Am 6. Dezember 2010 erhielt der austro-brasilianische Bischof Erwin Kräutler den „Alternativen Nobelpreis“. Der Preis kommt zur rechten Zeit: Bischof Kräutler unterstützt gerade den Widerstand der Bevölkerung in seiner Diözese gegen das unmenschliche Staudamm- und Kraftwerksprojekt „Belo Monte“: Das Megaprojekt wäre der Todesstoß für zwei indigene Völker.
Seine Diözese ist die größte der Welt – über viermal die Fläche von Österreich. In seinen 840 Gemeinden ist der meist leger gekleidete Bischof überaus beliebt. Ob am Flughafen oder im Regenwald - er wird erkannt und mit einem „Oi, bispo“ (Hallo, Bischof) begrüßt. „Ich kann‘s mir gar nicht anders vorstellen, als im engsten Kontakt mit den Leuten zu sein. Ich bin immer unterwegs mit dem Volk Gottes: Ein Bischof gehört unters Volk, er soll für das Volk da sein, mit diesen Menschen leiden, glauben, hoffen und lieben“, sagt Bischof Kräutler in einem aktuellen Kurier-Interview.
Es ist bewundernswert, mit welchem Mut sich Kräutler für die Rechte der Indios und auch für die Kleinbäuer/innen einsetzt, die von den großen Konzernen der Agrar-Industrie verdrängt und vertrieben werden. „Er ist ein Vorbild. Er versucht die Ideale des Evangeliums auf der Seite der Armen und auf der Seite der Umwelt zu leben“, gratulierte der Linzer Bischof Ludwig Schwarz.
Sein Engagement für die Armen brachte ihm jedoch nicht nur Auszeichnungen, sondern auch Probleme: 1983 wurde Kräutler wegen Teilnahme an einer Solidaritätsaktion von der Militärpolizei festgenommen und misshandelt. 1987 wurde der Bischof durch einen inszenierten Unfall schwer verletzt: Ein Kleinlastwagen hatte frontal sein Auto gerammt.
Mega-Projekt: „Belo Monte“
Bischof Kräutler kritisiert auch heute die Verantwortungslosigkeit der brasilianischen Regierung: Für das Kraftwerksprojekt „Belo Monte“ in seiner Diözese sollen etwa 20.000 Menschen zwangsumgesiedelt werden, 600 km² Lebensraum (1,5x die Fläche von Wien) würden überflutet und zwei Indianervölker würden durch Ableitungen die Lebensgrundlage verlieren. Von den Behörden wurde ihnen die Möglichkeit verwehrt, Einwände im Prüfverfahren vorzubringen. Dies stellt aber eine klare Verletzung der Brasilianischen Verfassung dar. Deshalb laufen derzeit noch 15 Gerichtsprozesse gegen dieses Projekt. „So lange die Bagger nicht da sind, leisten wir Widerstand“, erklärte Bischof Kräutler im Sonntagsblatt. Er widerspricht als Kenner der Situation seit 30 Jahren der Regierungs-Propaganda, „dass mit Belo Monte der elektrische Strom in die Hütten der Armen kommen würde“. Die Energie wird vielmehr für die exportorientierten Industrieunternehmen, etwa zur Aluminium-Produktion, eingesetzt werden. Schon jetzt zahlen die energieintensiven Industrien nur ca. ein Drittel des für Haushalte üblichen Stromtarifs. Die arme Bevölkerung subventioniert somit die Industrie.
Auch Österreich ist involviert. Leider gehört mit dem Anlagenbauer Andritz AG voraussichtlich auch ein österreichisches Unternehmen zu den Profiteuren des Unrechtsprojekts „Belo Monte“. Die Dreikönigsaktion hat sich mit 32 anderen Organisationen in einem Brief an das Unternehmen gewandt und darum ersucht, von einer Beteiligung Abstand zu nehmen.
Christoph Watz
Buchtipp: „Rot wie Blut die Blumen“
Gewaltlos kämpft Bischof Kräutler an der Seite der Einheimischen im Urwald Brasiliens gegen skrupellose Politiker/innen, Großgrundbesitzer/innen und all jene, die auf Kosten der Armen nach Reichtum gieren und dabei nicht vor Gewalt zurückschrecken, auch gegen ihn nicht. (181 Seiten, € 18,00 www.suedwind-buchwelt.at)
Der Alternative Nobelpreis wird seit 1980 jährlich vergeben. Die Auszeichnung gilt als sozial orientierte Alternative zu den traditionellen Nobelpreisen. Dem Preis-Stifter Jakob von Uexküll waren die traditionellen Nobelpreise zu sehr von westlichen und konservativen Preisträgern dominiert. Angesichts zunehmender ökologischer Probleme schlug er der Nobelstiftung in Schweden vor, einen neuen Nobelpreis zu vergeben. Als die Nobelstiftung ablehnte, stellte er den Alternativen Nobelpreis aus dem Erlös seiner geerbten Sammlung wertvoller Briefmarken über eine eigene Stiftung auf eigene Faust auf die Beine. Wer den Preis bekommt, entscheidet eine international besetzte Jury. Der Preis ist insgesamt mit umgerechnet rund 220.000 Euro dotiert.
aus dem kumquat "AlT" 4/2010