Über Herausforderungen und Chancen gemischtaltriger Gruppen
Am Lager ist der Umgang mit Kindern verschiedener Altersgruppen Alltag für viele von uns. Etliche Gruppenleiter/innen haben aber auch unter dem Jahr gemischaltrige Gruppen und stehen damit vor Herausforderungen, die Leiter/innen gleichaltriger Kindergruppen nicht haben. Schön, dass solche Gruppen nicht nur besondere Anforderungen stellen, sondern auch Chancen eröffnen!
Unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden
Egal, wie alt die Kinder einer Gruppe sind, gilt es als Leiter/in immer, verschiedenste Interessen in den Gruppenstunden unter einen Hut zu bringen. Ist die Altersspanne der Kinder sehr groß – etwa wenn Volksschulkinder und Kids (11- bis 14-Jährige), aus der Hauptschule oder dem Gymnasium in einer Gruppe sind – so unterscheiden sich die Bedürfnisse altersbedingt noch mehr. Für uns Gruppenleiter/innen bedeutet das, die Gruppenstundenthemen an die Wünsche unterschiedlicher Altersgruppen anzupassen. Natürlich ist das mit einem gewissen Mehraufwand verbunden – ein neues Spiel überlegen, unterschiedliche Fragen ausdenken, … - allerdings macht es sich auch bezahlt:
Zum einen fühlen sich die jüngeren Kinder in der Stunde nicht überfordert. Überforderung kann bei den Kindern leicht zu „Langeweile“ oder Stress führen – beides unangenehme Gefühle, die meist in Konflikten untereinander ihr Ventil finden.
Zum anderen fühlen sich die Älteren nicht unterfordert. Finden Kids über einen längeren Zeitraum keine altersadäquate Beschäftigung, so kann das auch bei ihnen zu Streit untereinander führen oder sie bleiben mit der Zeit weg und suchen anderswo nach einer für sie passenderen Gruppe.
Der große Unterschied
Was sind die großen Unterschiede zwischen den Interessen der Jüngeren und der Älteren? Je jünger die Kinder sind, desto mehr steht ihr Bewegungsdrang im Vordergrund. Eine Stunde in einem Raum zu sitzen oder über ein Thema zu diskutieren, verlangt ihnen (zu) viel an Konzentration ab, die sie in dem Alter entwicklungsbedingt noch nicht aufbringen können. Es gilt also, die Lust an der Bewegung nicht einzuschränken, bewegte Spiele – z.B. am Beginn oder Ende der Gruppenstunde – sowie kleinere Einheiten zu planen, die ihrer Konzentrationsfähigkeit entgegenkommen. Sind deine älteren Kids schon etwas „bewegungsfauler“ geworden, so kannst du sie möglicherweise mit netten Spielgeschichten wieder in Bewegung bringen oder aber, indem du ihnen bei den Spielen eine besondere Rolle zukommen lässt, sei es, dass sie ein Spiel für die Kleineren erklären dürfen oder besondere Herausforderungen bei einem Spiel bekommen.
Ältere Kinder – gerade auch zu Beginn der Pubertät – haben vielleicht eher das Bedürfnis, sich untereinander „über Gott und die Welt“ auszutauschen, zu plaudern, herumzu“knotzen“ und angeregt zu diskutieren. Dinge, die früher „in“ waren, werden für sie nach und nach „kindisch“ und daher z.T. von ihnen abgelehnt. Wichtig ist hier, den Älteren die Möglichkeit zu geben, sich auszutauschen und für sie spannende Themen zu besprechen. Ist ein Thema für die Jüngeren weniger geeignet oder langweilig, so kann es sinnvoll sein, hier Kleingruppen oder andere Formen der Gruppen zu bilden – mehr dazu in Kürze.
Rücksicht nehmen
Egal, wie eine Gruppe zusammengesetzt ist, es wird nie möglich sein, auf die Bedürfnisse aller Kinder gleichzeitig einzugehen. Das ist normal so und es ist auch ein wichtiger Lernschritt für Kinder zu sehen, dass manchmal ihre Interessen im Mittelpunkt stehen, ein andermal aber auch die von anderen Kindern. Mitglied einer gemischtaltrigen Gruppe zu sein, heißt also auch, auf die andere Altersgruppe Rücksicht nehmen zu lernen – neben den eigenen Interessen also auch die Interessen anderer mitzubedenken.
Das Schauen auf andere muss aber nicht zwangsläufig nur mit Verzicht oder Zurückstecken der eigenen Wünsche verbunden sein. Gerade bei Kids ist es immer wieder zu beobachten, dass diese ihre Rolle als die „Erfahrenen“, „Älteren“ auch schätzen und diese gegenüber den „Jüngeren“ auch gerne wahrnehmen. Denn sie können viele Dinge schon (besser), die die Jüngeren erst erlernen müssen - und hier ist ihre Hilfe gefragt: Beim Basteln können sie den Jüngeren hilfreich zur Seite stehen, beim Klettern hinauf helfen, bei der Lösung eines Rätsels Hilfestellungen geben oder vielleicht auch schon einmal helfen, wenn ein Konflikt zwischen zwei Jüngeren zu lösen ist. Das Erleben, dass das eigene Können gefragt ist, kann für Kids in der Jungschar- oder Minigruppe eine ganz besondere Erfahrung und Chance sein.
Wichtig ist dabei für uns Gruppenleiter/innen, die Kids jedoch nicht mit zu viel Verantwortung zu überfordern – sie sind als Ältere ebenso Teil der Gruppe wie die Jüngeren und können und sollen keine Leitungsfunktion übernehmen.
Konkrete Tipps zum Ausprobieren
Welche Möglichkeiten gibt es, im Programm auf alle Altersgruppen Rücksicht zu nehmen? Im Folgenden findest du einige Vorschläge, wie ein Programm verändert oder angepasst werden kann. Wenn ihr mehrere Gruppenleiter/innen seid, dann könnt ihr euch die Vorbereitung für unterschiedliche Programmpunkte aufteilen. Wenn du die Gruppe alleine leitest, bedeuten diese Varianten natürlich einen Mehraufwand für dich – wir hoffen aber, dass sich dieser Aufwand wirklich lohnt und dir die Überlegungen vor der Stunde das Tun mit den Kindern in der Gruppenstunde erleichtert.
Spiele & Themen adaptieren
Bei Spielen kannst du dir grundsätzlich überlegen, welche (neuen) Herausforderungen es für die Älteren bzw. welche einfacheren Varianten es für die Jüngeren geben kann:
Spielt ihr etwa gerne „Abschießen“, so sind hier die Jüngeren aufgrund ihrer Entwicklung meist stark benachteiligt – und verständlicherweise dann auch schnell frustriert. Hilfreich wäre es also, das Spiel so umzugestalten, dass die guten Spieler/innen eine neue Herausforderung bekommen (z.B. auf einem Bein stehen, mit der ungeübten Hand werfen, etc.). Außerdem ist es gut, ein Prinzip einzuführen, das den abgeschossenen Kindern ermöglicht, weiter mitzuspielen (z.B. darf der/die erste wieder ins Feld, sobald eine zweite/dritte Person abgeschossen wurde – so sind nie mehr als ein/zwei Kinder am Rand).
Bei Themen geht es u.A. darum, Fragestellungen oder Aufgaben für die unterschiedlichen Altersgruppen verständlich bzw. attraktiv zu gestalten. Wenn du Situationskärtchen mit fiktiven Beispielen verwendest, so wird es wichtig sein, Situationen aus der Lebensrealität beider Altersgruppen anzubieten, damit das Thema für alle Gruppenmitglieder interessant bleibt.
Manchmal wird es auch nötig sein, Methoden für die Jüngeren oder Älteren zu adaptieren: Während ein freieres Rollenspiel, in dem wenig Handlung vorgegeben ist, für Kids spannend sein kann, wird es etwa für die Jüngeren sinnvoll sein, ihnen ein Gerüst an Personen, Handlungssträngen usw. vorzugeben, an dem sie sich anhalten können.
Kleingruppen bilden
Gerade, wenn ihr zu zweit eine Gruppe leitet, kann es sinnvoll sein, die Kinder phasenweise nach Alters- und Interessensgruppen in zwei Kleingruppen zu teilen. Wichtig ist, dass solche Trennungen in einer Gruppenstunde nicht strikt sind, sondern Ältere und Jüngere prinzipiell die Möglichkeit haben, auch beim jeweils „anderen“ Programm mitzutun, wenn ihnen dieses mehr liegt.
Leitest du die Gruppe alleine, so ist das Aufteilen in Kleingruppen dann möglich, wenn du zu einem Thema etwas vorbereitest, mit dem sich die zweite Gruppe (in dem Fall eher die Älteren) in der Zeit gut alleine beschäftigen kann. Das kann etwas Kreatives sein, das die Kids in einer Kleingruppe gemeinsam gestalten, ein Rollenspiel, das vorbereitet wird, eine Collage, die die Älteren zu einem bestimmten Thema machen oder auch einmal die Möglichkeit, in einer gemütlichen Ecke Musik zu hören und einfach miteinander zu plaudern.
Projekte für Kids
Oft sind es die älteren Kinder, die in einer gemischtaltrigen Gruppe mehr zurückstecken müssen und dann nach und nach wegbleiben. Wenn du das Gefühl hast, dass es in der Gruppenstunde für dich schwierig ist, die Interessen der Älteren stärker in den Mittelpunkt zu stellen, und/oder wenn du dir vorstellen kannst, zusätzlich zur Gruppenstunde etwas anzubieten, dann kannst du zusammen mit ihnen ein Projekt, wie das Ausmalen des Jungschar-Raumes starten oder ihr geht mal gemeinsam ins Kino.
Wichtig ist dabei, solche Aktionen nicht als besonders „exklusiv“ anzukündigen, um keinen Neid bei den Jüngeren zu schüren, wenn sie hier nicht dabei sein können. Als Ausgleich ist es fein, auch immer wieder eine Aktion nur für Jüngere zu machen, in der besonders auf ihre Interessen eingegangen werden kann (z.B. ein Besuch im Tiergarten oder im ZOOM Kindermuseum).
Bedürfnisse ernst nehmen
Falls du dich nun vor dem großen Arbeitsaufwand fürchten solltest, den du hast, wenn du für Jüngere und Ältere passendes Programm anbieten willst, dann möchte ich dich beruhigen: Das zentrale ist nicht das besondere Extra-Programm oder die Extra-Aktion, sondern das Bewusstsein, eine besondere Gruppenkonstellation zu haben – Kinder unterschiedlichen Alters, die deshalb manchmal sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben. Wenn du dieses Bewusstsein in die Gruppenstunde mitnimmst, die Wünsche oder den Ärger der Kinder verstehst, wenn gerade einmal ihre Interessen zu kurz gekommen sind, und sie spüren lässt, dass du es zu schätzen weißt, wenn sie bereit sind, Kompromisse einzugehen, dann ist das Wichtigste geschehen: alle Kinder in ihren besonderen Bedürfnissen ernst zu nehmen.
Sandra Fiedler
aus dem kumquat "Kinderrechte" 4/2009