Schritt für Schritt aufeinander zu gehen

Infos und Bausteine für die Gruppenleiter/innen-Runde

Entnommen aus: „Fremd gehen, Schritt für Schritt aufeinander zu: Ein Jahresthema auch für dich“, Artikel Werkbrief KONTAKT 1 09/10 KJS Südtirol, Hannes Waldner, Elke Giacomozzi, Thomas Ebner

Hintergrund

Um Vielfalt und Unterschiede, um Toleranz und Offenheit, um Fremdes und Gemeinsames, – darum soll es uns gehen. Nicht nur die Kinder, sondern auch dich wollen wir dabei unterstützen, mit offenen Augen und offenem Herzen durch die Welt zu gehen: Entdecke andere Kulturen, bau die Angst vor dem Fremden ab, hinterfrage Vorurteile, greif den interkulturellen Gedanken auf, stelle Gemeinsamkeiten vor Unterschiede. Erkenne, dass du ein Teil der Welt bist und durch dein Handeln dein Umfeld positiv mitgestalten kannst. Gerade bei Themen wie Interkulturalität, Migration und Fremdenrechtspolitik gibt es viele Meinungen und viele vermeintliche Wahrheiten. Da ist es schon schwer, die richtigen Informationen zu finden. Warum ist es so wichtig, dass du dich persönlich damit auseinandersetzt? Du bekommst eine Basis an Informationen, die dir eine gewisse Sicherheit gibt, um mit Fragen der Kinder umgehen zu können. Es wird dir ebenso helfen, die Gruppenstunden und Aktionen mit den Kindern gut vorbereiten und durchführen zu können.

Im Folgenden wollen wir dir ein paar Begriffe erklären, auf die wir immer wieder stoßen, wenn es um Menschen mit Migrationserfahrung geht. Wir haben sie alle schon mal gehört, aber wenn wir gefragt werden, was sich wirklich hinter den Wörtern wie Migration und Vorurteil verbirgt, dann wird’s schwierig.Wir wünschen dir aufschlussreiche Momente!

  • Migration ist kein „Betriebsunfall“ oder Ausnahmezustand. Es hat sie im Laufe der Geschichte immer schon gegeben.
    Das Phänomen der Migration, das Auswandern aus dem eigenen Herkunftsland und das Einwandern in ein fremdes Land, gibt es nicht erst seit kurzer Zeit. Im Alten Testament lesen wir über den Auszug aus Ägypten, in der Schule hören wir von den Völkerwanderungen, unter anderem auch von der Kolonialisierung von Nord- und Südamerika. Rund 60 Millionen Menschen verließen im 18. und 19. Jahrhundert die alte Welt und hofften in der neuen Welt Reichtum und ein besseres Leben zu finden.
  • Alle Flüchtlinge und Auswanderer/innen kommen nach Europa: Der Eindruck täuscht.
    Heute, so scheint es, strömt der Großteil der Flüchtlinge und Auswanderer/innen nach Zentraleuropa. Dieser Eindruck täuscht: unter 5% aller Flüchtlinge weltweit kommen nach Europa. Die meisten Flüchtlinge bewegen sich innerhalb der ärmsten Länder der Welt. Gründe für Migration gibt es viele: Krieg, Katastrophen, Verfolgung, Arbeits- und Perspektivlosigkeit. Niemand entscheidet aber von Heute auf Morgen einfach sein Land, seine Heimat zu verlassen. Meistens ist ein starker Anreiz oder sehr großer Druck notwendig, um Menschen zur Flucht oder Migration zu treiben. Denn, wer will schon seine Heimat verlassen?! Könntest du das einfach so tun?
  • Zahlen, Daten Fakten zur Einwanderung
    Zahlen und Daten verändern sich immer wieder. Was aber über die Jahre immer gleich blieb, ist, dass die allermeisten Flüchtlinge von ärmeren (Nachbar-)Ländern aufgenommen werden. 
    Übersichtliche Fakten dazu findest du hier: https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/fluechtlinge/zahlen-fakten.html 

Dinge, die wir nicht kennen, die uns vielleicht auch Angst machen, verleiten uns dazu Vorurteile aufzubauen. Vorurteile hat jede und jeder von uns. Wichtig ist es, sich darüber bewusst zu werden und daran zu arbeiten diese abzubauen. Es hilft, sich zu informieren.

Nachgeschlagen...

  • MIGRATION – darunter versteht man das Aus- beziehungsweise Einwandern in ein (fremdes) Land. Dabei gibt es noch zwei Unterscheidungen: Die Emigration (von lat. ex  hinaus; migrare wandern) ist das Verlassen des Heimatlandes und unter Immigration versteht man die Zuwanderung in ein neues Land.
  • VORURTEILE – sind gefasste stabile positive oder negative Einstellungen gegenüber einer Gruppe von Menschen oder einer Person, die einer solchen Gruppe zugeschrieben wirdwerden. Diese Zuschreibung erfolgt ohne ausreichendes Wissen und schränkt die Handlungsmöglichkeiten der Betroffenen in vielen Lebensbereichen ein – Diskriminierungen sind oft die Folge. Vorurteile sind emotional gefestigt und trotz rationaler Argumentation schwer abzulegen.
  • STEREOTYP – ein Stereotyp ist eine vereinfachte  Verallgemeinerung von (zum Teil oft fiktiven) Eigenschaften, die einer gesamten Gruppe von Menschen zugeschrieben werden, ohne individuelle Unterschiede zu berücksichtigen. Auch positive Stereotype (z.B. „Japaner sind immer fleißig“) sind problematisch und können negative Konsequenzen nach sich ziehen.
  • INTEGRATION – ist die Aufnahme von Migrant/innen in eine Gesellschaft, wobei diesen in allen Bereichen des sozialen Lebens (Aufenthalt, Kultur, politische und soziale Rechte) gleicher Schutz und gleicher Respekt gebührt wie „Einheimischen“. Integration ist ein zweiseitiger Prozess, d.h. dass sowohl die Minderheits- als auch die Mehrheitsbevölkerung Integrationsleistungen erbringen sollte. 

Weitere Definitionen und informative Texte findest du hier

Quelle: „Wir sind die Vielfalt! Methodenvorschläge für die Pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“  Auszug aus dem Kapitel Glossar – Österreichische Kinder- und Jugendvertretung

In die Welt eintauchen

Praktisches für dich und die Gruppenleiter/innen-Runde

Folgende Übungen sollen dir und deiner Gruppenleiter/innen-Runde die Möglichkeit bieten, in das  Thema bewusst einzusteigen und deinen Blickwinkel zu erweitern. Zu allererst findest du hier die Anleitung für eine Phantasiereise. Nachfolgend haben wir ein Simulationsspiel für dich ausgesucht. Dieses Spiel bietet dir die Möglichkeit, unter simulierten Umständen Verhaltensweisen zu testen. Wichtig ist bei dieser Übung die Reflexion im Anschluss: Überlegt gemeinsam, wie es euch während dessen ergangen ist, wie ihr verschiedene Situationen wahrgenommen und warum ihr in einer bestimmten Weise reagiert habt. Ich wünsche dir und deiner Gruppenleiter/innen-Runde spannende Stunden!

„Fremde Länder“

Phantasiereise 

Alter: 10-14, 14 + 
Gruppengröße: Kleingruppe, Großgruppe
Zeit: halbe Stunde, dreiviertel Stunde

Du brauchst: Matten und Decken für alle Teilnehmer/innen, besinnliche Musik, Text der Fantasiereise

So geht’s: Diese Fantasiereise nimmt euch mit in ferne Länder. Sie eignet sich gut, zum Beispiel als besinnlicher Teil eurer Klausur, Jungschar- oder Minisitzung. Wenn alle ihren Platz gefunden haben, bequem sitzen oder liegen, beginnst du mit der Hinführung.

Einstiegsformel
Wir werden gleich eine Fantasiereise machen.
Lege dich ausgestreckt auf die weiche Decke.
Mach es dir ganz bequem.
Schließe deine Augen.
Atme langsam und gleichmäßig ein und aus.
Du spürst deine Arme und Beine, dein Bauch hebt und senkt sich.
Du fühlst dich wohl, dir ist nicht kalt und nicht heiß.

Das Land meiner Träume – Text der Fantasiereise
Du fühlst dich leicht wie auf einer schaukelnden Wolke.
Deine Gedanken fliegen einfach davon.
Du schwebst langsam in die Höhe.
Die Sonnenstrahlen sind warm und angenehm.
Du spürst den angenehmen Fahrtwind auf deiner Haut.
Immer weiter geht die behagliche Reise.
Deine Wolke landet auf einem Weg.
Vor dir siehst du ein großes Tor.
Das Tor öffnet sich und eine freundliche Gestalt kommt zum Vorschein.
Sie lächelt dich an und sagt: „Hallo, schön dass du da bist. Ich lebe im Land deiner Träume. In der Welt deiner Träume ist alles so, wie du es gerne hättest. Was ist dir besonders wichtig? Was brauchst du, damit du dich so richtig wohl fühlst? Du hast so viele Wünsche frei, wie du willst. Komm mit mir durch das Tor und sieh dir deine Traumwelt an.“
Du folgst der freundlichen Gestalt durch deine Fantasiewelt und schaust dir alles an.
Immer wieder triffst du Kinder und Erwachsene.
Welche Spiele werden von den Mädchen und Buben gespielt?
Was arbeiten die Frauen und die Männer?
Was machen die älteren Menschen?
Wohnen in deiner Welt Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben?
Einige Menschen streiten sich. Wie gehen die Leute damit um, wenn sie auf jemanden wütend sind?
Wie schaut es mit dem Essen aus?
Gibt es Leute, die Hunger haben?
Du wanderst weit herum auf deiner Welt und besuchst viele Orte.
Wie achten die Bewohner und Bewohner/innen auf die Natur und Umwelt?
Wie und wo wohnen die Leute?
Wie verbringen sie ihre Freizeit?
Welche Feste feiern sie?
Gibt es hier auch Menschen, denen wichtige Dinge zum Leben fehlen?
Wie ist der Besitz auf deiner Welt aufgeteilt?
Du siehst dich noch eine Weile um und wünschst dir noch einige Veränderungen.
Was darf auf keinen Fall fehlen?
Was muss sich auf jeden Fall ändern?
Dann verabschiedest du dich von deiner Traumwelt und gehst in Richtung des Tores.
„Du kannst jederzeit wiederkommen und deine Welt verändern,“ sagt die Gestalt aus deiner Traumwelt zum Abschied.
Dann gehst du durch das Tor und steigst auf deine Wolke. Du bist zufrieden, deine Traumwelt gefällt dir gut. Gerne denkst du noch zurück an deine Reise. Die Wolke bringt dich zurück auf die Erde. Du erkennst die Straße, dein Zuhause. Durch das geöffnete Fenster schwebt die Wolke ins Zimmer und landet auf einer weichen Decke.

Ausstiegsformel
Du bist gut gelandet.
Du spürst den Boden unter dir.
Langsam wachst du wieder auf.
Du öffnest die Augen und blinzelst.
Du bewegst deine Finger und Zehen.
Dein Körper wird wieder munter.
Langsam richtest du dich auf. 

Moonies meet Sunnies

Alter: 10-14, 14 + 
Gruppengröße: Kleingruppe, Großgruppe
Zeit: 1 Stunde

Du brauchst: Ausreichende Kopien der Kulturbeschreibungen, zwei Räume

So geht’s: So wie Obelix es ausdrückt: „Die spinnen, die Römer!“, wird sich schon manch eine/r über Gepflogenheiten in einem anderen Land gewundert haben. Weniger bewusst wird einem meist, dass die Menschen der anderen Kulturen genau dasselbe über einen selbst denken können. Dieses Spiel soll euch eine andere, amüsante Sichtweise zu Eigenheiten und Unterschieden der Kulturen bringen.

Teile die Spieler/innen in zwei Gruppen auf: Eine Gruppe sind die Moonies und die andere die Sunnies. Beide Gruppen bekommen getrennt voneinander ihre Instruktionen und dann etwas Zeit zum Üben (ungefähr zehn Minuten). Anschließend besucht zuerst eine Gruppe, dann umgekehrt. Dabei sollen sich die Spieler/innen viele Eigenheiten und besondere Verhaltensweisen merken. Geredet werden darf dabei nicht!

Nach den beiden Besuchen soll es eine Möglichkeit zur Diskussion geben, wobei folgende Fragen gestellt werden können:

  • Welche Kulturstandards, Eigenheiten wurden erkannt?
  • Wie wurde die andere Kultur empfunden?
  • Wie ist es den Einzelnen ergangen? Wie den Gruppen?
  • Welche Gefühle kamen auf?
  • Welche Rolle spielte die Gruppe für jede/n einzelne/n?

Kulturbeschreibung „Moonies“

  • Moonies begrüßen andere indem sie sich gegenseitig die Hände auf die Schultern legen und fest in die Augen schauen.
  • Moonies stehen auf einem Bein.
  • Moonies zeigen ihre Erheiterung indem sie sich am Ohr zupfen, aber niemals lachen.
  • Moonies stehen ihrem Gegenüber ständig so nahe, dass sie dessen Geruch wahrnehmen können.
  • Moonies deuten niemals mit der Hand auf etwas sondern immer mit dem Kinn.
  • Moonies sagen „ja“ indem sie mit der flachen Hand vor ihrem Gesicht hin und her wedeln.
  • Moonies sagen „nein“ indem sie sich mit der Faust auf die Brust klopfen.
  • Moonies äußern ihre Missbilligung durch ein lautes „ga-gaa“.

Kulturbeschreibung „Sunnies“

  • Sunnies begrüßen andere mit einer Verbeugung aus zwei Metern Entfernung.
  • Sunnies wenden während des Sprechens das Gesicht vom Gegenüber ab und nähern sich nur auf zwei Armlängen.
  • Sunnies betonen bei jeder Frage das letzte Wort durch größere Lautstärke. Jede andere Betonung wird als Beleidigung empfunden.
  • Sunnies zeigen Freude und Erheiterung durch Umschlingen des eigenen Körpers mit beiden Armen - und sie sind oft erheitert.
  • Sunnies sagen „nein“ indem sie den Kopf zurückwerfen und mit der Zunge schnalzen.
  • Sunnies sagen „ja“ indem sie sich mit der flachen Hand auf die Stirn klopfen.
  • Sunnies deuten niemals mit der Hand auf etwas, sondern nur mit den Lippen.
  • Sunnies zeigen ihre Missbilligung durch versteinertes Stehenbleiben.

Quelle: „Interkulturelle Kommunikation“  von Helga Losche Ziel Verlag 4. Auflage 2005

ALBATROS 

Planspiel 

Ein Experiment zum Thema „Verständnisschwierigkeiten zwischen Kulturen“

Benötigtes Material: Schüssel mit Wasser, Speise (z.B. Brot, Wafferl), 1 Mann und 1 Frau (AlbatrosianerInnen) plus Gästegruppe ab 4 Personen, die jedoch unbedingt gemischtgeschlechtlich sein muss und in der mindestens 2 Frauen sein müssten

Dauer: 45 Min. – 2 Stunden

Ziel des Spiels ist es, bewusst zu machen, dass Wahrnehmungen stark von der eigenen Kultur geprägt sind, wie gut und genau wir beobachten – oder wie schlecht. Dass wir wissen, wie wir uns verhalten sollen, ohne verbale Hinweise zu haben, dass Verhaltensweisen einen komplexen Hintergrund haben, dass Beobachtungen von den Wertvorstellungen jedes/jeder Einzelnen abhängen.

Vor Beginn: 
2 TN (Mann und Frau) stellen sich als „Angehörige des Landes Albatros“ zur Verfügung. 

(Alternativ dazu kann das Spiel auch mit 2 Spielleiter/innen (1 Mann und 1 Frau) gespielt werden, die das Spiel bereits kennen. Dazu werden die „Gäste“ beim hinausgeführt werden darüber informiert, dass sie in 3 Minuten wieder in den Raum kommen dürfen und vom albatrosianischen Paar eingeladen sind, an der Willkommenszeremonie teilzunehmen. Die Gäste werden gebeten, auf die Regeln der Gastfreundschaft zu achten und zu versuchen, den Sinn ihres Verhaltens zu erkennen. Die Frauen unter den Gästen werden gebeten, die Schuhe vor dem Betreten des Hauses der Albatrosianer/innen aus zu ziehen). 

Alle anderen sind Gäste und diese werden aus dem Raum geführt mit der Bitte, ein wenig zu warten, bis sie gebeten werden, die Albatrosianer/innen in ihrem Haus besuchen zu können. 

Vor Beginn des Spiels lässt der/die Spielleiter/in dem albatrosianischen Paar die Spielanleitung lesen. 

Während sich die beiden vorbereiten, stellt der/die Spielleiter/in für jeden männlichen „Gast“ 1 Sessel in einem „U“ auf (der Albatrosianer sitzt auf einem Sessel, der dem „U“ gegenübersteht) und bereitet Wasserschüssel, Getränke und Essen vor. 

Teil 1: Das Spiel 

Die Reiseteilnehmer/innen kommen in den Raum, in dem die Albatrosianer/innen bereits auf sie warten. Nur die Männer haben Schuhe an, die Frauen lassen diese vor der Eingangstür stehen. 

Der Albatros-Mann sitzt auf einem Stuhl, seine Frau kniet neben ihm auf dem Boden. Er hat seine Hand auf dem Kopf der Frau. Während der Pausen, die absichtlich wegen des Effekts lange anhalten sollen, beugt sich die Albatrosianerin immer wieder mit dem Kopf ein Stück nach unten! Der Albatrosianer, dessen Hand auf dem Kopf der Albatrosianerin liegt, folgt ihr nach, ohne die Verbindung seiner Hand mit dem Kopf der Frau zu verlieren, aber auch nicht, ihren Kopf nach unten zu drücken!! Es folgen einige der „Beugungen“ der Frau und der Mann folgt ihr mit der Hand. Er hat zudem Schuhe an, sie keine. 

Die erste Aktivität der Albatrosianer (vor allem des Mannes) besteht darin, die Frauen zu veranlassen, dass sie nicht auf einem Stuhl sitzen bleiben, sondern sich auf den Boden setzen. Der Albatrosianer steht, wenn nötig, dazu auch auf und bittet mit seinen Worten die Besucher/innen, die Sitzordnung herzustellen. Ebenso werden die Männer dazu gebracht, dass auch sie die Sitzordnung einhalten (sie sollen auf den Stühlen Platz nehmen. 

Diese Veranlassung und alle anderen Kommunikationsversuche während des Spiels erfolgen in einer eigenen, albatrosianischen Sprache. 

Die Albatrosianer sind ruhige, reservierte, nette und liebevolle Menschen, die ihre Gäste nicht misshandeln. Berührungen werden nur in zeremonieller Weise durchgeführt, wie z.B. bei Begrüßungen. Um daher die Gäste zu bewegen, die richtige Position einzunehmen, werden nur bestimmte Laute verwendet. 1) Zischen – bedeutet Missfallen 

2) Befriedigtes Brummen (Summen) drückt Zufriedenheit, Einverständnis,… aus 

3) Klicken mit der Zunge – heißt Achtung, Aufmerksamkeit erwünscht. Weitergabe faktischer Information.

Nun folgt die Begrüßung: 

Der Albatros-Mann steht auf und begrüßt jeden männlichen Gast der Reihe nach, indem er den Gast bei den Schultern und der Taille anfasst und sein rechtes Bein mit dem rechten Bein des Gastes reibt. 

Nach dieser Begrüßung soll sich der Gast wieder niedersetzen. 

Dann begrüßt die Albatros-Frau die weiblichen Teilnehmerinnen der Reihe nach. Sie kniet sich vor einer stehenden Frau nieder und gleitet mit ihren Händen von den Unterschenkeln bis zu den Füßen. Dann kniet sich die nunmehr „begrüßte“ Frau wieder nieder und die Albatrosianerin geht zum nächsten weiblichen Gast weiter. Die anderen Frauen verweilen in der knienden Position. 

Nach der Begrüßung tritt eine Pause ein, in der alle einfach warten. Die Albatrosianer/innen sind freundlich, aber sie zeigen ihre Gefühle während der Zeremonie durch keinen besonderen Gesichtsausdruck (z.B. Lächeln). Gäste, die während der Zeremonie lachen oder stören, werden durch ein Zischen des Albatrosianers zur Ordnung gerufen, ohne Zorn! 

Als nächstes wird eine Schüssel mit Wasser von der Albatros-Frau in den Kreis gebracht. Beginnend mit dem Albatrosianer tippen alle Männer (die Albatros-Frau geht mit der Schüssel zu jedem Mann hin) nacheinander mit den Fingern ihrer rechten Hand ins Wasser und schwenken dann graziös in der Luft, um sie zu trocknen. 

Die Hände der Frauen werden nicht gewaschen. Die Albatros-Frau kehrt für einige Minuten zu ihrem Platz zurück, ehe mit dem nächsten Teil begonnen wird und es erfolgt wieder eine lange Pause. 

Nach dem Zungenklicken des Mannes erhebt sich die Albatrosianerin und bietet jedem Mann, wieder beginnend mit dem Albatrosianer, Essen an. Sie nimmt ein wenig Speise mit ihrer Hand aus der Schüssel und stopft sie in den Mund des Mannes. 

Der Albatrosianer zeigt seine Befriedigung durch lautes Brummen und durch Reiben seines Bauches. Nachdem auf diese Weise auch alle anderen Männer von der Albatronsianierin gesättigt worden sind, werden die Frauen gefüttert, diese jedoch dürfen sich das Essen jedoch auch selbst aus der Schüssel nehmen.. 

Dann kehrt die Albatrosianerin wieder zu ihrem Platz zurück. 

Nach einer neuerlichen Pause erheben sich die beiden Albatrosianer/innen und gehen im Kreis herum, um mit den Gästen durch Zungenklicken zu kommunizieren. 

Ohne darauf hinzuweisen, wählen sie die Frau mit den größten Füssen aus. Der Albatrosmann und die Albatrosfrau verlassen nun mit der ausgewählten Frau, albatrosianisch sprechend den Raum. 

Nach ca. 10 – 15 Sekunden kommen die drei wieder herein und der/die Spieleiter/in lädt alle ein, sich im Kreis zur Reflexion zusammen zu setzen. Das Spiel ist somit beendet und die Reflexion kann beginnen.

Teil 2: Die Reflexion 

Impulsfragen zum Reflexionsablauf: 

  1. Wie habe ich mich gefühlt (in der Rolle als SpielerIn oder als Gast)? 
    1. Was könnten die Gründe für das Verhalten der beiden Leute aus Albatros gewesen sein? Was haben die Sprache, die Gesten etc. bedeutet? (Ev. auf Plakat sammeln). Als SpielleiterIn keine Antworten geben, sondern den Vermutungen freien Lauf lassen! 
    2. Auflösung: Die Erklärung wird vorgelesen. 
    3. Nach dem großen AHA-Effekt noch genau anschauen, woher die Vermutungen gekommen sind und warum sie – zumindest teilweise – so ganz in eine andere Richtung gegangen sind. (Bsp.: Mitteleuropäische Prägung: oben bedeutet mächtig, heilig, göttlich, wichtig…… und somit „sitzen“ PräsidentInnen, der Papst, Gott etc. immer oben Albatrosianische Prägung: unten bedeutet mächtig, heilig, etc. …. Und deshalb ist die Erde das Wichtige.) 

Erklärung: 

Diese wird im Laufe der Reflexion den Teilnehmenden vorgelesen (siehe Reflexionsablauf, ist nur für Spielleiter/innen und Albatrosianer/innen bestimmt) 

Das Spiel Albatros soll den Teilnehmer/innen eine Möglichkeit zur genauen Beobachtung geben: 

Obwohl von den meisten angenommen wird, dass die Frau in der albatrosianischen Kultur einen niedrigeren Stellenwert einnimmt als der Mann, ist es in Wirklichkeit umgekehrt. Die Erde ist heilig. Fruchtbarkeit wird gepriesen. Die Frauen (ohne Schuhe) sind eins mit der Erde und dürfen sie deshalb auch ohne Schuhe betreten. Die Begrüßung der Frauen konzentriert sich auf die Füße und auf den Boden. Nur die Frauen dürfen das Essen, das von der Erde stammt, zubereiten und servieren. Er isst zuerst, um seine Frau vor Schaden und Verunreinigung zu schützen. 

Der Albatrosianer folgt dem Kopf seiner Frau in der Verbeugung vor der heiligen Erde, denn damit werden beide an die Heiligkeit des Bodens erinnert und gleichzeitig hat er durch diese Tat eine direkte Verbindung zum Boden. 

Die AlbatrosianerInnen benützen nur einen kleinen Teil ihrer Sprache, da sie meistens durch Gedankenübertragung (Telepathie) kommunizieren. Es genügen wenige Laute, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. 

Ihre Lebensweise und Zeremonien genießen sie (daher die langen Pausen) und diese werden als selbstverständlich und angepasst empfunden. Die Albatrosianer/innen unterscheiden sich nicht von anderen Menschen; was sie tun, ist „normal“. 

Dass die Albatrosianer/innen die Frau mit den größten Füssen auswählen, ist eine logische Folgerung der Beziehung „Frau-Erde“. Diese Frau ist etwas besonderes und darf als erste weitere Teile des Lebens der AlbatrosianerInnen sehen und daher verlässt sie mit dem AlbatrosianerInnenpaar den Raum der Begrüßung. 

Es erscheint wichtig, dass die Teilnehmer/innen den Sprung in eine andere Kultur, die nicht erklärt oder gerechtfertigt werden muss, machen. 

Quelle: zur Verfügung gestellt von: Asylkoordination Österreich, Graben 22, 4690 Schwanenstadt, Überarbeitet 2011von Luggi Frauenberger, Dreikönigsaktion der KJS, Linz

KJSÖ, Jungschar ist für alle da.