Jungschar ist…

Wie offen sind wir als Jungschar für alle Kinder? Welche Hürden gibt es, um Teil der Jungschar zu sein? Wie machen wir die Jungschar zu einem Ort, an dem sich alle wohlfühlen können? Der folgende Artikel soll dir Denkanstöße für deine Haltung als Gruppenleiter/in bieten und erste Überlegungen anstellen, wie du diese ins gemeinsame Tun übertragen kannst.

Teuer?

Freizeitangebote sind nicht für alle Kinder selbstverständlich. Ein Instrument zu spielen oder einen Sportkurs zu besuchen, ist teuer. Vielen Familien in Österreich ist es nicht möglich, diese extra Kosten zu bewältigen. Der Artikel 31 der Kinderrechtskonvention besagt: „Jedes Kind hat das Recht auf Ruhe, Freizeit, Spiel, altersgemäße, aktive Erholung und freie Teilhabe am kulturellen und künstlerischen Leben.“ Deshalb ist die Kostenfreiheit unseres Angebotes ein wichtiger Grundsatz in der Jungschararbeit. Familien sollen keinen Beitrag zahlen müssen, damit Kinder bei uns mitmachen können. Das wird einerseits durch das großartige Engagement von euch ehrenamtlichen Gruppenleiter/innen und andererseits durch das Commitment der Pfarre, die Kinderpastoral zu unterstützen, ermöglicht. Der Pfarrgemeinderat beschließt jedes Jahr ein Budget, in dem auch ein Betrag für die pfarrliche Kinder-und Jugendarbeit enthalten ist. Gemeinsam mit dem PGR könnt ihr auch überlegen, wie ihr einkommensschwache Familien beim Beitrag fürs Jungscharlager unterstützen könnt. Besonders für Familien mit mehreren Kindern und Alleinerziehende kann dieser eine Herausforderung darstellen. Wenn ihr diesen Familien reduzierte Preise ermöglicht, zum Beispiel durch einen Geschwister-Bonus oder durch die Möglichkeit, in der Pfarre um finanzielle Unterstützung anzusuchen, öffnet ihr die Jungschar für eine größere Gruppe an Kindern.

Blau und rosa?

Geschlechterstereotype sind in unserer Gesellschaft tief verankert. Das Denken in zwei Kategorien: „Mann“ und „Frau“ oder „Bub“ und „Mädchen“ erscheint uns vielleicht ganz natürlich und passiert ständig und oft unbewusst. Auch Kinder lernen Geschlechterrollen früh kennen, sie wachsen mit ihnen auf und in sie hinein. Manche Kinder fühlen sich in der ihnen zugeschriebenen Rolle wohl, andere erleben sie einengend, einige sogar erdrückend. In der Jungschar wollen wir die Kinder mit ihren Stärken und Schwächen, mit ihrer Individualität sehen. Kein Kind ist wie das andere, jedes Kind bringt etwas Eigenes in die Gruppe ein und alle diese verschiedenen Aspekte sind wertvoll. Wir wollen Kinder bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeiten unterstützen, deshalb ist es wichtig, reflektiert mit Genderstereotypen umzugehen. Wir wollen keinem Kind ein Rollenbild aufzwängen, in dem es sich nicht wohl fühlt. Vielleicht gelingt es uns sogar, das Bild der Zweigeschlechtlichkeit gemeinsam in Frage zu stellen und uns Gender mehr als Spektrum, statt als Entweder-Oder vorzustellen. Das wird möglich, in dem ihr beispielsweise darauf achtet, Aufgaben in der Gruppenleiter/innen-Runde reflektiert zu verteilen und euch eurer Vorbildwirkung bewusst seid. Wenn ihr den Kindern zeigt, dass Bewegungsspiele, Basteln, Lagerfeuer machen und Kochen nicht „männlich“ oder „weiblich“ sind, erweitert ihr ihre Vorstellungen zu Geschlechterrollen. Ihr ermöglicht ihnen, mehr zu sein, als nur blau oder rosa und schafft Räume für Kinder, die sich weder mit dem einen noch mit dem anderen identifizieren.

Hetero?

Spielt die sexuelle Orientierung eine Rolle in der Jungschar? Insofern ja, weil an unserem Programm Kinder aus den verschiedensten Familienmodellen teilnehmen und auch weil wir uns eine Kirche wünschen, in der sich Jungscharkinder und Gruppenleiter/innen wohlfühlen, eine Kirche, die offen ist für alle Menschen, die teilhaben möchten. In der Jungschar versuchen wir Kinder dazu zu ermutigen, sie selbst zu sein. Sie sollen bei uns erfahren, dass sie mit ihren einzigartigen Persönlichkeiten wertvoll sind. Wir wollen dazu beitragen, dass sie ihren Platz in Gesellschaft und Kirche finden. Damit dass nicht nur leere Worte bleiben, müssen wir uns auch dafür einsetzten, dass sexuelle Orientierung kein Hindernis zur Teilhabe in unseren Gruppen darstellt. Wie ist das möglich? Sprecht in einer Gruppenstunde über Sexualität(en), lasst diskriminierende Aussagen gegenüber LGBTIQ* Personen nicht unkommentiert stehen, hängt eine Regenbogenfahne in eurem Jungscharraum auf und erklärt sie. Leben wir unseren Jungscharkindern vor, wie wertschätzender Umgang aussehen kann.

Weiß?

Die Black-Lives-Matter Bewegung führt uns seit Sommer 2020 verstärkt vor Augen, dass Rassismus gegen und Diskriminierung von PoC (People of Color) ein aktuelles Problem ist. Abwertende Aussagen im Zusammenhang mit Herkunft, Hautfarbe und Religion sind eine tägliche Erfahrung für viele Menschen, auch für Jungscharkinder. In der Jungschar haben wir die Möglichkeit, einen Raum zu gestalten, der diskriminierungsfrei ist. Das ist leichter gesagt als getan, wenn wir an den Alltagsrassismus denken, der oft unbewusst passiert. Was können wir also tun, um das zu verhindern? Achtet im Umgang miteinander auf wertschätzende Sprache, kommentiert diskriminierende Aussagen von Kindern und schlagt ihnen alternative Begriffe vor. Es geht dabei nicht darum, den Kindern Vorwürfe zu machen oder sie für ihre Sprache zu kritisieren. Ihr habt die Chance, sie darauf hinzuweisen, dass Wörter verletzen können, und ihnen respektvollen Umgang vorzuleben. Macht euch Gruppenregeln für den Umgang miteinander aus, die eine antirassistische Haltung beinhalten. Sprecht über aktuelle Themen, wie die Black-Lives-Matter Bewegung und macht sie für die Kinder begreifbar. Auch das Sternsingen kann ein guter Zeitpunkt sein, um gemeinsam zu reflektieren, wie Menschen des globalen Südens dargestellt werden und wie wir auf Augenhöhe über sie sprechen können. Machen wir die Jungschar zu einem Ort, an dem sich Kinder mit verschiedenen Hautfarben und Religionen wohlfühlen können.

Fit?

Jedes Kind wird früher oder später mit Leistungsdruck konfrontiert. Ob in der Schule, wenn es um gute Noten geht, oder im Sportverein, wenn die Schnellsten und Stärksten gewinnen. Dieser Druck kann einen Reiz ausüben, motivieren, er kann aber auch Stress erzeugen und bewirken, dass sich Kinder mit anderen vergleichen und als ungenügend erleben. Umso wichtiger ist es, Räume zu schaffen, in denen nicht die Leistung an erster Stelle steht. In der Jungschar haben wir die Möglichkeit dazu, wir müssen keine Beurteilungen aussteilen, wir können einfach gemeinsam da sein. Ihr könnt euren Jungscharkindern eine Auszeit vom Stress ermöglichen, indem ihr bei eurem Programm darauf achtet, dass für alle etwas dabei ist, dass es Angebote für die Lauten und die Leisen, für die Schnellen und die Langsamen gibt, ohne dass etwas davon besser oder schlechter ist. Traut euch, auch auf Familien in eurer Pfarre zuzugehen und Kinder mit Behinderungen in die Jungschar einzuladen. Überlegt euch, ob ihr euren Gruppenraum barrierefrei gestalten könnt, thematisiert das Thema Behinderung in eurer Gruppe. Setzt euch selbst in der Gruppenleiter/innen-Runde damit auseinander und besprecht, welche Berührungsängste ihr habt. Überlegt, was ihr euch zutraut und wo ihr euch Unterstützung holen möchtet. Wenn wir uns darauf einlassen, können wir die Erfahrung machen, dass die Jungschar ein toller Ort ist, um Inklusion zu leben und Ängste abzubauen.

Für alle da!

Klingt kitschig? Ihr habt die Chance einen Ort zu schaffen, an dem sich eure Jungscharkinder wohl fühlen. Jede Erfahrung, sich angenommen zu fühlen, ist wertvoll, ihr könnt in der Jungschar solche Erfahrungen ermöglichen, also wenn das nicht Sinn stiftend ist…

„In der Jungschar stehen die Kinder mit ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten, ihren Stärken und Schwächen in der Mitte. Bei uns ist Platz für alle Kinder, egal welcher Herkunft, Religion oder Nationalität, ob mit Behinderung oder ohne. Es ist uns wichtig, dass kein Kind bevorzugt wird, sondern alle möglichst gleichwertig behandelt werden.“ So steht es im Jungscharmanifest, das 2012 vom Forum der katholischen Jungschar Wien beschlossen wurde. Jungschar soll für alle da sein!

Mirjam Gerstbach

kumquat "Platz da!" 2/2021