Wie Kinder sich am Lagergeschehen beteiligen können…
Gerade die Situation des Lagers ist eine ganz besondere. Die Kinder leben eine Woche unter einem Dach, fern von den fixen Regeln und Grenzen, die ansonsten durch die Erwachsenen in ihrem Leben vertreten werden. Sie haben die Möglichkeit sich selbst damit auseinander zu setzen, was Zusammenleben bedeutet. In dieser Situation können wir als Leiterinnen und Leiter ihnen die Möglichkeit geben, zu erfahren wie es ist, selbst das „gesellschaftliche Geschehen“ beeinflussen zu können.
Auf die Fragen, wie das möglich sein kann und inwiefern ein solcher Ansatz realisierbar ist, wollen folgende Zeilen eine Antwort versuchen.
Wie weit gehen?
Die Frage, die sich bei der Überlegung nach Beteiligung der Kinder in der Lagerplanung stellt, ist natürlich in welchem Rahmen sie sinnvoll ist und wie weit Kinder zwischen 8 und 14 Jahren Planungsbeteiligung auch verantworten können. „Was Kinder wollen und was Kinder brauchen deckt sich nicht immer.“Diesen Satz habe ich des öfteren in meiner Ausbildung zur Pädagogin gehört. Aber was heißt das jetzt konkret für uns? Und vor allem, wie unterscheidet man das eine vom anderen?
Hier entsteht sicherlich der Bedarf nach viel Feingefühl, das - gemischt mit den Erfahrungen, die man als Gruppenleiter/in schon gemacht hat - zu einem guten Gefühl in solchen Fragen verhilft. Wichtig ist außerdem, dass den Kindern neben der Möglichkeit, das Lagergeschehen mitzugestalten auch ein sicherer Rahmen gegeben werden muss, an dem sie sich orientieren können und bei dem sie davon ausgehen können, dass er nicht so einfach „über den Haufen geworfen“ wird. Das kann dann zum Beispiel bedeuten, dass die Kinder bei ein bis zwei Programmpunkten Mitspracherecht haben.
Erste Schritte
Einer der ersten Schritte ist, Kindern auch das Gefühl zu geben, sie und ihre Meinung sind uns und anderen Kindern wichtig und ihnen zu zeigen, dass wir sie respektieren, anhören und ernst nehmen. Diesen Schritt werden sich viele Gruppenleiter/innen sowieso von sich aus vornehmen, auch wenn er dann in der Praxis nicht immer so leicht umzusetzen ist. Die Kinder lernen jedoch sehr viel daraus, wie wir uns ihnen und den anderen Kindern gegenüber verhalten. Dabei ergibt sich auch die Herausforderung der Vermeidung hohler Phrasen, die häufig in der Gegenwart von Kindern gebraucht werden.
Mehrheitsentscheidungen
Kinder in die Entscheidungen am Lager mit einzubeziehen bedeutet außerdem auch eine hohe Sensibilität bezüglich Minderheiten an den Tag zu legen. Schließlich soll den Kindern auch gezeigt werden, dass nicht immer nur die Mehrheit in einer Entscheidungsfindung ausschlaggebend sein muss. Um die Meinung von allen Kindern hören und auch verwerten zu können, bedarf es aufmerksamer Gruppenleiter/innen, die sich für die Meinungen der Kinder interessieren und sich diese auch merken und in der LeiterInnenrunde anbringen können, was im Alltagsgeschehen eines Lagers nicht immer leicht ist.
„Konsequenzen“ für die Gruppenleiter/innen
Kinder mitreden zu lassen ist nicht immer leicht, da dadurch vielleicht Herausforderungen und Wünsche entstehen, die sich sonst nicht eingestellt hätten. Auf der anderen Seite ist es jedoch auch eine große Chance, flexibler auf andere Menschen eingehen zu lernen und den Kindern eine große Lernmöglichkeit zu geben. Wichtig ist, dass ihr euch vor dem Lager mit den Grundlagen und den Rahmenbedingungen auseinandersetzt, die ihr diesem Versuch geben wollt und Ausmaß und Ziel festlegt (unter anderem auch mit der Frage, was mit den Ergebnissen passieren soll), dass ihr euch erwartet. Und auch hier gilt, dass auch Minderheiten gehört werden.
Konkrete Ideen
Die anschließenden Ideen sollen euch als Anstöße dienen, euch für euer Lager zu überlegen, ob ihr nicht das eine oder andere umsetzen möchtet.
Meinungen der Kinder
Die Meinungen der Kinder am Lager zu erheben und zu hören kann sowohl für die Kinder als auch für die Leiter sehr herausfordernd aber auch sehr hilfreich sein.
Lagergespräche
Finden am besten in kleineren Gruppen statt, die jeweils einem/r LeiterIn zugeteilt werden. In den Lagergesprächen können Dinge wie das Programm des Tages, die folgenden Programmpunkte, Probleme der Kinder untereinander oder Sorgen und Wünsche einzelner Kinder besprochen werden.
Meinungseinhebung
Hierunter fallen die Lagerklassiker Stimmungsplakat (ein Plakat auf dem die Kinder ihre momentane Stimmung mittels Klebepunkten zu einem fixen Zeitpunkt jeden Tag festhalten können), JÖ/PFUI-Plakat (ein neben dem Tagesplan hängendes Plakat, auf das die Kinder auf der einen Seite die Dinge schreiben können, die sie gut finden und auf der anderen Seite die Dinge, die ihnen nicht so gefallen) und Briefboxen (eine Box , die an einem für alle erreichbaren Platz aufgestellt ist, in die die Kinder als Brief formulierte Anliegen werfen können).
Besprechungen am Lager
Lagerparlament
Das Lagerparlament findet ein Mal am Tag zu einer festgelegte Uhrzeit statt, alle Kinder und Leiter beteiligen sich daran. Beim Lagerparlament werden gewesene Programmpunkte bewertet, Kommendes besprochen und Themen, die alle am Lager Beteiligten betreffen beredet. Auch hier sollte den Kindern die Möglichkeit gegeben werden, Dinge, die alle Teilnehmer/innen des Lagers betreffen, zu äußern. Mehr zum Thema Lagerparlament...
Spiele und Programmpunkte
Kinder konkret an Programmentscheidungen beteiligen lassen kann sowohl vor dem Lager (Abstimmungen in Gruppenstunden oder auf eurer Homepage) als auch am Lager konkret passieren. Zweiteres erfordert größere Flexibilität der LeiterInnen und improvisatorische Künste, kann aber eine recht spannende Herausforderung sein. Anbei findet ihr eine Idee dazu.
Ein Spiel erfinden
Hier geht es konkret darum, dass die Kinder mit Hilfe der Gruppenleiter/innen ein eigenes Spiel kreieren können. Das kann bedeuten, dass sich die Kinder in zwei Gruppen teilen und eine Gruppe für die jeweils andere etwas vorbereitet oder dass die Kinder für die Gruppenleiter/innen ein Programm vorbereiten. Wichtig dabei ist, sich mit den Kindern Grundregeln auszumachen, die für das Vorbereiten der Spiele gelten, ihnen genug Zeit einzuräumen, um die Dinge, die sie für das Spiel brauchen vorzubereiten und ihnen Gruppenleiter/innen zur Seite zu stellen, die ihnen bei Fragen,… weiterhelfen.
Liest man all diese Punkte- und es gibt noch viele Möglichkeiten mehr- so kann es sein, dass man sich mit der Fülle dieser Möglichkeiten vielleicht schon überfordert sieht. Die Kinder am Lager in direkter Form mitplanen zu lassen und sie während des Lagers in guter Atmosphäre ernst nehmen zu können ist jedoch sehr erfrischen und belebend für den Lageralltag. Werden die Kinder schon in der Planungsphase mit einbezogen ist die Vorfreude auf das gemeinsam gestaltete Lager doppelt so groß.
Sara Dallinger
[aus dem context "Lobby"]