Das kotzende Känguru

und warum es immer wieder in den Beutel zurück kriecht

Peter und Nika treffen sich an einem sonnigen Nachmittag im Jungscharbüro und kommen ins Plaudern… Über Gott und die Welt - und die Kirche. Und warum sie beide sich haupt- oder ehrenamtlich engagieren, wo es doch so viele Menschen vorziehen, auszutreten um ein Zeichen zu setzen - gegen hierarchische Strukturen, Missstände und das Gefühl der Unveränderbarkeit und angeblichen Weltfremdheit der Christlichen Traditionen.

Nika: Hallo Peter! Stell dir vor, letztens hab ich mit unserem Pfarrer über notwendige Veränderungen in der Kirche und im Besonderen in unserer Pfarre gesprochen. Ich dachte, ich muss da voll argumentieren, damit ich ihm halbwegs deutlich mache, dass sich meiner Meinung nach einiges ändern muss bei uns, damit die Pfarrgemeinde wieder aktiv wird. Und dabei hab ich offene Türen eingetreten bei ihm … das war wirklich sonderbar.

Peter: Servus Nika. Ja das hört sich ja mal gut an! Leider findet man so eine Einstellung viel zu selten in unserer Kirche. Da ist doch eher noch so eine verstaubte “alles muss beim Alten bleiben” oder besser “alles muss wieder zurück zum Alten” - Stimmung vorherrschend.

Ja, das hab ich mir halt auch erwartet. Dass jegliche Neuerungsversuche gleich unterdrückt werden, weil ja eh alles so super ist, wie es die letzten Jahrzehnte war. Aber so ist es halt nicht! Die Menschen suchen Gott und finden oft nur starre Strukturen und eingefahrene Traditionen. Zum Kotzen ist das manchmal!

Grundsätzlich geb ich dir ja recht! Aber das andere Extrem - also “Her mit allem, egal ob gut oder schlecht, nur weil es NEU ist!” ist halt auch nicht der richtige Weg, glaub ich. Gerade die Traditionen sind doch besonders in der Religion wichtig. Sie geben Menschen Halt und Sicherheit. Sie schaffen einen Rahmen, in dem man sich bewegen kann.

Aber wenn der Rahmen so eng ist, dass man schief angeschaut wird, wenn man die Dreistigkeit besitzt beim Segen nicht zu knien, sondern aufzustehen, dann ist da für mich nicht mehr viel Gutes dran zu finden! Ich find’s einfach sehr schwierig, wie in der Kirche immer wieder engagierte und motivierte Leute zurückgestutzt werden, weil irgendwer irgendwann mal entschieden hat, dass es eine Regel gibt, deren Befolgung oberstes Gebot sein muss. Dabei hat uns doch Jesus das höchste Gebot mitgegeben. Von wegen liebt einander, wie ich euch geliebt habe und so… Davon ist leider immer wieder herzlich wenig zu spüren. Von wegen christliche Nächstenliebe und so!

Da muss ich dir schon wieder recht geben. Ich für meinen Teil führe diese Situation, in der wir uns befinden, ja darauf zurück, dass momentan die Auslegung der Bibel recht unkontextual passiert.

Bitte wie?

Naja, ich bin der Meinung, dass man die Geschichten und Texte, die in der Bibel stehen, im Kontext der Zeit lesen muss, in der sie entstanden ist. Das nennt man dann historisch kritische Exegese. Im Grund genommen, muss man alles, was in der Heiligen Schrift steht, ja in unsere Zeit übersetzen, damit man aktuell gültige Regeln daraus ableiten kann. Und genau da liegt eben das Problem. Wenn die, die mit dem Auslegen der Texte beauftragt sind, halt eher in die konservativ-traditionelle Richtung tendieren, dann ist das Endprodukt eben auch eher streng und starr. Wenn die Leute, die sich damit beschäftigen, aber aufgeschlossen und vielleicht sogar revolutionär-liberal sind, dann hat die gesamte Kirche die Chance, sich zu erneuern und zu verändern - dadurch, dass die Bibel in unsere Zeit übersetzt und auch in diesem Kontext gedeutet wird.

Ah, ich glaub, jetzt hab ich’ s verstanden. Und wie viele Menschen sind damit beauftragt, die Bibel zu kontextualisieren?

Das weiß ich leider auch nicht genau. Aber ich denk mir halt, je mehr Menschen daran arbeiten, desto mehr Meinungen fließen in die “Übersetzung” in die heutige Zeit mit ein und desto größer ist die Chance, dass durch die verschiedenen Blickwinkel und auch durch die unterschiedliche Sozialisierung der Übersetzer ein möglichst breit gefächertes Bild davon gezeichnet wird, was die Bibel uns für unsere konkrete Lebenswelt mitgeben kann und will.

Ja… du sagst es. Möglichst viele Menschen, mit möglichst unterschiedlichen Meinungen und Erfahrungen. Aber unsere Kirche ist geprägt durch eine recht steile Hierarchie. Das führt dazu, dass ziemlich viel Macht und damit auch Verantwortung bei einzelnen Menschen konzentriert ist. Wir alle sind doch Kirche - wir ALLE sollten gemeinsam entscheiden können. Vielleicht sollte die Kirche ja basisdemokratisch werden ;-)!

Naja, aber die momentane Entwicklung, gerade auch bei uns in Österreich, zeigt doch, dass die Menschen diese Hierarchie nicht mehr einfach so hinnehmen wollen. Oder sich zumindest eigene Gedanken machen, was für sie richtiger und stimmiger ist, was eigentlich schon gelebte Praxis ist in den Pfarren und wie man es jetzt quasi legalisieren und zur Regel machen kann. Es gibt Initiativen, die versuchen auf Missstände und Neuerungsbedarf aufmerksam zu machen. Sowohl von Laien als auch von Priestern. Und dass unser Kardinal in der Causa Stützenhofen den MENSCH in den Vordergrund stellt und nicht eine Regel, dass macht mich schon sehr stolz ein Teil dieser Kirche zu sein.

Stimmt! Das ist ein tolles Beispiel dafür, dass es manchmal ganz gut ist, sich den eigenen Kopf zu zerbrechen und nicht nur stur und starr hinter irgendwelchen, vor Urzeiten aufgestellten, Regeln abzutauchen. Und weißt du, ich glaub, dass ist auch der Grund für mich, immer noch dabei zu sein. Trotz allem, was im Argen liegt, trotz den vielen wirklich mühevollen alltäglichen Auseinandersetzungen, trotz der vielen Missstände, die in der Vergangenheit immer wieder vertuscht wurden. Ich bin halt einfach überzeugt davon, dass wir ALLE Kirche sind und nur durch unser Mitgestalten eine Änderung in die Richtung, die wir uns wünschen, möglich ist. Und es ist wichtig sich manchmal auszukotzen über alles was einem halt nicht passt und was es schwer macht. Aber trotzdem dabei zu bleiben, im Pfarrgemeinderat zu sitzen und daran mitzuarbeiten, dass sich zumindest mal in meiner eigenen Pfarre etwas ändert, ist für mich der Weg zum Ziel.

Schön gesprochen! Ich find’s auch wichtig, dass man nicht nur schimpft über die Umstände, sondern dass man sich einbringt, mit all den Talenten, die man geschenkt bekommen hat. Wir schaffen das schon. Wir werden das Gesicht der Welt oder vielleicht zumindest der einen Pfarre verändern.

Peter Müller und Nika Fürhapter

kumquat "dazugehören" 3/2012