... blühen schöne Blumen. Doch nur wenige verlassen die ausgetretenen Wege
Mein Tag beginnt mit Handlungen, die jeden Tag in der gleichen Reihenfolge ablaufen. Da muss ich nicht erst nachdenken, wann ich das Teewasser hinstelle oder mit welcher Hand ich die Zahnbürste nehme, alles läuft irgendwie automatisch. Daher weiß ich auch genau, wie lang ich in der Früh brauche, bis ich fertig bin, um außer Haus gehen zu können. Sehr praktisch, diese Gewohnheiten. Sie machen alles so absehbar und ich muss überhaupt nicht mitdenken bei dem, was ich gerade tue. Ich glaube, ich hab solche routinemäßigen Abläufe in vielen Situationen – mehr als es mir bewusst ist.
Ein Freund ruft an und fragt mich, ob ich mitkomme auf eine Party. Er kennt die Gastgeberin auch nicht, aber dafür ihren Freund von einem Seminar auf der Uni. Ich denke kurz nach: Ich werde dort wahrscheinlich sehr wenige kennen, weiß nicht, wie die Leute und die Stimmung dort sein werden, welche Musik es spielen wird,... Da ich heute in Partylaune bin und gerade gerne neue Menschen kennen lerne, sage ich zu.
Solche Entscheidungen stellen sich mir immer wieder in meinem Leben: Lasse ich mich auf das, was sich gerade anbietet, ein? Diese Frage stellt sich mir in unterschiedlichsten Bereichen: bei einer mir unbekannten Fruchtsorte, einer neuen Sportart, einem neuen Job,... Es gibt so viel auszuprobieren!
Ich habe beobachtet, dass manche Menschen die Tendenz haben, eher bei gewohnten, bekannten Orten und Menschen zu bleiben. Da ist einschätzbar, was einen erwartet und wie es dann sein wird. Ich kenne aber auch viele, die jede Möglichkeit, Neues zu erleben, aufgreifen und oft einen Kopfsprung ins Unbekannte machen. Bei mir ist das glaub ich phasenabhängig, ob ich mich freudig in für mich neue Situationen begebe oder mich in vertrauten Revieren aufhalte.
Aber wenn ich so nachzudenken beginne, ist es auch in scheinbar vertrauten Situationen so, dass ich nicht weiß, wohin das führen wird. Wenn ich einfach wie immer am Dienstag Abend zu meiner Gruppenstunde gehe, kann ich nicht vorher wissen, dass ich sicher pünktlich sein werde, dass das Pfarrhaus noch dasteht und meine Mädels kommen. Ich vertraue auch täglich darauf, dass die Naturgesetze noch so sind, wie ich sie kenne, und dass der Apfel heute genau so runterfällt wie gestern. Manches nehme ich aus meiner bisherigen Erfahrung als sicher an und das hilft mir zu leben. (Es wär ganz schön anstrengend, wenn die Erfahrungen und Erkenntnisse des Vortages am nächsten Tag keine Relevanz mehr hätten!)
Und trotzdem gibt es immer wieder Situationen, wo das Ziel, der Zweck nicht klar ist. Gerade mal der nächste Schritt ist erahnbar, alles andere wird sich erst zeigen.
Manchmal überlege ich, warum ich mich auf solche Wagnisse einlasse. Es ist überhaupt nicht klar, was dann sein wird, ob es mir dann gut gehen wird oder ob ich mich dabei weiterentwickeln werde. Einfach hier zu bleiben, diese Möglichkeit ziehen lassen und im gewohnten Umfeld zu bleiben, ist eine verlockende (weil scheinbar so absehbare) Alternative. Und dann reizt wieder das Neue. Das so Andere. Das Unbekannte.
Aber Zukunft ist ja nie voraussehbar. Auch bei noch so guter Planung und wenn alles beim Alten bleibt, kann ich nicht sagen, was morgen sein wird.
Die Bibel erzählt von einem Mann, der ohne zu wissen, wohin und warum, alles Gewohnte zurücklässt. Er hat von Gott die Verheißung, dass er „seinen Namen groß machen wird“ und ihn „zu einem großen Volk“ machen wird. Daraufhin packt er sich mit seiner Frau und seinem Neffen zusammen und zieht weg aus seinem Land. Mit keinem Wort werden Zweifel oder das Bedürfnis zu wissen, was da auf ihn zukommt, erwähnt. Das Land, in das er ziehen soll, wird Gott ihm zeigen. (Abrahams Berufung: Genesis 12, 1-5)
Mich fasziniert dieses Vertrauen, das Abraham hat. Er lässt sich einfach darauf ein, ohne zu wissen, wohin diese Reise geht, wie lange sie dauern wird, wo sie unterwegs etwas zu essen bekommen werden und warum er sich eigentlich auf den Weg machen soll.
Auf so einem Weg ins Ungewisse lerne ich neue Situationen und neue Menschen kennen. Ich lerne aber auch mich neu kennen, erlebe mich anders. Wenn ich mich weiterentwickeln und neue Facetten in mir ausleben will, braucht es meiner Meinung nach den Mut zum Ungewissen, das Einlassen auf das, was kommt. Mit dem Vertrauen darauf, dass Gott es gut mit mir meint, ergreife ich eine Chance, die sich mir bietet.
Schließlich gibt es viel Neues zu erleben und mich neu zu erleben.
Sabine Kräutelhofer