Pfui, Rassismus! - Aber was ist das eigentlich?

Definieren lässt sich Rassismus als eine Form der Diskriminierung von Menschen aufgrund von körperlichen oder kulturellen Merkmalen. Rassismus dient dazu, Hierarchien zwischen Menschen bzw. Gruppen, Teilen der Gesellschaft oder Kulturen aufzubauen. Die so entstehende Diskriminierung und Ausgrenzung folgen aus der (negativen) Bewertung von Unterschieden, aus Pauschalisierungen und Vorurteilen gegenüber vermeintlich „Anderen“ und führen oft dazu, dass Menschen ungerecht behandelt, gedemütigt oder bedroht werden. Aber wie funktioniert das eigentlich?

Kategorien, Stereotype, Vorurteile?

Alles, was wir wahrnehmen, teilen wir in Kategorien ein. Wir brauchen diese Stereotype und Kategorien, um uns zurecht zu finden. Dies geschieht mehr oder weniger unbewusst und hilft uns, Eindrücke schneller einzuordnen und zu verarbeiten. Welche Kategorien wir in unserer Wahrnehmung bilden, welche Unterschiede wir wahrnehmen und welche nicht, ist jedoch kulturspezifisch und hängt von unserer Sozialisierung und unserem Umfeld ab. D.h. wir lernen, gewisse Unterschiede wahrzunehmen und für relevant zu erachten, sie sind nicht, von sich aus entscheidend und wichtig.

Problematisch werden diese Kategorien, wenn wir beginnen zu sehr zu vereinfachen, zu pauschalisieren und vor allem – zu bewerten. Dann spricht man von Vorurteilen. Vorurteile sind – wie der Name schon sagt – Urteile, die man im Voraus schon gefällt hat, ohne sich auf die Situation oder den Menschen wirklich einzulassen. Man geht ohne wirkliches Wissen über eine Person oder einen Sachverhalt, mit einer bereits vorgefertigten Meinung, in eine Situation, die meist nicht auf eigenen Erfahrungen basiert und verhindert damit, aus neuen Situationen zu lernen.

Die „Anderen“ – Zuschreibungen und ihre Funktion

Auch wenn es sich um positive oder vermeintlich wertfreie Zuschreibungen handelt, sind es Zuschreibungen, d.h. von außen an jemanden herangetragene Vorstellungen über eine Person, eine Gruppe, eine Kultur. In eine Schublade gesteckt zu werden, gefällt wahrscheinlich niemandem. Solche Zuschreibungen können aber auch weitreichende politische Konsequenzen haben. Die Annahme, dass jemand mit dunklerer Hautfarbe aus Afrika sei, legt beispielsweise die Vorstellung nahe, dass er oder sie nicht Teil der österreichischen Gesellschaft sei. Das kann wiederum dazu führen, eine Rechtfertigung für Ungleichbehandlung zu bieten. Anhand der Hautfarbe wird also eine Kategorie geschaffen, der man dann etwas zuschreiben kann. Damit wird ermöglicht, Menschen in Gruppen einzuteilen und als „die Anderen“ zu definieren, auszugrenzen, zu diskriminieren. Deswegen ist es so wichtig, einerseits darüber nachzudenken, in welchen Kategorien wir die Welt wahrnehmen, welche Zuschreibungen wir vielleicht unbewusst weitertragen, andererseits politische Teilhabe und Selbstrepräsentation zu ermöglichen.

Und woher kommt das eigentlich?

Der Begriff „Rasse“ stammt aus der Biologie. Im 19. Jahrhundert entstand die „Rassenkunde“, die es sich zum Ziel setzte, Menschen nach (mehr oder weniger sichtbaren) Unterschieden in verschiedene „Rassen“ einzuteilen. Diesen „Rassen“ wurden auch bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeschrieben, die man teilweise auch heute noch als Vorurteile gegenüber „anderen“ findet. Rassismus gibt es aber schon viel länger. Als zum Beispiel im 16. Jahrhundert die Amerikas erobert bzw. kolonisiert wurden, wurden die dort ansässigen Menschen als primitive Wilde dargestellt, die man von Europa aus „entdeckt“ und „zivilisiert“ hat - eine Vorstellung, die bis heute hält. Sie wurden als eine weniger weit entwickelte „Rasse“ der Menschen dargestellt, über die man herrschen könne. Man rechtfertigte die Vertreibung der Menschen, die Eroberung ihrer Länder also mit rassistischen Argumenten. Deshalb spricht man auch davon, dass mit dem Kolonialismus die Idee unterschiedlicher menschlicher „Rassen“ eingeführt wurde. Die erdachte Hierarchie zwischen unterschiedlichen Menschengruppen war die Legitimation für Enteignung, Gewalt und Vertreibung. Rassistische Argumentationen haben also oft die Intention, Ungerechtigkeiten als „natürliche“ Umstände darzustellen und damit zu verschleiern. Durch diese vermeintlich natürlichen Umstände lassen sich Handlungen rechtfertigen bzw. kann man sich der Verantwortung entziehen, etwas gegen Rassismus zu tun.

Darüber sprechen – aber wie?

Die vielen Anführungszeichen zeigen schon, es ist nicht so einfach, Rassismus zu erklären. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Basis von Rassismus, nämlich die Idee der Existenz unterschiedlicher menschlicher „Rassen“, wovon es bessere und schlechtere gäbe, nicht haltbar ist. Rassismus stützt sich nicht auf wissenschaftliche Theorien oder Ähnliches (obwohl das immer wieder versucht wurde), sondern ist ein komplexes Konstrukt aus widersprüchlichen Meinungen, entsteht aus einer feindseligen oder angsterfüllten Haltung gegenüber anderen und hat die Funktion, andere abzuwerten, zu diskriminieren bzw. sich selbst und die eigene Gruppe, Nation o.ä. aufzuwerten.

Auch einzelne Wörter sind oft schwierig bzw. sind in unterschiedlichen Sprachen nicht genau gleich, wie z. B. das englische Wort race und das deutsche Wort „Rasse“, denn letzteres ist stark auch vom Nationalsozialismus geprägt. Von Schwarz in Bezug auf Hautfarbe zu sprechen, ist auch nicht unproblematisch, wird teilweise aber bewusst verwendet und dabei mit großem S geschrieben, um so die politische Komponente zu betonen, es ist dann also eine sozio-politische Positionierung, eine Selbstbezeichnung und damit emanzipatorische Praxis. Damit soll aufgezeigt werden, welche politischen Folgen es hat, Menschen in bestimmte Kategorien einzuteilen. Schwarz und weiß meint dabei eben nicht Hautfarbe, sondern soziale bzw. politische Konstruktionen, also die Vorstellungen und ihre Folgen, die rund um die Idee Hautfarbe konstruiert wurden und in unserer Gesellschaft wirken. Die Bezeichnungen People of Colour (PoC), Black and People of Colour (BPoC) oder Black, Indigenous, and People of Colour (BIPoC) werden verwendet, um unterschiedliche Rassismusformen und Unterdrückungserfahrungen zu umfassen, die einer weißen Norm gegenüberstehen. Mit dieser umfassenden Bezeichnung sollen Ähnlichkeiten und dahinterliegende gesellschaftliche Strukturen der Unterdrückungserfahrungen aufgezeigt werden.

Jungschar ist für alle da

„Jungschar ist für alle da“ ist einer unserer Leitsätze, in der Jungschar soll und darf jede*r Platz haben. Wir setzen uns daher schon seit längerem intensiv damit auseinander, wie wir in unserem Tun gegen Rassismus bzw. auch andere Diskriminierungsformen vorgehen wollen und damit unseren Leitsatz stärken. Wir wollen bestehende Rollenbilder, Stereotype und Vorurteile reflektieren, wir wollen uns (strukturelle) Ungleichheiten bewusst machen und uns für ein gleichberechtigtes Miteinander einsetzen. Wir verstehen Vielfalt als eine Bereicherung. Das heißt, wir setzen uns aktiv dafür ein, Vorurteile und Zuschreibungen – bei uns und in der Gesellschaft – abzubauen, die zur Benachteiligung von Menschen führen können, die vielleicht sogar dazu dienen, Ungerechtigkeiten zu rechtfertigen. Zum Beispiel, indem wir darauf achten, wie wir über andere Menschen sprechen, über andere Kulturen, über andere Traditionen. Welche Zuschreibungen führen wir fort? Oder verwenden sie vielleicht nicht mehr so – weil sie einfach der Vielfalt der Menschen nicht gerecht werden. Aber auch: Für wen planen und gestalten wir unsere Aktivitäten, wen laden wir ein, wer fühlt sich angesprochen und wer kann teilnehmen? Dieses kritische Hinterfragen ist ein wichtiger Schritt, um vielleicht unbewusste Benachteiligungen sichtbar zu machen und sich der eigenen Vorurteile bewusst zu werden. Und diese aufzulösen.

Te Millesi

kumquat “Antirassismus” - 1/2022