CASS – Chotanagpur Adivasi Seva Samiti

Indien ist die größte Demokratie der Erde und hat rund 1,2 Milliarden Einwohner/innen. Der Subkontinent ist voller Gegensätze: Armut und Reichtum, Tradition und Moderne, Emanzipation und Diskriminierung sind die Extreme, die oft nur wenige Meter vonei­nander parallel existieren.

Indien ist eine der globalen Wirtschaftsmächte. Aber neben Hochtechnologie, ausuferndem Reichtum und der weltgrößten Filmindustrie („Bollywood“), existiert auch extreme Armut, Kinderarbeit, diskriminierte Indigene (Adivasi) und Dörfer ohne Strom und Wasser.

In Indien bezeichnen sich die Angehörigen der indigenen Bevölkerung als Adivasi – das Hindi/Sanskrit Wort „adi“ bedeutet „ursprünglich“ und „vasi“ „Bewohner/in“. Sie zählen rund 90 Millionen und bilden somit einen Bevölkerungsanteil von 8,2 Prozent. Jahrhunderte lang wurden sie von den herrschenden Schichten als „zurückgebliebene Kasten“ diskriminiert. Die spirituelle Welt der Adivasi ist bewohnt von Naturgottheiten, die in alten Bäumen und auf Berggipfeln wohnen. Bis in die jüngste Zeit sind Gewalt und Mord an den Adivasi an der Tagesordnung, denn die Heimat der Adivasi ist reich an Bodenschätzen. Auch der zentralindische Bundesstaat Jharkhand ist von der schwierigen Situation betroffen.

CASS – Das Flugzettelprojekt 2010

Eines der über 500 Entwicklungszusammenarbeitsprojekte, die durch die Gelder der Sternsingeraktion unterstützt werden, ist CASS – Chotanagpur Adivasi Seva Samiti. Dieses Projekt wird bei der heurigen Sternsingeraktion als Modellprojekt – zum Beispiel am Flugzettel, den die Sternsinger/innen austeilen – näher vorgestellt. Die Mitarbeiter/innen von CASS setzen sich für eine Verbesserung der Lebensrealität der Adivasi ein.

„Die Welt mit den Augen eines Adivasi betrachten...“

Im folgenden Interview berichtet die Leiterin von CASS, Sr. Bina Stanis, von der Situation in Jharkhand und von der Arbeit von CASS.

Was sind die größten Probleme in Ihrer Region?
Unsere Region nennt sich auch Hazaribag, übersetzt: „Garten der tausend Bäume“. Das hat leider mit der Realität nichts mehr zu tun. Da Jharkhand reich an natürlichen Ressourcen ist, ist das größte Problem die rücksichtslose Ausbeutung von Bodenschätzen, Wäldern und Wasser durch den Bergbau und die Gusseisenindustrie. Dadurch wird der natürliche Lebensraum der Adivasi vernichtet und ihre Kultur und Lebensweise zerstört. Das alles mithilfe des indischen Staates und der Weltbank, die beide ihre Politik für die Konzerne und gegen die lokale Bevölkerung machen.

Welche Folgen hat der Bergbau für die Umwelt?
Seit diese Fabriken hier in Betrieb sind, sind die Teiche, in denen die Menschen ihr Geschirr, ihre Kleidung und sich selbst waschen, und aus denen einige auch das Trinkwasser entnehmen, schwarz. Die Bäume tragen kaum mehr Früchte, alles ist von einer Rußschicht überzogen. Gerade in der Nacht kann ohne Rücksicht auf Umweltschutzmaßnahmen gearbeitet werden. Wenn es dunkel ist, kann niemand die Rauchwolken sehen, die aus den Schornsteinen empor qualmen. Die staatliche Umweltschutzkontrolle scheint hier nicht wirksam zu werden und die Menschen bezahlen das mit ihrer Gesundheit.

Wie spüren die Menschen die Auswirkungen des Bergbaus?
Der Staat hat den Menschen einfach ihr Land genommen, sie enteignet, und sie damit ihrer Lebensgrundlage beraubt. Früher haben sich die Familien der Adivasi selber versorgen können, nun finden nur einige der Männer Arbeit, und das unter schrecklichen Bedingungen und mit schlechter Bezahlung. Die Ausbeutung der Menschen geht so weit, dass sogar Kinder als Arbeitskräfte missbraucht werden. Dazu kommt noch die gesundheitliche Belastung für alle, die dort leben.

Was können Sie gegen die Konzerne ausrichten?
Unsere Vision ist der Schutz der Menschen und ihres Lebens durch den sorgfältigen Umgang mit Land, Wasser, Luft und Bodenschätzen – in Hinblick auf die nachfolgenden Generationen. Daher ist das Ziel dieses Projekts die Organisierung der lokalen indigenen Gemeinden, die Bewusstseinsbildung über ihre Rechte und der Widerstand gegen das Eindringen der Bergbau-Unternehmen in den Lebensraum der indigenen Bevölkerung. Dabei ist uns sehr wichtig, dass Entscheidungen gemeinsam mit den Menschen getroffen werden.

Wie arbeiten Sie sonst in den Dörfern?
Um gut zu leben, müssen die Ernährung und die Gesundheit der Menschen sicher gestellt sein. Unsere Aktivitäten umfassen es, unterernährte Kinder zu versorgen, Selbsthilfegruppen für Mütter zu organisieren, Moskitonetze zu propagieren, Hygienekurse abzuhalten oder Trinkwasser aufzubereiten. Durch unsere Arbeit ist z.B. schon die Sterberate von Müttern und Babys zurückgegangen. Das alles funktioniert aber nur deshalb so gut, weil wir die Menschen ermächtigen, selbst für ein gesundes Leben zu sorgen.

Was können wir in Europa von den Adivasi lernen?
Die westliche Zivilisation sollte die Welt mit den Augen eines Adivasi betrachten: Sie glauben daran, dass die Erde genug besitzt, um alle Menschen zu nähren, die Bedürfnisse aller zu decken und nicht nur die Gier einiger weniger zu stillen. Wir alle sollten uns für ein respektvolles, gerechtes, freies Leben für alle einsetzen, wo das Land, die Wälder, das Wasser und die Bodenschätze geachtet und geschützt werden.

Welche Bedeutung hat die Unterstützung durch die Dreikönigsaktion?
Die Unterstützung der Dreikönigsaktion hat für uns größte Bedeutung, weil es uns ermöglicht, uns weiterhin für die Rechte der indigenen Bevölkerung einzusetzen. Für uns ist es auch ein Zeichen der internationalen Solidarität und von Verständnis. Wir möchten all den vielen Sternsinger/innen danken, die mit ihren Liedern und ihrem Engagement eine bessere Zukunft voll von Frieden und Gerechtigkeit gestalten! Danke an alle, die zur Unterstützung und zur Solidarität beitragen!

aus dem kumquat "Kinderrechte" 4/2009