Jungschar heißt: Kinder stark machen

Gruppenleiter*innen wenden viel Energie auf, um Jungschar als einen Ort zu gestalten, wo alle Kinder willkommen sind und sich alle Kinder wohlfühlen können, egal ob frech oder ruhig, arm oder reich, blond oder brünett – oder vielleicht in keine dieser Kategorien passend. 

Im besten Fall orientierst du dich an den Bedürfnissen all dieser Kinder und ermöglichst ihnen tolle Erlebnisse, die auch Jahre später noch nachwirken. Aber nicht immer sind die Bedürfnisse aller Kinder gleich gut abdeckbar, vor allem dann nicht, wenn diese nicht sichtbar oder sogar versteckt sind.

So ein unsichtbares Thema ist Kinderarmut. Fast jedes fünfte Kind in Österreich ist von Kinderarmut betroffen. Diese Statistik ändert sich seit Jahren kaum. Diese hohe Zahl bedeutet auch, dass in der Jungschar, als die größte Kinderorganisation Österreichs, viele armutsgefährdete Kinder betreut und begleitet werden. Gerade für Kinder, die armutsbetroffen sind oder aus armutsbetroffenen Familien stammen, kann Jungschar zu einer Ressource werden, die sie auch über die Gruppenstunden und Lager hinaus stärkt. Ansätze, wie das gut gelingen kann, haben wir hier für euch zusammengefasst.

Die Soziologinnen Ingrid Kromer und Gudrun Horvat haben Kinder selbst gefragt, was „Armut“ für sie bedeutet. Natürlich kommt die offensichtliche Antwort (nämlich „kein Geld haben“). Die Kinder nennen aber auch eine zweite, gefühlsbetonte Ebene, beschrieben als „mutterseelenallein sein“, „ausgeliefert sein“ und „verletzbar sein“.

Der Umstand, dass die Eltern armutsbetroffener Familien oft besonders viel arbeiten müssen, um ihre Kinder zu versorgen, bedeutet, dass Erziehungsberechtigte neben wenig Geld auch wenig Zeit für Freizeitaktivitäten mit ihren Kindern haben und diese Kinder oft ein weniger enges soziales Netz haben, da kostspielige Ausflüge und Hobbies, Geburtstagsfeiern (mit Geschenken) mit Freund*innen etc. nicht möglich sind. Umso wertvoller ist es für solche Kinder, wenn es in ihrer Freizeit verlässliche Bezugspersonen wie euch Gruppenleiter*innen gibt, die mit ihnen Zeit verbringen und für sie da sind. Konkret bedeutet das, sich für die Kinder und ihre Umstände zu interessieren, ihnen zuzuhören, sie ernst zu nehmen und ihnen wertschätzende Aufmerksamkeit entgegenzubringen.

In Schule und Gesellschaft spielen Trends oft eine wichtige Rolle. Wenn Kinder gewisse Markenkleidung oder Spielsachen nicht haben, sind sie schnell einmal „out“. Als Gruppenleiter*in kannst du durch die Auswahl des Programms und der Themen, denen du viel Bedeutung beimisst, dazu beitragen, dass in der Gruppe Akzeptanz, Vielfalt und Empathie gelebt werden.  Das kann durch ein gemeinschaftsförderndes und vielfältiges Programm in der Gruppenstunde geschehen, das die „Verherrlichung von Konsumgütern“ mitunter ganz bewusst hinterfragt oder bewusste Gegenpositionen einnimmt. Wenn dir das gut gelingt, fühlen sich nicht nur Kinder aus armutsgefährdeten Familien wohl, sondern alle. So ist für jeden Typ von Mensch etwas dabei, was er*sie gut kann oder gerne macht und es stehen nicht immer dieselben Kinder im Mittelpunkt. Alle merken, dass sie sich gegenseitig gut ergänzen und unterstützen können.
Solche Erlebnisse tragen dazu bei, dass Kinder immer mehr zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen, in der alle mit ihren Stärken und Schwächen willkommen sind, und dass Kinder Jungschar als einen Ort erleben, an dem es nicht wichtig ist, was man hat.

Jungschar heißt: Teilhabe ermöglichen

Oft ist es Kindern aus armutsbetroffenen Familien nicht möglich, Urlaube zu erleben, bei Schulausflügen teilzunehmen oder anderen kostspieligen Aktivitäten mitzumachen. Umso schöner kann ein Aufenthalt am Jungscharlager sein. Möglichkeiten, um ein Jungscharlager für alle Kinder leistbar zu machen, wären z.B. Preis zur Selbsteinschätzung beim Jungscharlager anbieten. Das heißt, dass ihr einen Bereich rund um den kostendeckenden Lagerbeitrag angebt, in dem die Familien selbst einschätzen können, wie viel sie für das Jungscharlager zahlen können und wollen. Somit können Kinder aus armutsgefährdeten Familien zu den Mindestkosten mitfahren und wohlhabendere Familien anderen die Teilnahme ermöglichen, indem sie einen höheren Preis bezahlen.

Kostengünstige Jungscharlager in der Pfarre und Umgebung durchführen. Oft sind die Übernachtung und die Anreise die teuersten Posten eines Jungscharlagers. Anstatt weit fortzufahren und ein Lagerquartier zu mieten, kann man auch ein Tagesprogramm rund um die Pfarre gestalten. Die Kinder kommen in der Früh zur Pfarre. Die Gruppenleiter*innen machen mit den Kindern untertags Geländespiele, Bastelworkshops, Theaterspiele und vieles mehr – das alles inklusive Mittagessen und rundherum Verpflegung. Danach werden die Kinder wieder abgeholt und schlafen daheim, um am nächsten Tag wieder bei der Pfarre oder in der Umgebung ein cooles Lagerprogramm zu erleben.
Die Pfarre um Unterstützung bitten. In jeder Pfarre gibt es nicht nur eine Pfarrcaritas, die sich um Menschen mit unterschiedlichstem Unterstützungsbedarf kümmert, sondern es sind auch budgetäre Mittel für Kinder- und Jugendpastoral vorgesehen. Nehmt Kontakt mit den Zuständigen in eurer Pfarre auf und überlegt gemeinsam, ob es eine Art pfarrlichen Unterstützungsfonds für Kinder aus finanziell benachteiligten Familien geben kann oder ob die Pfarre euch mit einem Pauschalbetrag, bspw. bei der Finanzierung der Fahrtkosten zum Jungscharlager, unterstützt.

Jungschar heißt: Einfach Kind sein!

Allein schon der Fakt, dass Jungschar gratis ist und bleibt, gehört immer wieder betont und gefeiert! Egal was sonst so im Leben der Kinder passiert, hier haben sie einen Ort, wo sie einfach Kind sein können, ohne etwas leisten zu müssen. Hierfür darfst du dir und deinen Co-Gruppenleiter*innen kräftig auf die Schulter klopfen.

Wenn dich das Thema Kinderarmut interessiert und du dich noch mehr damit beschäftigen möchtest, schau auf unsere Website https://wien.jungschar.at/kinderrechte-lobby/kinderarmut (dort findest du auch die zu Beginn erwähnte Studie) oder finde in unserer Modelldatenbank Gruppenstunden, Bausteine und Messmodelle zu diesem Thema.

Michelle Hauer und Valeria Plohovich

kumquat “Energie” - 1/2023