„Ausländer raus. Niggas die. Fuck Tschuschn. Tötet alle Moslems.“
Solche Sprüche schon mal gehört oder gelesen? Vermutlich, denn diese und zahlreiche andere finden sich vielerorts: Als Schmierereien auf Hauswänden, Toren, in U-Bahnen oder an Straßenbahnhaltestellen. Was tun? Wir meinen: Weg damit! Ein Denkanstoß zu Rassismus im öffentlichen Raum und eine Idee für eine Rausgehaktion mit deinen Kindern.
Allgegenwärtiger Rassismus
Im Stadtbild von Wien, aber auch von vielen anderen Ortschaften in Österreich, finden sich immer wieder rassistische und menschenverachtende Parolen wie die oben genannten. Mir ging es lange so, dass sie mir gar nicht mehr aufgefallen sind – ich habe mich einerseits daran gewöhnt, dass es prinzipiell viele solcher „Schmieragen“ gibt und mir andererseits konkrete Sprüche in meiner Umgebung Anfangs zwar negativ ins Auge stachen, ich mich aber auch an diese nur allzu schnell gewöhnt hatte und sie mir in Folge gar nicht mehr auffielen. Ich fand diese Sprüche zwar niveaulos, falsch und ekelhaft, war als Österreicher aber selten direkt von ihnen angesprochen und somit auch persönlich nicht betroffen.
Meine Wahrnehmung hat sich sehr geändert, als ich mich ein bisschen mehr mit Rassismen im öffentlichen Raum auseinandergesetzt und versucht habe, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen. Wie wäre das, wenn ich z.B. als Muslimin tagtäglich an einem „Tötet alle Moslems“-Spruch vorbei gehen würde? Würde ich mich auch rasch daran „gewöhnen“? Wohl kaum.
„Das tut ja keinem weh…“
Der/die kritische Leser/in mag sich vielleicht denken: „Rassistische Übergriffe sind das wahre Problem, so ein paar Schmierereien an den Wänden tun doch keinem was.“ Das stimmt in meinen Augen jedoch nicht: Zwar gehören rassistisch motivierte körperliche Übergriffe und Gewalt, die leider immer noch ein massives Problem darstellen, bekämpft. Worte können hingegen können genauso verletzend sein – die laut ausgesprochenen, wie auch die schriftlichen.
Meiner Meinung nach hängen tätliche Übergriffe mit in der Stadt sichtbaren, rassistischen Aussagen zusammen, in mehrerlei Hinsicht: Erstens ist wie eben erwähnt eine solche Schmierage genauso ein verbaler Übergriff und steht dem in seiner kränkenden und verletzenden Wirkung um nichts nach: Man kann dem genauso wenig ausweichen, wie wenn die Attacke „live“ passiert. Und ein Nicht-Übermalen kann auch als „Zustimmung“ gesehen werden, bzw. zumindest als Unterlassung: Genauso wie wenn bei einem verbalen wie körperlichem Angriff auf eine Person im öffentlichen Raum keine der umstehenden Personen eingreift (was die Demütigung und die Verletzung noch verstärkt, weil es scheinbar niemandem ein Anliegen ist, zu helfen bzw. die Situation zu beenden), genauso kann das sich mit den Nicht-Übermalen ähnlich gesehen werden: Keiner „greift ein“, oder bezieht dazu Stellung, sondern scheint davon so wenig berührt zu sein, es einfach stehen zu lassen.
Zweitens schafft eine starke Präsenz solcher Sprüche auch eine hohe „Toleranz“ dafür: Wenn ich jahrelang an einem Nigger-Raus-Slogan an meinem Schulweg vorbeigehe, schafft dies eine Normalität solchen – eigentlich inakzeptablen – Aussagen gegenüber. Es bedeutet natürlich nicht, dass ich diese Meinung dann übernehmen muss, oder davon „angesteckt“ werde, aber es brennt sich als Bestandteil des Stadtbildes in meinen Kopf ein – was gar nicht der Fall sein müsste und sollte! Hinzu kommt (und auch das hängt in meinen Augen damit zusammen, dass in Österreich offener Rassismus so sehr toleriert wird) noch ein gesellschaftliches Klima, dass es zulässt, dass auch in der Politik rassistische Parolen in Wahlkämpfen eingesetzt werden und somit zusätzlich zu den ohnehin schon unerträglichen Schmierereien, riesengroß auf Plakaten und Bannern prangen (ein Zustand, der in anderen Ländern völlig undenkbar wäre!).
Rassismus streichen!
Das alles zusammen bringt mich immer wieder zu der Erkenntnis, nicht damit einverstanden sein zu können und motiviert mich dazu, mich auch hier gegen Rassismus auszusprechen. Was kann man als Einzelperson tun? In dem Fall nämlich: Eine ganze Menge! Es gilt, den Rassismus zu streichen. Die einfachste Variante ist, die Schmierereien abzuwaschen, zu übermalen, bzw. die Hausbesitzer/innen darauf aufmerksam zu machen, dass sie sich um die Beseitigung kümmern. In einer kleineren Ortschaft kann man sich auch an verschiedene Stellen wenden: Den/die Bürgermeister/in, den Ortsverschönerungsverein, etc.
Falls Leute nachfragen was man da tue, bietet sich eine gute Möglichkeit, sich zu erklären und auch einige der von mir oben gebrachten Argumente einzubauen.
Aber man kann noch mehr tun. Bereits im Jahr 2007 hat SOS Mitmensch gemeinsam mit ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) die Kampagne „Rassismus streichen“ ins Leben gerufen. Hierbei soll man rassistische Schmierereien abfotografieren (z.B. mit dem Handy) und samt Ortsangabe via Email an die Website www.rassismusstreichen.at schicken. So entsteht ein Anti-Rassistischer Stadtplan, der aufzeigt, mit was für einem massiven Problem wir es zu tun haben. Somit soll der Stadt Wien auch die Tragweite klar gemacht werden, sodass diese das Problem struktureller angeht. Vorschläge sind (nach dem Beispiel anderer europäischer Städte) ein Finanztopf, aus dem Hauseigentümer/innen für kleinflächige Übermalungen rassistischer Schmierereien entschädigt werden.
Geht das denn auch mit der Jungschar-Gruppe?
In meinen Augen geht das auf jeden Fall! Ihr könntet euch in einer Gruppenstunde mal mit Rassismus auseinandersetzen (in der Gruppenstunden-Datenbank gibt es hierzu einige Ideen, für verschiedenen Altersstufen und im Jungschar-Büro kannst du einen ausführlichen Behelf zum Thema „Fremd sein“ erwerben) und auch das Thema „Schmierereien“ aufbringen. Du könntest sie auffordern, bis zur nächsten Gruppenstunde mit offenen und für das Thema sensibilisierten Augen durch die Stadt zu gehen und Ausschau zu halten nach rassistischen Sprüchen. Wenn man sie nicht gleich übermalen kann, so kann man sie abfotografieren und in der kommenden Woche die Fotos gemeinsam an SOS-Mitmensch schicken.
Eine andere Idee wäre, sich gemeinsam oder in (von einer Begleitperson begleiteten) Kleingruppen in einer Gruppenstunde auf die Suche nach solchen Sprüchen zu begeben, sie zu übermalen (oder abzuwaschen), insofern sie vielleicht an der Pfarrmauer, oder einer Kirchenwand sind, oder auch darauf hinzuweisen. Unter www.rassismusstreichen.at finden sich Download-Vorlagen für Pickerl (siehe Bild), die man über oder neben die Sprüche kleben kann. Mit ein paar Strichen lassen sich manche Sprüche auch rasch „umdichten“, wie man ebenso auf der Homepage sehen kann. Zur rechtlichen Situation, z.B.: ab wann etwas Sachbeschädigung ist, findet sich auch auf dieser Homepage Hinweise. Vielleicht kommt man auch so ins Gespräch mit Passant/innen und/oder Hausbewohner/innen und kann für das Thema sensibilisieren. Gemeinsam gegen Rassismus vorzugehen und aufzutreten wird meiner Wahrnehmung nach immer wichtiger. Sich gegen rassistische Schmierereien zu stellen und diese auch anzuprangern, kann ein einfacher, aber sehr wichtiger erster Schritt sein.
Clemens Huber