„Aber das hab ich ja gar nicht so gemeint...“

Wir, die für dieses kumquat Texte schreiben oder sie hier lesen, sind uns mit Sicherheit einig: Wir wünschen uns eine Welt, in der Rassismus nicht vorkommt. Wir möchten uns dafür einsetzen, dass niemand aufgrund seiner*ihrer Herkunft oder des Aussehens benachteiligt wird. Der erste Schritt zu diesem Ziel ist meistens der schwierigste und beginnt – wie so oft bei einer Veränderung – bei uns selbst.

Wir, die diesen Text lesen, sind auch zu einer hohen Wahrscheinlichkeit weiß und nicht negativ von Rassismus betroffen. Auch wir, die dieses Kumquat schreiben, sind weiß – eine Problematik, derer wir uns bewusst sind. Leider gibt es im Kreis der Schreibenden (noch) keine Person of Colour. Die Jungschar ist insgesamt ein sehr weiß geprägtes Umfeld, wenn wir das auch gerne ändern wollen, ist es im Moment trotzdem leider noch so.

Wir wissen seit unserer Kindheit, dass Rassismus etwas Schlechtes ist und wir demnach keinesfalls rassistisch sein möchten. Es hält sich unter uns aber hartnäckig die Annahme, so beschreibt es Tupoka Ogette, Autorin von „exit racism“, dass Rassismus etwas mit Vorsatz zu tun hat: „Damit man etwas rassistisch nennen kann, muss es mit Absicht gesagt oder getan worden sein“. Das bedeutet also im Umkehrschluss: Wenn ich es nicht böse gemeint habe, dann ist der Rassismusvorwurf, den ich erhalten habe, eine Beleidigung!

Rassistisch? Ich?

Was dann passiert, ist oft eine Abwehrhaltung oder sogar ein „Gegenangriff“. Dennoch sind es die für uns weiße Personen kaum merkbaren, ständig wiederkehrenden alltagsrassistischen Situationen, Handlungen und Aussagen, die sich in Summe auswirken und eine Schwarze Person bzw. BIPoC Rassismus spüren lassen – Stichwort „micro aggressions“. Und in diese Fallen tappen wir weiße Personen, auch wenn wir es nicht beabsichtigen, immer wieder.

Rassismus-Fallen in der Jungschararbeit

Für uns als Gruppenleiter*innen ist es wichtig, insbesondere Motto-Aktionen wie „Weltreise“, Jungscharlager-Themen, Faschingsfeiern besonders sensibel zu planen. Gerade dabei wird noch oft mit allen Klischees gearbeitet, die es so gibt. Von „exotischen Inselbewohner*innen“ mit Kokosnuss-Oberteil übers klassische „Ind**ner*innen-Kostüm“ bis hin zu nachgemachten Akzenten bestimmter Nationalitäten beim Rollenspiel – alles schon erlebt, alles schon mal selbst reproduziert. Auch wenn diese Kostüme oder Spiele gut gemeint sind, so verfehlen sie doch das Ziel, denn sie sind verletzend und diskriminierend. Seit der Kolonialzeit werden Indigene, Schwarze und Person of Colour als minderwertig abgetan, ihre Sprachen verlacht und ihre Kulturen als „wild und primitiv“ bewertet und plötzlich verkleiden sich Kinder – nämlich so, wie diese Menschen wahrgenommen werden, also als primitive und lächerliche Darstellung von BiPoC. „Kostüme, welche unserer Meinung nach aus dem Sortiment verschwinden sollten, sind Baströcke, Perücken mit Afros und Locs oder Spitzhüte (Verkleidung als „Chines*innen“), ebenso Verkleidungen, die ein Klischee von Roma und Sinti darstellen sollen. Die Liste ist aber durchaus länger“, so die Autorinnen des Buches „Gib mir mal die Hautfarbe“.

Bei Rollenspielen in verschiedene Rollen zu schlüpfen und jemand anderen spielen, macht Spaß, ist kreativ und lustig. Manchmal kann man dabei in die Falle tappen und bestimmte Menschen sehr stereotyp darstellen, ihnen klischeehafte Elemente verleihen. Da ist es wichtig, sensibel vorzugehen und zu überlegen, welche Elemente wir wem zuschreiben und wie wir andere Menschen darstellen. Am besten wir überlegen uns Fantasieländer, wo jemand vielleicht herkommt – und verzichten auf Akzente oder gebrochene Sprache.

Achte also bei der Wahl des Themas für das Jungscharlager oder für Faschingsfeiern darauf, dass es keine Menschengruppe diskriminiert (oder diskriminieren könnte) – es gibt so viele andere Themen, wo ihr nicht so leicht in Versuchung kommt euch „unpassend“ zu verkleiden, „Walparty“ zum Beispiel!

Ebenso sollten wir beim Sternsingen auf einen sensiblen Umgang achten. Dabei geht es einerseits darum, wie wir über unsere Projektpartner*innen und die Menschen in Projekten sprechen. Allzu oft werden sie als passive, handlungsunfähige und (von uns) abhängige Menschen beschrieben. Sätze wie „Wir müssen denen helfen“ gehen leicht über die Lippen. Die tatsächliche Komplexität der Zusammenhänge in so kurzen Interaktionen zu beschreiben, ist hingegen sehr schwierig.

Andererseits sprechen wir beim Sternsingen auch über die heiligen drei Könige, die ja bekanntlich (so die Tradition, in der Bibel ist nichts dazu zu lesen) aus unterschiedlichen Weltgegenden kamen – das Schminken von Hautfarbe war deshalb eine Tradition, die viele schon abgelegt haben, denn solche Darstellungen können Menschen (ähnlich wie bei Faschingskostümen) verletzen und diskriminieren – ganz ohne unsere böse Absicht dahinter.

Wenn ihr euch unsicher seid, recherchiert, lest Bücher, hört Podcasts, geht in den Dialog, fragt Expert*innen... Ihr müsst nicht alles wissen!

Literaturtipps:

  • „Exit racism“, Tupoka Ogette (gratis auf Spotify zum Anhören!)
  • Gib mir mal die Hautfarbe, Olaolu Fajembola und Tebogo Nimindé-Dundadengar (im Jungscharbüro am Stephansplatz zum Ausborgen)

Tipps für den Jungscharalltag und fürs Jungscharlager

Oft sind Diskriminierungen und Alltagsrassismus nicht auf den ersten Blick als solche erkennbar. Es ist deshalb wichtig, gerade Bilderbücher, Geschichten, Lieder oder Filme nach einigen Blickpunkten genauer zu betrachten.

Sprich mit den Kindern über Unterschiede im Aussehen von Menschen, beantworte Fragen, die sie haben, erkläre ihnen, warum manche Menschen eine Schwarze Hautfarbe haben und andere eine weiße oder warum manche Frauen einen Hijab (Kopftuch) tragen und andere nicht. Wichtig dabei ist, dass du nicht aufgrund des Äußeren von andern mutmaßt, woher sie vielleicht kommen (könnten). Mach dabei auch nie Essensvergleiche, wenn du die Hautfarbe von anderen beschreibst.

Achte bei der Auswahl von Büchern, Medien und Spielsachen darauf, dass BiPoC genauso wie weiße Menschen vertreten sind. Schau darauf, dass auch bei Spielsachen wie (Hand-) Puppen oder Duplofiguren unterschiedlich aussehende Menschen repräsentiert sind. Hier kannst du eine Liste von Kinderbüchern finden, die Hauptcharaktere mit nicht weißer Hautfarbe haben. Auch bei der Auswahl von Filmen oder sonstigen Medien, die ihr gemeinsam anschaut, achte auf eine ausgewogene Besetzung.

Wenn du mit den Kindern bastelst, kannst du Hautfarben-Buntstifte dazulegen. Benenne dann auch die Farben so, wie sie aussehen und bezeichne Schweinchenrosa nicht etwa als Hautfarbe.

Erzähle Kindern Geschichten mit unterschiedlichen Charakteren oder lies ihnen solche vor! Singe mit Kindern keine Lieder mit rassistischen Inhalten! Überlege dir also vorher immer, welche Musik du wählst, welche Lieder ihr singt und so weiter. Gerade in Kinderliedern oder -sprüchen werden oft äußerst rassistische Inhalte transportiert. Manchmal fällt uns das gar nicht mehr auf, weil wir die Lieder schon seit unserer Kindheit kennen, wie zum Beispiel die „3 Chinesen mit dem Kontrabass“, doch warum bleibt die Polizei da stehen? Die Chines*innen müssen gefährlich sein, lernen Kinder bei diesem Lied. Andere sind noch offensichtlicher problematisch, wie z.B. „Zehn kleine N****lein“.

Sprich rassistische Situationen, Darstellungen, Aussagen, Handlungen (auch wenn sie außerhalb der Gruppe passieren) offen an und positioniere dich klar dagegen. Das hilft den Kindern kritisch auf die Welt zu schauen und Rassismus zu erkennen und entlarven. Außerdem zeigt es ihnen, dass man gegen Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen aufstehen kann und soll.

Das waren mal ein paar Tipps für dich, die GL-Runde und deine Kinder. Zwei gute Checklisten, worauf bei interkultureller Themen-, Lied- und Kostümauswahl geachtet werden sollte, gibt es im Buch „Gib mir mal die Hautfarbe“.

Kathi Bereis und Johanna Walpoth

kumquat "Antirassismus" - 1/2022