Auf fast jedem Lager gibt es mindestens ein Kind, das Heimweh bekommt. Dieses Kind sitzt dann oft alleine im Zimmer und möchte am liebsten die Eltern anrufen, damit sie es abholen. Gruppenleiter/innen sind in solchen Situationen oft ratlos und wissen nicht, was sie tun sollen.
Was ist das eigentlich – „Heimweh“?
Meist tritt Heimweh in den ersten Tagen des Lagers auf, wenn ein Kind sich im Lagerleben mit den vielen anderen Kindern noch nicht zurechtfindet. Es merkt dann plötzlich, wie weit weg die Eltern sind, dass ihm seine vertraute Umgebung fehlt und fühlt sich ganz alleine gelassen. Es sieht, dass alle anderen miteinander Spaß haben, und wird dabei gleich noch viel trauriger.
Besonders Kindern, die das erste Mal mehrere Tage von ihren Eltern getrennt sind, kann die fremde Umgebung zu schaffen machen. Heimweh kann auch durch einen vom Kind unerwarteten Zwischenfall ausgelöst werden, etwa einen Streit mit einem anderen Kind oder eine Äußerung eines Teammitgliedes. Da fällt dem Kind mit einem Mal auf, dass es sich sehr alleine fühlt. Es möchte nach Hause, in eine Umgebung und zu Menschen, wo es sich geborgen fühlt. Deshalb zieht sich so ein Kind meistens in sein Zimmer oder Zelt zurück, rollt sich vielleicht auf seinem Bett oder in seinem Schlafsack zusammen und versucht so, wenigstens sich selbst ein bisschen Geborgenheit zu schaffen, sich zumindest bei sich selbst wohl zu fühlen. Aber natürlich ändert das an dem Gefühl, alleine zu sein, nicht viel.
Hilfen gegen Heimweh
Was kann in so einem Fall sinnvoll getan werden? Das Wichtigste ist in jedem Fall, dass sich ein/e Gruppenleiter/in um dieses Kind kümmert. Am besten der/diejenige, zu dem/der das Kind am meisten Vertrauen hat. Das ist meistens die Person, in deren Jungschargruppe das Kind ist.
Zuwendung
Zunächst einmal ist es wichtig, sich einfach zu dem Kind hinzusetzen, es – wenn das Kind das möchte – in den Arm zu nehmen und lieb und vor allem sehr ruhig mit dem Kind zu reden. Keine Angst, wenn das Kind in Tränen ausbricht. Das ist ein Zeichen dafür, dass sich das Kind nun entspannt. Es tut gut, wenn das Kind die Möglichkeit hat, sich an der Schulter des/der Gruppenleiters/in auszuweinen.
Nähe
Jüngere Kinder sind oft dankbar, wenn sie dann jemanden haben, an den sie sich anlehnen können, ein/e Gruppenleiter/in, der/die ihnen Nähe gibt und spüren lässt, dass er/sie für das Kind da ist. Es ist dabei wichtig, darauf zu achten, ob das Kind Körperkontakt möchte, z.B. umarmt und gehalten werden, oder nicht.
Wenn das Kind merkt, dass da jemand ist, der/die sich um es kümmert und dem/der es wichtig ist, dann ist der erste Schritt schon getan.
Eine große Hilfe können auch nette Personen in der Küche sein, die sich ein bisschen um das Kind kümmern. In einer Küche fühlen sich viele Kinder sehr wohl. Beim Kochen können sich leicht Gespräche entwickeln, die dem Kind zeigen, dass es gemocht wird, und das Kind hat vielleicht die Möglichkeit, mitzukochen und sich dadurch etwas abzulenken.
Ruhe
Vielen Kindern genügt es auch, wenn sie einen Nachmittag lang einfach mit einem Comic-Heft im Gruppenleiter/innen-Zimmer sitzen können – oder an einem anderen ruhigen Ort, an dem Gruppenleiter/innen anwesend sind. Wenn sie dann von jedem/r ein paar liebe Worte hören, können sie sich wohl fühlen und haben einen Raum, in dem sie Ruhe haben und doch nicht alleine sind.
Anti-Heimweh-Mittel?
Auf manchen Lagern gibt es die Tradition, dass Kinder einen Anti-Heimweh-Tee bekommen, der gegen Heimweh helfen soll. Natürlich ist nicht der Tee hilfreich, sondern die Zuwendung, die das Kind beim Teekochen und Plaudern mit dem/der Gruppenleiter/in bekommt. Deshalb empfehlen wir euch auch, solche Dinge nicht als Anti-Heimweh-Mittel zu bezeichnen, weil den Kindern dadurch das falsche Bild vermittelt wird, dass ein bestimmtes Mittel ihr Heimweh und ihre Sorgen auflösen könnte. Gerade in Hinblick auf die Suchtpräventions-Arbeit ist es wichtig, dass wir Kinder dabei unterstützen, was sie für sich tun können, wenn es ihnen schlecht geht, ohne auf verschiedene Mittel zurückzugreifen.
Natürlich spricht nichts dagegen, sich mit dem Kind gemütlich in die Küche zu setzen, Tee zuzubereiten und durch diese Betreuung das Heimweh zu mildern.
Die anderen Kinder
Meist bewährt es sich, wenn den anderen Kindern, zu denen das Heimweh-Kind guten Kontakt hat, erklärt wird, dass Heimweh etwas ist, was einfach vorkommen kann, und sie bittet zu versuchen, besonders nett zu dem Kind zu sein. Meist verstehen Kinder das sehr gut und kümmern sich auch gerne um das heimwehkranke Kind. So kann sich dieses auch wieder bei seinen Freund/innen wohl fühlen. Durch den netten Kontakt mit den anderen Kindern kann das Gefühl, alleine zu sein, auch weniger und das Heimweh geringer werden.
Wieder mitmachen
Sobald das Kind einigermaßen beruhigt ist, sollten die Gruppenleiter/innen darauf achten, dass das Kind wieder am Programm teilnimmt, damit es Kontakt zu anderen hat und durch das Programm auch wieder auf andere Gedanken kommt. Es soll aber nicht zum Mitspielen gezwungen werden! Wenn das Kind Vertrauen zu einer Bezugsperson gewonnen hat, dann macht es vielleicht zunächst nur deshalb mit, weil eben diese Person es gerne dabei hätte. Wahrscheinlich wird es mit der Zeit merken, dass das Mitmachen Spaß machen kann und fühlt sich schließlich mit den anderen Kindern wieder wohl.
Nach Hause fahren?
Oft äußern Kinder in ihrer ersten Traurigkeit, dass sie nach Hause fahren möchten. Wichtig ist, den Wunsch des Kindes ernst zu nehmen, aber nicht sofort die Fahrt nach Hause zu organisieren, sondern zuerst zu versuchen, für das Kind da zu sein und es zu trösten, damit es wieder Spaß am Lager finden kann.
In manchen Fällen kann das Heimweh so groß werden und andauern, dass das Kind das Lager nicht mehr genießen kann. Ist das der Fall, so sollte gemeinsam mit dem Kind und dessen Eltern überlegt werden, ob es sinnvoll ist, dass das Kind von den Eltern abgeholt wird. Wird diese Entscheidung getroffen, dann ist es wichtig, dass das Kind spürt, dass die Gruppenleiter/innen damit einverstanden sind.
Vorbeugen
Beim Lager-Elternabend sollten die Eltern darauf hingewiesen werden, dass häufige Telefonanrufe, intensiver Briefkontakt oder gar Besuche sehr ungünstig sind, weil sie oft das Heimweh erst auslösen bzw. verstärken, weil die Kinder dadurch daran erinnert werden, dass sie weit weg von zu Hause sind.
Wenn das Lagerteam von einigen Kindern weiß, dass sie leicht Heimweh bekommen, dann kann vorher mit den Eltern nochmals darüber gesprochen werden. Am Lager selbst ist es wichtig, dass ihr auf Kinder, die eher heimwehgefährdet sind, ein besonderes Auge habt und schaut, ob sie Kontakt zu den anderen Kindern bekommen und sich wohl fühlen.
Heimweh verhindern kann auch die beste Lagervorbereitung nicht. Wenn ihr aber darauf achtet, den Kindern gerade am Beginn möglichst viel Sicherheit und Orientierung zu geben und das Programm und den Alltag so zu gestalten, dass die Kinder Spannendes erleben, aber sich gleichzeitig auch geborgen fühlen können, dann kann vielleicht manchem Heimweh entgegen gewirkt werden.