2014 hat für mich spannend begonnen: Schon am 3. Jänner bin ich für drei Wochen in den Nordosten Brasiliens gereist. Ich war 2005 bereits einmal dort und hatte immer geplant, nochmals hinzufahren, um Menschen, die ich kennengelernt hatte, wiederzusehen. Nun gab es eine Gelegenheit: Ich konnte mich privat einer Projektreise von Angela Kemper, der DKA-Projektreferentin für Brasilien, anschließen. Da ich kein Portugiesisch spreche, war es von großem Vorteil, nicht allein zu reisen. Der Grund schon so kurz nach Neujahr abzufliegen, war, dass von 7.–11. Jänner in der Stadt Juazeiro do Norte – einem bekannten Wallfahrtsort – ein Basisgemeinde-Treffen stattfand, das wir miterleben wollten.
Aber was ist ein Basisgemeinde-Treffen?
Basisgemeinden (portugiesisch Comunidades Eclesiais de Base / CEBs) sind kleine christliche Gemeinschaften vor Ort (ca. 90.000 in ganz Brasilien), die ihren Glauben und ihr Leben miteinander teilen. In den enorm wachsenden Städten Brasiliens suchen Menschen mit all ihren sozialen Problemen Heimat. Deshalb sind diese kleinen Gemeinden vor Ort in einem Stadtviertel, in einem Dorf oder auf dem Land von so großer Bedeutung. Hier treffen Menschen zusammen, um sich mit dem Wort Gottes auseinanderzusetzen und Gottesdienst zu feiern. Aufgrund der schwierigen Lebenssituationen, mit denen Menschen in Brasilien oft alltäglich zurechtkommen müssen, wie Armut, Unterernährung, Ungerechtigkeit, Ausbeutung, sozialer Marginalisierung und oft sogar politischer Verfolgung, dienen diese Gemeinden jedoch auch dazu, Probleme zu besprechen und Maßnahmen dagegen zu entwickeln. Diese starke Verbindung von Evangelium und gelebtem Engagement in Gesellschaft und Politik charakterisiert die Basisgemeinden.
Es ist aber wichtig und notwendig, dass sich Vertreter/innen dieser Gemeinden auch auf nationaler Ebene treffen und vernetzen können, um sich gegenseitig Hoffnung, neue Impulse für ihre Arbeit, eine lautere Stimme in der Gesellschaft und auch neuen Mut zu geben. So hat die Stärkung von Kirchengemeinden grundlegende Bedeutung für die ganze Gesellschaft und ihre Menschen. Basisgemeinden bilden da engagierte Kirche, die sich in der Welt einsetzt für ein „Leben in Fülle“ für alle Menschen – dem Beispiel Jesu folgend, zeigen sie sich mit Armen und Ausgegrenzten solidarisch und fördern das Engagement ihrer Mitglieder. Sie wollen so zu „Samenkörnern“ für das Reich Gottes werden.
In diesem Geist treffen einander also Vertreter/innen der Basisgemeinden. Ihre Situationen werden besprochen, es wird einander zugehört, neue Ideen für Problemlösungen werden mitgenommen, spirituelle Feiern abgehalten und oft wird gemeinsam gesungen und getanzt.
1975 gab es den ersten derartigen brasilienweiten Erfahrungsaustausch. Das „Intereclesial“ (brasilianische Bezeichnung für CEBs-Treffen) war geboren. Seither fanden 12 Basisgemeinde-Treffen in verschiedenen Diözesen Brasiliens statt. 2007 wurde der Diözese Crato Vorbereitung und Durchführung des 13. CEBs-Treffens im Jänner 2014 übertragen. Die Diözese liegt in Nordostbrasilien, im Süden des Bundesstaates Ceará, und umfasst 32 Gemeinden und 54 Pfarreien, wo über eine Million Menschen leben.
Der Einsatz der Gastgeber/innen für so ein Treffen ist riesengroß, ohne die ehrenamtliche Mitarbeit von ca. 2.000 Helfer/innen und vielen Familien (wo Teilnehmer/innen untergebracht sind) wäre es nicht möglich.
In Juazeiro do Norte waren mehr als 5.000 CEBs-Vertreter/innen aus ganz Brasilien versammelt, viele davon einfache Pfarrmitglieder, aber auch Ordensleute, Priester, Bischöfe (immerhin 72 von ca. 400 in Brasilien), Vertreter/innen anderer Religionen und indigener Gruppen, diverse Aktivist/innen und Gäste. Die Teilnehmer/innen wurden in der intensiven Vorbereitungsphase von ihren Gemeinden ausgewählt und als Delegierte entsandt. Sie haben die Aufgabe, nach dem Treffen zu berichten und Erfahrungen weiter zu geben.
Die Themen des Treffens waren „Gerechtigkeit und Prophetie im Dienst des Lebens“ und „CEBs, Pilger/innen des Reiches Gottes am Land und in der Stadt“. Die Beiträge dazu – Impulsreferate, Erfahrungsberichte, Statements und Diskussionen in Kleingruppen – orientierten sich methodisch am Prinzip „Sehen-Urteilen-Handeln-Feiern“. Zum ersten Mal in der Geschichte von CEBs-Treffen hat auch der Papst eine Grußbotschaft übermittelt, die motivierenden Worte von Papst Franziskus haben den Teilnehmer/innen spürbar Mut gemacht.
Besonders eindrucksvoll waren die gemeinsamen Feiern: spirituelle Riten indigener Gruppen, ökumenische Feiern, Pfarrfeste mit Gästen oder auch einfach Musikdarbietungen, zu denen viel getanzt wurde. Besonders berührt hat mich eine große meditative Feier auf einer Anhöhe des Wallfahrtsortes, zu Ehren von Märtyrer/innen und Prophet/innen. Dabei wurden die Namen von Menschen aufgerufen, die aufgrund ihres Einsatzes für Gerechtigkeit ums Leben gekommen waren und ihnen damit feierlich gedacht. So bekommt die Tatsache, dass Menschen ihr Leben für andere geben eine sehr konkrete und bewegende Dimension.
Für mich war die Erfahrung dieses Treffens sehr beeindruckend. Sie hat mir einen der DKA-Arbeitsschwerpunkte – „Für eine Kirche im Dienst an den Menschen“ – näher gebracht, bei dem Kirche vor Ort gestärkt und auf den sozialpastoralen Dienst hin ausgerichtet wird.
Ein Bericht von Hannes Peintinger
kumquat "Welt"2a/2014