Abseits jeder Fairness

Menschenhandel und Sklaverei im Fußball

Die afrikanischen Fußballstars Eto’o (aus Kamerun) und Drogba (aus der Côte d’Ivoire) sind Vorbilder für viele junge Afrikaner und Lateinamerikaner, die Profifußballer werden und damit ihrer Armut entfliehen wollen. Doch leider sind die Erfolgsgeschichten die Ausnahme: Angelockt von scheinbar lukrativen Angeboten, die ihnen skrupellose Spieler-Händler machen, endet so mancher junge Fußballer aus Übersee in unbedeutenden Klubs oder fristet sein Leben nach kurzen Verträgen in den Straßen Europas.

Berichte über Menschenhandel im Fußball passen so gar nicht zur Ideologie dieses Sportes, der sich als fair und leistungsorientiert ausgibt. In Wahrheit ist Fußball in diesen Dingen gar nicht „sportlich“, wenn man darunter eine Haltung der Ehrlichkeit und Redlichkeit versteht.

Wie kommt es dazu, dass ausgerechnet im Sport Menschen zur Ware werden? Geld, Erfolg und Ruhm sind die verlockende, die sichtbare Seite des Fußballgeschäfts. Für viele junge Spieler aus Afrika und Lateinamerika verheißt der europäische Fußball den Weg in ein neues Leben, weit weg von der Armut. Diese Hoffnung nutzen einige skrupellose Agenten aus und bieten den oft mittellosen Familien junger Fußballtalente an, die Reisekosten nach Europa zu übernehmen. Da die FIFA, die Internationale Föderation des Verbandsfußballs, den Transfer für Spieler unter 18 Jahren verbietet, fälschen korrupte Vermittler das Geburtsdatum ihrer jungen Klienten, um die notwendigen Papiere für sie zu erhalten.
 
In Europa angekommen, trainieren die afrikanischen oder südamerikanischen Jugendlichen in meist kleinen Vereinen. Wenn sie es nicht schaffen, einen Vertrag an Land zu ziehen, verlieren sie häufig ihr Visum, ihr Geld und schließlich ihre Agenten. Fern vom Leben eines gefeierten Fußballstars, finden sie sich unter Umständen komplett auf sich selbst gestellt wieder, ohne Job und manchmal auch ohne Dach über dem Kopf.

Gut organisierter „Menschenhandel“

Der ehemalige Profifußballer Jean-Claude Mbvoumin aus Kamerun bezeichnet diese Praxis als „Menschenhandel“: Junge Afrikaner seien ökonomisch betrachtet die billigsten Nachwuchsspieler, sie böten das beste „Preis-Leistungs-Verhältnis“. Die Klubs würden sie kaufen, um sie später weiterzuverkaufen. Einige Vereine verpflichteten sehr junge Spieler nur, um sie zu testen. Wenn sie nach einigen Jahren Training in kleineren Klubs nicht ein außergewöhnliches Talent bewiesen hätten, würden ihre Verträge nicht erneuert.

Viele wollen trotzdem nicht zurück in ihre Heimat, fühlen sich als Verlierer. Nicht wenige werden kriminell, weil sie kein Einkommen haben. Frankreich sei die „erste Adresse für afrikanische Spieler“, so Mbvoumin. „Während der Saison 2005-2006 waren 48 Prozent in der französischen Liga Ausländer. Das Durchschnittsalter lag bei 18,6 Jahren.“

Doch Frankreich ist nicht das einzige betroffene Land. Ein dänischer Fußballklub wurde der FIFA gemeldet, weil er mit jungen Spielern aus Nigeria handelte. UEFA-Manager Lars-Christer Olsson sieht die Situation als alarmierend an und fordert spezielle Vorschriften für Agenten. Der französische EU-Abgeordnete Guy Bono (SPE) spricht von „heimlichen Immigrationskanälen“, dazu bestimmt, Trainingslager mit jungen Spielern zu versorgen, aus denen große Klubs ihre zukünftigen Stars rekrutieren.

Sexarbeit oder Zwangsprostitution?

Neben dem Handel mit Fußball-Spielern findet ein weiterer ausgedehnter Handel mit Menschen statt, dieser nun mit Frauen: Rund um alle Fußball-Großereignisse kommt es zum Handel mit Prostituierten. Vor der WM 2006 in Deutschland war die Rede davon, dass mit ca. 40.000 Zwangsprostituierten zu rechnen ist. Die Polizei hat allerdings nur fünf Fälle dokumentiert. Über die Dunkelziffer kann allerdings nur spekuliert werden.

„Menschenhandel ist eine große Schande“ (Papst Benedikt, 2006), besonders wenn Frauen weltweit Opfer von Zwangsprostitution werden. Junge Frauen, vor allem aus Osteuropa, werden mit Täuschung, Drohung oder gar Gewaltanwendung in Austragungsländer von Fußball-Großevents gebracht und hier zu Prostitution gezwungen. Sie bezahlen ihren Traum vom besseren Leben teuer, wenn sie den Versprechungen auf interessante Stellen und gutes Geld Glauben schenken. Und selbst diejenigen, die zur Arbeit in der Prostitution bereit sind, ahnen nichts von den entwürdigenden Bedingungen, wissen nichts davon, dass ihnen die Pässe abgenommen, sie eingesperrt oder unter ständiger Bewachung leben werden.

Eine andere Sicht auf diese Angelegenheit ist jene, hier nicht so sehr die Gefahr der Zwangsprostitution zu sehen, sondern Sexarbeit als eine (fast) normale Verdienstmöglichkeit wie andere auch zu betrachten. Organisationen migrantischer Frauen kritisieren, dass im öffentlichen Diskurs der „Zwangsprostitution“, die «Frau-Migrantin(aus Osteuropa)-Zwangsprostituierte» primär als Opfer dargestellt wird. Eine solche Perspektive verwische, dass nicht alle Osteuropäerinnen, die während eines Fußball-Großereignisses einreisen, Prostituierte sein würden und dass nicht alle Prostituierten aus Osteuropa Zwangsprostituierte sind. Und sie schränke durch die Viktimisierung eines ganzen Berufsstandes die Handlungsmöglichkeiten von Sexarbeiterinnen ein und behindere den Kampf um die Rechte und Anerkennung von Prostituierten. Dafür öffne sie so genannten sicherheitspolitischen Vorschlägen, die auf verschärfte Zulassungs- und Grenzkontrollen abzielen, Tür und Tor.

Organisationen wie die Schweizer „cfd-Frauenstelle für Friedensarbeit“ kritisieren, dass damit die Sicherheit weder von Prostituierten noch von Opfern von Menschenhandel verbessert wird. Sicherheit meine Sicherheit für «uns» «hier» – ob vor Hooligans oder «Zwangsprostituierten» spielt dabei keine Rolle. Es gehe aber nicht darum, die Prostituierten zu schützen.

Abseits der Würde des Menschen

Abseits des Fußballrasens geht es nicht sehr sportlich zu, soviel steht fest. Vielmehr herrschen die gleichen Gesetze über den Wert und die Verkäuflichkeit der menschlichen Arbeitskraft wie anderswo auch. Das hat weniger mit dem Sport, als mit unserer Gesellschaft an sich zu tun. Der Tauschwert des Menschen wird weiterhin oft höher bemessen als seine unveräußerliche Würde. Nicht zuletzt, weil Respekt vor der Würde des Menschen nicht selbstverständlich ist, zählt sie zu den Fundamenten der Erklärung der Menschenrechte – und auch der christlichen Soziallehre.
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 1)

Gerald Faschingeder

Quellen:
www.europarl.europa.eu/news/public/story_page/041-3965-064-03-10-906-20070309STO03964-2007-05-03-2007/default_de.htm; 19.3.3008
www.ekd.de/aktuell_presse/pm86_2006_ekir_wm_zwangsprostitution.html; 19.3.2008.
www.cfd-ch.org/pdf/frieden/zwangsprostitution.pdf; 19.3.2008.