln, wie z.B. die Beteiligung an pfarrlichen Aktionen oder den Besuch des Sonntagsgottesdienstes. Die zunehmende Leistungsorientierung in der heutigen Gesellschaft wird auch für Kinder zunehmend belastend - umso wohltuender werden sie es erleben, wenn in der Pfarre anders mit ihnen umgegangen wird.

Das Zusammenleben mit Kindern ist nicht immer einfach, keine Frage. Kinder sind auch laut, fordernd, unangepasst und stellen die Geduld von Erwachsenen manchmal auf eine harte Probe. Auch diese schwierigen Seiten auszuhalten und gemeinsam mit allen Beteiligten Lösungen für Konflikte und Probleme zu finden, ist eine Herausforderung, an der die Gemeinde wachsen kann.

In der Pfarre heranwachsen - in die Pfarre hineinwachsen

Damit die Kinder in der Pfarre heranwachsen und in die Pfarre hineinwachsen können, braucht es Räume, materiell und in den Köpfen der Erwachsenen. Es braucht Möglichkeiten zum Mittun dürfen, altersgemäße Angebote, aber auch entsprechende Freiräume. Die Frage nach einer kinderfreundlichen Pfarrgemeinde bedingt auch immer die grundsätzliche Fragen, was und wie Gemeinde überhaupt ist. Sich diese Frage immer wieder neu zu stellen, wie man als Gemeinde zusammen leben will, was gut funktioniert und woran wir noch arbeiten müssen, wird auch den Kindern und Jugendlichen zugute kommen. Kinder erleben heute viele unterschiedliche Räume und können unter vielfältigen Angeboten auswählen. Eine kinderfreundliche Pfarrgemeinde bietet die Chance, dass sie Kirche als positiven Lebensraum kennen- und schätzen lernen, in dem sowohl mit Kindern als auch mit Erwachsenen gut umgegangen wird.