Überall, und so auch in Österreich, sind Gesetze kein einfaches Kapitel, da sie oft subjektiv interpretiert werden und selbst Jurist/inn/en nicht immer einer Meinung sind. Nicht selten kommt es zu Urteilen, bei denen viele den Kopf schütteln und Tat und Urteil in keiner Relation mehr zueinander stehen.
Ein oft kritisierter Gesetzestext in Österreich ist der § 78c der Straßenverkehrsordnung, die aus dem Jahre 1960 stammt. Dieser lautet:
„Auf Gehsteigen und Gehwegen in Ortsgebieten ist verboten: den Fußgänger insbesondere durch den Verkehr oder die Verteilung von Programmen oder Eintrittskarten vor Theatern und Vergnügungsstätten, durch das Verstellen des Weges, durch das Tragen von Reklametafeln sowie durch den Verkauf von Druckschriften, durch das Mitführen von Tieren oder durch unbegründetes Stehenbleiben zu behindern.“
Soll diese Richtlinie einerseits die Flüssigkeit, Leichtigkeit und Sicherheit des Fußgängerverkehrs herstellen, lässt sie andererseits viel Spielraum für Interpretationen und Missbrauch, vor allem die letzte Passage: Was bedeutet ‚unbegründetes Stehenbleiben’? Ist Stehenbleiben, um sich eine Auslage anzuschauen oder um das läutende Handy aus der Tasche zu holen unbegründet?
Eine große Gefahr des §78 besteht in seiner Anwendung, vor allem dann, wenn Personen andere ihnen unerwünschte Menschen wie Bettler/innen oder Zeitungsverkäufer/innen von Orten vertreiben wollen.
Die Initiative F13 veranstaltet an jedem Freitag, den 13. (daher der Name) verschiedenste Aktionen für und mit all jenen, denen mangels Konsumkraft der öffentliche Raum entzogen wird oder die dadurch gesellschaftliche Diskriminierung erfahren. Dieses Jahr am 13.3. wurde zum gemeingefährlichen Beine-Ausstrecken auf der Mariahilferstraße aufgerufen. Der Grund dafür war, dass ein Bettler angezeigt wurde, weil er in der Einkaufstraße saß und seine Beine einen Meter von der Hausmauer weg ausstreckte. Laut Polizei behinderte er die Fußgänger/innen und wurde schließlich zu einer Geldstrafe von 200 Euro oder einer Ersatzstrafe von 100 Stunden Arrest wegen des Verstoßes folgender drei Delikte verurteilt: „aufdringliche Bettelei“ gemäß § 2/1 WLSG, „vorschriftswidriges Verhalten auf Gehsteigen im Ortsgebiet“ gemäß des § 78/c STVO und „Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken ohne Bewilligung“ gemäß § 81/1 StVO.
2003 wurde im Parlament von den Grünen der Antrag gestellt, diese bedenkliche Passage zu überarbeiten und vorzugsweise zu streichen. Der Antrag wurde zuerst vom Verkehrsausschuss und schließlich vom Nationalrat nicht angenommen.
Da Gesetze dafür da sein sollten, dass Gerechtigkeit eingehalten wird, dürfen sie nicht dafür ausgenutzt werden, um gegen andere Menschen vorzugehen. Ich hoffe, dass in der Gesellschaft mehr Toleranz für Probleme anderer Menschen entwickelt wird und man nicht versucht, Menschen mit Problemen aus seinem Alltag zu beseitigen. Ich würde mir wünschen, dass die mittlerweile 49 Jahre alte Gesetzespassage überarbeitet wird und nicht mehr für die Diskriminierung von Menschen verwendet werden kann.