Zum Umgang mit Klischees und Vorurteilen als Gruppenleiter/in
Das Wort „Rassismus“ kommt in meinem Alltag nicht so oft vor, aber doch immer wieder. Auf mich selbst beziehe ich es aber nie - rassistisch sind immer die Anderen. Die, die finden, dass Menschen mit einer anderen Hautfarbe für bestimmte Jobs nicht in Frage kommen. Oder die, die in Schulen eigene Klassen für die „langsameren“ Kinder mit Migrationsgeschichte fordern. Auch die, die sich in der U-Bahn nicht neben jemanden mit Turban setzen wollen. Jedenfalls alle, die eindeutig klar machen, dass ihrer Meinung nach nicht alle Menschen gleich viel wert sind.
Aber ich? Sicher nicht! Ich bin ja überzeugt davon, dass all das Blödsinn ist. Ich finde, alle Menschen haben, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und allen anderen möglichen und unmöglichen Kriterien, den gleichen Respekt und die gleiche Anerkennung als Individuum verdient.
Mein eigener Alltags-Rassismus
Und dann kommt es zum Jungschar-Lager. Beim allseits beliebten Detektiv-Spiel werde ich als Putzfrau besetzt. Bis ich beim Rollen-Spielen in meine Rolle gefunden habe, dauert es wie immer ein bisschen. Und ich ertappe mich dabei, wie ich meiner Raumpflegerin ein sehr gebrochenes Deutsch verpasse. Sie vielleicht auch noch als recht dämlich darstelle.
Ähnliches erlebe ich an mir selbst, wenn ich bei einem anderen Spiel von einem Wüstenplaneten komme und plötzlich auf alle möglichen arabischen Klischees zurückfalle, oder an Freunden, die als Mexikaner auftreten, die unter ihren Sombreros nur schlafen.
Wenn ich da genauer hinhöre, packt mich ein gewisses Unbehagen. Ich weiß doch eigentlich über die Kultur, deren Vertreter/in ich darstelle, wenig bis gar nichts. Die platten, stereotypen Eigenschaften nutze ich, damit die Kinder mich zuordnen können. Aber gleichzeitig transportiere ich die Klischees eben auch weiter. Ich festige das Bild vom faulen Mexikaner, von der Putzfrau, die kein Deutsch kann, in meinem Kopf - und auch in den Köpfen der Kinder.
Genau das wird als Alltagsrassismus bezeichnet – ohne darüber nachzudenken haben wir bestimmte Bilder im Kopf, die Menschen zB aufgrund ihrer Herkunft oder Hautfarbe alle möglichen Eigenschaften zuschreiben. Je fester diese vorurteilsbehafteten Bilder in unseren Köpfen verankert sind, desto eher erwarten wir, dass die Welt dann auch wirklich so ist. Die Welt ist aber nicht so einfach, wie uns das unsere Vorurteile oft glauben lassen: Menschen sind eben keine Stereotype, sondern Individuen. Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte und ist nicht nur „Vertreter/in seiner/ihrer Kultur“.
Wie gestalte ich meine Rollen?
Was will ich den Kindern denn eigentlich mitgeben, wenn ich in „fremde“ Rollen schlüpfe? Ich wünsche mir, dass die Kinder in meiner Gruppe sehen, wie viel Spaß man dabei haben kann, sich in andere hineinzuversetzen. Ich will, dass sie einen respektvollen Umgang miteinander und mit der Vielfalt der Welt lernen.
Wie schaffe ich das, möglichst ohne alltagsrassistische Bilder mitzutransportieren?
- Ist es für die Handlung wichtig, dass ich aus einem realen Land komme? Es ist oft sogar einfacher, Spaß mit Vielfalt zu haben, wenn Figuren aus Fantasieländern zu uns reisen.
- Gerade bei der Besetzung von Bösewichten ist es wichtig, darauf zu achten, keine kulturellen Zuschreibungen zu treffen. Der/die Böse muss nicht unbedingt fremd sein!
- Ich versuche, ab jetzt beim Rollenspielen nicht mehr jedes einzelne Klischee zu bemühen. Auch die Person, die ich spiele, kann eine persönliche Geschichte haben, die sie plastischer macht – und vom platten kulturellen Klischee abhebt.
- Wenn ich einen Menschen einer anderen Kultur darstelle, versuche ich, das respektvoll zu machen – und ihn/sie nicht möglichst „fremd“ wirken zu lassen. Außerdem will ich mir selbst Lernchancen eröffnen – vielleicht finde ich ja, bevor ich in die Rolle schlüpfe, noch ein paar Dinge über die Kultur heraus, die sich außerhalb der klassischen Stereotype bewegen?
Nani Gottschamel
kumquat "alle anders - alle gleich!" 3/2015