Der Sündenfall als Befreiungsakt
Die Ideen des Paradies können sehr unterschiedlich sein. Für eine/n kann es einfach die Geschichte sein, die man aus der Bibel kennt, ein Ort an dem alle Zufriedenheit und Gerechtigkeit erleben, ein Ort an dem es keinen Streit und Ungerechtigkeit gibt. Für andere ist es eine Frage wie dieser Zustand wieder hergestellt werden kann, wie kann man wieder dorthin zurückkehren, wie kann man den Schmerz wieder aus der Welt nehmen, und zu dieser gerechten Welt zurückkehren. Wie gesagt, viele Menschen haben sich schon viele Gedanken zum Thema Paradies gemacht, aber auch zum Sündenfall von Adam und Eva, darunter waren auch viele Philosophen und wie diese das gesehen haben, möchte ich euch kurz vorstellen. Viele von ihnen sehen in der Geschichte des Sündenfalls auch eine Geschichte der Freiheit.
Augustinus von Hippo (354 -430)
Er hat sich sehr stark mit dem Sündenfall auseinandergesetzt und teilte die Welt in Gut und Böse. Für ihn gab es keinen Gott der jeden liebt, sondern einen Gott, der den/die eine/n liebt und den/die andere/n nicht, das hat keinen Grund, sondern ist laut ihm einfach die Willkür Gottes, der wir gnadenlos ausgesetzt sind.
So steht für ihn der Sündenfall für das Böse. Er sieht im freien Willen nicht etwas Gutes, sondern etwas Böses, er nennt ihn sogar bösen Willen, da sich ihn ihm, nach Augustinus, der Mensch gegen Gott stellt. So muss man auch den Begriff des Bösen bei Augustinus verstehen, Böse heißt für ihn, sich im Handeln gegen Gott stellen. Somit stellt sich für Augustinus in der Frage nach dem Bösen, auch die Frage der Menschheit, denn nur der Mensch hat einen freien Willen und kann demnach nach Augustinus auch böse handeln, ein Tier im Gegensatz dazu hat für ihn keinen freien Willen und kann demnach auch nicht böse handeln.
Georg Friedrich Hegel (1770 – 1831)
Für ihn sind Unschuld und Freiheit eng miteinander verwoben. Er personifizierte das Kind als die reine Unschuld. Es wird von seinen Eltern beschützt und umsorgt. Sie sagen dem Kind, was es tun darf und was nicht, sie nehmen ihm die Verantwortung ab, selbst entscheiden zu müssen. Das Kind ist also für Hegel unfrei, es kann keine Entscheidungen selbst treffen, hat aber somit auch keine Verantwortung zu tragen. Erst wenn wir selbst entscheiden dürfen sind wir frei, und somit auch für unser Handeln verantwortlich.
So interpretiert er auch den Sündenfall von Adam und Eva. Als sie sich entscheiden, den Apfel vom Baum der Erkenntnis zu essen, entscheiden sie sich konkret gegen ein Verbot und handeln selbstständig. Für ihn werden sie dadurch frei, niemand bestimmt mehr über sie, sondern sie bestimmen sich und ihr Handeln selbst.
Auch heute noch berufen wir uns oft auf dieses Prinzip: Wenn jemand etwas Falsches gemacht hat, dann wird oft versucht, jemanden zu finden, an den/die die Verantwortung abgegeben werden kann. Somit ist klar, dass der-/diejenige nichts für die Folgen des Handelns kann, da er/sie nicht selbst dafür die Verantwortung getragen hat.
Viele Philosophen verwendeten Begriffe wie das Böse oder Unschuld im Zusammenhang mit der Geschichte von Adam und Eva.
Sie werden immer wieder als Gegenbegriffe zur Freiheit verwendet. Aber man muss die Begriffe vielleicht auch etwas anders deuten, oft verliert hier gerade der Begriff des Bösen seine „Bösartigkeit“ und wird zu etwas Positivem umformuliert, vielmehr zu einer Art des Freiheitsbegriffs. Das kann natürlich sehr schwer aus unserer Alltagssprache heraus sein. Das Böse ist hier eher als eine Fähigkeit zu sehen, die es einem ermöglicht, eigenständig zu denken und zu handeln.
Es geht darum, sich nicht immer den allgemeinen Regeln zu unterwerfen, nicht immer „brav“ im Sinn von angepasst zu sein, diese Philosophen verstehen das Böse als kritisches Denken und Handeln, Dinge zu hinterfragen, auszuprobieren und neugierig zu sein.
Es geht um die Freiheit, solche Dinge auch tun zu können, sich bewusst für das Eine oder Andere zu entscheiden. Søren Kierkegaard sagte hierzu:„ Dort aber, wo das Böse eine Seinsqualität wird, schreibt es dem Handelnden sein Handeln vor – aus der Freiheit wird eine Notwendigkeit!“ (Liessmann 318) Damit stellt Kierkegaard nochmals fest, dass eben das Böse allein nicht unser Antriebsmotor für die Freiheit sein kann. Freiheit darf nie eine Notwendigkeit sein, denn damit wäre sie keine Freiheit mehr. Natürlich hat jede/r ein Recht auf Freiheit, aber es ist eben ein Recht und kein Erfordernis. Anders gesagt, jeder Mensch wird frei geboren, und jede/r hat ein Recht auf seine/ihre Freiheit, er/sie soll sie gar nicht erst einfordern müssen.
Man könnte die Geschichte mit der Freiheit auch noch ganz anders interpretieren, nämlich in konsumkritischer Sicht. Die Gier der Menschen immer mehr zu wollen, auch wenn wir eigentlich schon ganz zufrieden sein könnten, da es uns eigentlich an nichts fehlt. Doch die Gier lässt uns eine Grenze überschreiten, die nicht gut für uns ist. Sie behindert uns ebenfalls in unserer Freiheit. Wir streben immer nach mehr, aber das Mehr, von dem wir glauben, es macht uns vielleicht glücklicher, zufriedener oder sogar freier muss überhaupt nicht zutreffen. Oft passiert sogar das Gegenteil, dass die Dinge, die wir um uns herum anhäufen nur noch unfreier machen, denn wir müssen uns um diesen Besitz kümmern und dürfen ihn nicht allein lassen, denn sonst könnte ihn uns jemand auch wieder wegnehmen. Wir sind also an unseren Besitz gebunden und deshalb viel unfreier als mit weniger.
Die Sache mit der Freiheit ist also ein recht schwieriges Feld. Egal welche Beweggründe unsere Freiheit nun hat, sie ist ein Gut mit dem wir sorgsam umgehen müssen und (nicht nur von uns, sondern auch von anderen) schützen müssen.
Kathi Bereis
Quelle: Konrad Paul Liessmann. Philosophie des verbotenen Wissens