Kinderarbeit ist uns allen ein Begriff - es gibt immer wieder erschütternde Reportagen und Bilder in den Medien über Kinder, die arbeiten müssen und ausgebeutet werden. Trotz Verboten tragen weltweit über 200 Millionen Kinder unter 15 Jahren durch Arbeit zur Existenzsicherung ihrer Familien bei. Sie sind also regelmäßig wirtschaftlich tätig. Kinderarbeit ist jedoch nicht gleich Kinderarbeit – der Begriff ist sehr unterschiedlich interpretierbar.
Die meisten Kinder arbeiten im sogenannten informellen Sektor, also dort, wo es weder Verträge noch Sozialleistungen gibt: Sie arbeiten zum Beispiel mit ihren Eltern in der Landwirtschaft oder auf den Straßen der großen Städte als Schuhputzer/innen, Zeitungsverkäufer/innen oder Lastenträger/innen, sie betteln, sie schuften isoliert und ohne Pause als Dienstmädchen. Etwa fünf bis zehn Prozent der Kinderarbeiter/innen sind in Betrieben beschäftigt, die Waren exportieren - wie etwa in Textilfabriken, Teppichmanufakturen oder auf Kakao- und Kaffeeplantagen.
Zu den schlimmsten Formen der Kinderarbeit zählen Sklaverei, Schuldknechtschaft, kommerzielle sexuelle Ausbeutung, Kinderhandel und die Zwangsrekrutierung für Kampfhandlungen. In diesem Zusammenhang sollte man aber nicht mehr von „Arbeit“ sprechen, sondern von Verbrechen.
Kinder setzen sich für ihre Rechte ein!
Immer stärker organisieren sich arbeitende Kinder selbst, um einerseits auf ihre Situation aufmerksam zu machen und andererseits ihre Entwicklung selbst zu bestimmen, um ernst genommen und anerkannt zu werden. Seit den 80er Jahren entstehen in Lateinamerika Bewegungen und Organisationen arbeitender Kinder und Jugendlicher, seit den 90er Jahren auch in Afrika und Asien. In ihnen sind vor allem Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren aktiv, die mit ihrer Arbeit zum Lebensunterhalt ihrer Familien beitragen oder die eigene Existenz sichern. Diese Organisationen und Bewegungen sind sehr unterschiedlich in Hinsicht auf ihre Organisationsformen und ihren kulturellen Kontext. In Hinsicht auf ihre Inhalte und Ziele sind sie sich ähnlich - sie berufen sich auf die weltweit verbindlichen Menschenrechte und fordern Respekt und Anerkennung ihrer Arbeit sowie Partizipation.
Konkret bedeutet das: Sie fordern bessere Arbeitsbedingungen, die ihre Gesundheit wahren und ihnen Zeit für Schule und Freizeit lassen, sowie die Durchsetzung der Kinderrechte und die Abschaffung von ausbeutender und gefährlicher Kinderarbeit. Was sie nicht alle fordern, ist Abschaffung und Verbot der gesamten Kinderarbeit, weil die Kinder dann in die Illegalität gedrängt und kriminalisiert werden würden. In Folge wären sie recht- und schutzlos. Bewegungen arbeitender Kinder ist es ein Anliegen, dass Regierungen und internationale Organisationen die weltweite Armut und die sozialen Ungleichheiten bekämpfen, statt Kinder von der Arbeitswelt auszuschließen.
In einigen Ländern werden die Organisationen der arbeitenden Kinder als legitime Vertreter/innen der Kinder anerkannt. Diese Anerkennung ist die Grundvoraussetzung für politische Mitbestimmung und Veränderung der momentanen Situation. In einigen Städten wie zum Beispiel in Dakar in Senegal, in La Paz in Bolivien oder in Lima in Peru wurden zwischen den Stadtregierungen und den Kinderorganisationen gemeinsam Vereinbarungen über Krankenversorgung der arbeitenden Kinder, Schutz vor polizeilichen Übergriffen, bessere Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten getroffen. In manchen Ländern nehmen auch Gewerkschaften die Kinderorganisationen als Partner/innen ernst oder als Mitglied auf.
Neben diesen positiven Beispielen gibt es auch eine andere Realität: Oft werden die Kinderorganisationen nicht gerne gesehen, diskriminiert und ignoriert, weil sie politische Forderungen stellen. Dass Kinder politische Forderungen stellen, gilt für viele als nicht kindgemäß. Da Kinder aber oft schon sehr früh Verantwortung übernehmen müssen, sollten sie auch Forderungen stellen und mitbestimmen dürfen. Hier treffen unterschiedliche Bilder von Funktionen von Kindheit aufeinander: Gleichberechtigung und Mitbestimmung im Gegensatz zu einer beschützen und behüteten Kindheit.
Die Kinderorganisationen sind auch international vernetzt. Bisher haben drei Weltreffen der Organisationen der arbeitenden Kinder stattgefunden, bei denen auch gemeinsame Forderungen erarbeitet wurden. Beim ersten Welttreffen von 1996 in Kundapur in Indien wurde eine Deklaration formuliert, die seither vielen Bewegungen arbeitender Kinder als Richtlinie dient.
Kindern eine Stimme geben!
Auch mit den Geldern der Sternsingeraktion werden verschiedene Projekte unterstützt, die auf Kinder und ihre Rechte aufmerksam machen, die Kindern eine Stimme in der Gesellschaft geben und so helfen, Strukturen gemeinsam mit ihnen zu ihren Gunsten zu verändern. Zum Beispiel wird ein Zentrum für Kommunikation, CEPALC, in Bogota, der Hauptstadt von Kolumbien, unterstützt. Kolumbien ist ein Land, das seit über 40 Jahren von Bürgerkrieg und Gewalt geprägt ist. Natürlich sind auch Kinder von dieser Situation betroffen und in Kontakt mit Gewalt gekommen. CEPALC organisiert regelmäßige Treffen für Kinder aus marginalisierten Stadtvierteln, bei denen sie auf spielerische und kreative Art und Weise ihre Rechte kennenlernen, etwas über ihre Fähigkeiten und die Möglichkeit lernen, diese auch einzusetzen.
Außerdem bietet CEPALC die Möglichkeit, mithilfe von kreativen Möglichkeiten wie Tanz, Malerei, Puppenspiel, Radiosendungen oder Musik Erlebnisse zu bearbeiten, wie zum Beispiel Gewalterfahrungen in der Familie, in der Schule oder auf der Straße. Die Kinder entwickeln Kunstwerke, Lieder oder Theaterstücke und stellen diese dann aus bzw. vor. Die Stimme der Kinder wird auch über lokale Radiosender gehört und durch Theateraufführungen werden die Bewohner/innen des Stadtviertels erreicht. Anlässlich des 20. Geburtstags der Kinderrechtskonvention wird ein Kinderalmanach, ein Bericht, erstellt, der an andere engagierte Gruppen verteilt wird. So können Kinder traumatische Erfahrungen aufarbeiten, werden über ihre Rechte informiert, geben das Gelernte an andere Kinder weiter und fordern ihre Rechte nach dem Motto „Nur Kinder wissen, was Kinder wollen!“ ein.
Bettina Zelenak
kumquat "Kinderrechte" 4/2009