Gib das Feuer weiter…
… aber mit Bedacht!
Traditionen haben ihre Berechtigung, trotzdem ist es wichtig sich immer wieder ins Bewusstsein zu rufen, was sie mit uns tun!
Wozu brauchen wir Traditionen?
Traditionen können brennen wie Flammen und lebendig weitergegeben werden. Traditionen und Rituale geben einem/r Sicherheit und Orientierung. Wenn ich weiß, was die Traditionen und Riten in meiner Pfarre sind, lerne ich schneller mich zurecht zu finden, sowohl als Pfarrverantwortliche/r, als Gruppenleiter/in, aber auch als Kind.
In der Jungschar, einer Organisation die es schon mehr als 60 Jahre lang gibt, gibt es sehr viele Traditionen und die sehen auch überall anders aus. Traditionen stiften Identität. Alles was wir tun, steht in einem Kontext und diesen sollte man nie aus den Augen verlieren. Denn wenn wir all unsere Traditionen abstreifen würden, würden wir auch einen Teil unserer Identität verlieren.
Es gibt auch Traditionen, die schon sehr lange existieren und wir überhaupt nicht mehr darüber nachdenken, warum es diese gibt und wozu sie überhaupt da sind. Sie sind oft unsichtbar. Wir leben unsere Traditionen ohne dies bewusst zu tun.
Manchmal fällt uns erst nach Jahren auf, dass diese Tradition eigentlich nicht mehr zu uns passt, trotzdem führen wir sie weiter.
Dann ist es Zeit über diese Tradition nachzudenken und zu überlegen, ist diese Flamme noch wert weiter getragen zu werden, oder ist sie eigentlich schon Asche, und man sollte diese Tradition fortkehren und sich überlegen, was wir stattdessen machen können. Wir sollten nie vergessen, dass Traditionen immer auch veränderbar sind.
Fragen zu Traditionen sind relevant in der gesamten Arbeit mit Kindern, schließlich machen wir Jungschar, weil wir wollen, dass Kinder dort sein können, wie sie sind, weil wir wollen, dass sie sich dort sicher und geborgen fühlen, weil wir wollen, dass sie mit Gruppenleiter/innen und Kinder Spaß haben können. Traditionen können implizit und explizit andere ausschließen, oder funktionieren gerade dadurch, dass eine/r der/die Verlierer/in ist, oder dass man auf Kosten anderer Spaß hat. Genau das wollen wir in der Jungschar aber vermeiden. Jungschar ist für alle da, das heißt also auch für die Schwächsten in der Gruppe, es ist nicht das Ziel von Jungschararbeit auf Kosten derer Spaß zu haben. Natürlich kann man es sich durch solche Traditionen sehr einfach machen, denn der scheinbare Unterhaltungswert ist groß und schweißt die „Profiteure“ dieser Tradition eng zusammen.
Du als aufmerksame/r Gruppenleiter/in/Pfarrverantwortliche/r kannst solchen „Traditionen“ aber den Gar ausmachen. Du hast die Verantwortung, dass es deinen Kindern und Gruppenleiter/innen gut in der Jungschar geht.
Erste Voraussetzung um solchen Traditionen Einhalt zu gebieten ist das Sensibilisieren. Natürlich muss man um eine Tradition stoppen zu können, erst erkennen, welche Traditionen für die Gruppe hinderlich sind, und welche förderlich. Dann ist natürlich auch der Rest der Gruppenleiter/innen-Runde gefragt. Erst wenn ihr alle dahinter stehen könnt, dass diese Tradition nicht mehr sinnvoll ist, erst dann könnt ihr sie auch abbrechen. Wenn ihr nicht alle hinter dieser Entscheidung steht ist es natürlich schwer, auch den Kindern zu vermitteln, dass ihr diese Tradition nicht mehr gut findet.
Ich hoffe dieser Artikel hilft euch eure Augen für gute und schlechte Traditionen offen zu halten und gibt euch auch Mut, wenn euch Traditionen nicht passen, diese Bedenken offen auszusprechen.
Was macht unsere Identität in der Jungschar aus?
Wie gesagt gibt es Traditionen in der Jungschar und diese sollten wir nicht vergessen, schließlich helfen sie uns dabei, das zu sein, was wir eigentlich sind.
Ich finde, die vier Säulen der Jungschar sind eine wichtige Tradition und ein identitätsstiftendes Merkmal unserer Arbeit. Sie tragen die Themen Lebensraum für Kinder, Kirche mit Kindern, Lobby im Interesse von Kindern und Hilfe getragen von Kindern.
Was heißt das aber nun im Konkreten in Bezug auf Traditionen?
Wir sollten in der Jungschar nach diesen Säulen handeln und danach Leben. Gerade hier finden sich viele Traditionen, die es auch wert sind weitergetragen zu werden. Hier möchte ich kurz skizzieren, wie diese Traditionen konkret in den vier Säulen der Jungschar gelebt werden können.
Traditionen im Bezug auf Lebensraum heißt alles, was ich konkret mit meiner Kindergruppe in den Gruppenstunden und auf Lager tue.
Also wie sind die Gruppenstunden aufgebaut, gibt es vielleicht immer am Anfang oder am Ende der Gruppenstunde ein kleines Ritual, z.B. ein Lied, ein Spiel oder ein selbsterfundener Spruch. Gibt es besondere Dinge, die in eurer Gruppenstunde immer wieder auftauchen, wie zum Beispiel ein kleines Geschenk, wenn jemand von euch Geburtstag hat, oder gibt es ein Spiel, das ihr besonders gerne habt, oder habt ihr vielleicht Insider, die nur ihr kennt. All das können Traditionen in eurer Gruppe sein und diese können viel Sicherheit und Schutz bieten, außerdem können diese Traditionen eure Gruppe auch eng zusammenschweißen. Denn genau diese Traditionen gibt es dann nur bei euch und machen eure Gruppe zu etwas ganz besonderem.
Für die Säule Kirche mit Kindern heißt das, alles was ihr Religiöses mit euren Kindern in der Jungschar tut. Das kann ein kleines Gebet in der Gruppenstunde, ein Morgenlob oder ein Gottesdienst am Lager, oder eine Jungscharmesse in der Pfarre sein. Auch hier werdet ihr sicher euren ganz speziellen Ablauf dieser Dingen haben.
Auch im Bereich Lobby gibt es viele Traditionen, die es wert sind weiter getragen zu werden. Gerade am Lager gibt es viele gute Rituale als Beispiele hier. Zum Beispiel das Lagerparlament, bei dem die Kinder mitbestimmen können, was am Lager passiert, oder ein Wandzeitung mit einem Jö/Pfui Plakat, auf dem die Kinder ihre Kommentare schreiben können und mitteilen können, was sie gut finden und was nicht. Eine andere schöne Tradition ist der Tag der Kinderrechte am 20. November. Vielleicht versucht ihr ja immer an diesem Tag, euren Kinder zu erklären, was die Kinderrechte sind, was sie für sie bedeuten und macht dazu eine Gruppenstunde oder eine Rausgehaktion. Außerdem könnt ihr es auch zu einem Ritual machen, dass ihr eure Kinder alle zwei Jahre auffordert zur Wahl des Pfarrgemeinderats zu gehen, denn Kinder haben dort eine halbe Stimme zu vergeben.
Die Säule Hilfe – getragen von Kindern bezieht sich stark auf die Dreikönigsaktion. Diese ist eine wichtige Tradition der Jungschar. Jährlich gehen tausende Kinder Sternsingen. Für viele Kinder wird die Aktion zu einer starken und wichtigen Tradition. Schließlich erleben sie dabei viel Positives. Es ist nett mit Freund/innen einen oder mehrere Tage lang durch den Ort zu ziehen, von Haus zu Haus zu gehen und viele nette Leute auf ihrem Weg zu treffen. Außerdem kann die Sternsingeraktion ihnen auch näher bringen, welches Ungleichgewicht in unserer Welt herrscht und wie sie einen Beitrag zur Verbesserung dieser leisten können.
Was tun wenn man sich an Traditionen, die Finger verbrennen kann?
Ich finde an den oben genannten Säulen, merkt man sehr schön, dass es einfach sehr viele Traditionen gibt, die sehr viel Gutes bewirken, und einen sehr gut in dem bestärken, was man gerne in der Jungschar tut.
Leider gibt es auch viele Traditionen, die uns in unserem Jungscharleben begleiten, die eigentlich nicht mehr so funkelnd und flammend sind. Sie gehören eigentlich ausgelöscht und weggekehrt. Leider ist das nicht immer sehr einfach und oft steht man damit alleine da.
Doch ein Anfang ist zumindest mal damit gemacht, wenn ich mir dieser Traditionen bewusst werde. Was könnten zum Beispiel solche Traditionen sein:
Alles was Kindern Angst macht sollte in der Jungschar vermieden werden. Leider gibt es oft noch Gruselwege am Lager. Natürlich ist es spannend etwas in Nacht zu erleben, aber wir sollten immer daran denken, dass es allein schon im Dunkeln draußen zu sein, sehr aufregend ist. Daher ist es auch einfach nett, ein lustiges Geländespiel in der Nacht mit den Kindern zu machen und zusätzlich auch für die Kinder, die nicht rausgehen wollen, ein nettes Alternativprogramm im Haus anzubieten. Es ist nicht notwendig Kinder zu erschrecken, es ist schon spannend genug im Dunkeln draußen zu sein.
Auch Aufnahmerituale in die Gruppenleiter/innen-Runde können sehr positiv gestaltet werden. Ihr könnt zum Beispiel ein Fest gemeinsam machen, eine Rätselralley oder ein kleines Geländespiel. Somit spüren die neuen Gruppenleiter/innen gleich, dass sie willkommen sind und es euch wichtig ist, dass sie euch in der Gruppe unterstützen.
Strafen sollten eigentlich kein Thema sein. Die üblichen Methoden, die man zum Beispiel von Skikursen aus der Schule kennt, wie Kniebeugen machen oder etliche Runden ums Haus hüpfen, sind körperliche Strafen und sind vom Gesetz her verboten. Natürlich brauchen Kinder Regeln und man muss ihnen auch deutlich sagen, wo die Grenzen liegen. Strafen sind verboten, aber Konsequenzen sind wichtig.
Wettkämpfe können die Beziehungen unter den Kindern aber auch zu den Gruppenleiter/innen belasten. In der Jungschar ist es wichtig, dass alle Kinder sich nach ihren Fähigkeiten und Talenten entwickeln können, mit Wettkämpfen wird das allerdings erschwert. Es gibt einfach Fähigkeiten, die sich besser für einen Wettkampf eignen als andere. Um die Hierarchie in der Kindergruppe deutlicher und angespannter zu machen, würden wir euch empfehlen Spiele, die das Konkurrenzdenken fördern, nicht zu spielen. Viele Ideen für kooperative Spiele findet ihr in unserer Spielemappe, die ihr im Büro bei uns bekommt.
Wenn ihr euch in der Gruppenleiter/innen-Runde mal überlegen wollt, welche Traditionen ihr noch wert findet weiter zu tragen und welche ihr lieber fortkehren wollt.
Anfangs solltet ihr euch überlegen, was es eigentlich an Traditionen in eurer Pfarre gibt. Teilt euch dazu in Kleingruppen und sammelt diese auf kleinen Zetteln. Da sollen dann sowohl die Positiven als auch die Negativen stehen.
Wenn ihr dann eure Traditionen gesammelt habt, kommt zurück und tauscht euch gemeinsam aus, was ihr gesammelt habt.
Nun hast du als Pfarverantwortliche/r drei Plakate vorbereitet. Auf jedem Plakat steht jeweils eine Frage. Diese sollen nun als Leitfaden für die Diskussion dienen.
Sie lauten:
• Profitieren alle von dieser Tradition?
• Geht es allen gut dabei?
• Warum machen wir das eigentlich?
Sucht euch ein paar Traditionen von den gesammelten aus, die ihr für diskussionswürdig haltet. Tauscht euch mit Hilfe dieser Fragen gemeinsam auf. Du als Pfarrverantwortliche/r solltest hier Moderationshilfe leisten, und die wichtigsten Punkte auf den jeweiligen Plakaten festhalten.
Es kann durchaus sein, dass ihr nicht so schnell zu einem gemeinsamen Ergebnis kommt, dass ist auch überhaupt kein Problem. Falls ihr aber doch ein paar habt, die ihr nun lieber los werden wollt, nehmt euch eine feuerfeste Schüssel und verbrennt die Zettel mit den Traditionen. So werden sie zu Asche und müssen nicht mehr am Leben gehalten werden.
Falls ihr euch das als Pfarrverantwortliche nicht zutraut ist das kein Problem. Schließlich kann es hier auch viel Widerstand seitens der Gruppenleiter/innen-Runde geben. Niemand gibt gerne Vertrautes und Gewohntes auf. Wenn ihr also das Gefühl habt, dass ihr gerne Hilfe dabei hättet, oder generell einfach neue Ideen hierzu haben möchtet, dann kommen wir auch gerne zu einem Pfarrbesuch zu euch!
Nicht ersatzlos streichen!
Generell geht es hier mal ganz grundsätzlich darum, Traditionen zu reflektieren. Erst wenn ich mir überhaupt bewusst bin, was es an Traditionen bei mir in der Jungschar gibt, habe ich die Möglichkeit diese zu streichen, oder sie als gut zu befinden und dabei zu belassen.
Falls ihr euch entscheidet Traditionen zu überdenken, und weg zu lassen, Ssid euch trotzdem immer bewusst, dass Traditionen nicht einfach ersatzlos gestrichen werden sollten. Es sollte immer einen Ersatz geben, denn sonst fehlt euch vielleicht etwas. Auch Kinder könnten die alten Traditionen dann immer wieder einfordern, wichtig ist es eine gute Alternative zu finden.
Mut hinzuschauen!
Auch wenn es unangenehm ist, und schwierig sein kann. Habt den Mut euch kritisch mit euren Traditionen auseinander zu setzen. Nur durch ein regelmäßiges kritisches Hinschauen, kann auch gute Jungschararbeit passieren. Ihr und eure Kinder verändern sich, was Jungschargenerationen vor euch gemacht haben, konnte für diese vielleicht passend sein, für euch aber vielleicht nicht mehr. Nur weil Dinge immer schon so gemacht wurden, heißt das nicht, dass sie auch immer so bleiben müssen.
Lasst euch also nicht kleinkriegen, sondern schaut, dass das Feuer bei euch in der Jungschar lebendig bleibt!
Viel Spaß beim Reflektieren, Tradieren und Kreieren!
Kathi Bereis
[aus dem kumquat "Abenteuer" 2011]