Ein Gespräch
Sandra: Wir sollen uns ja in diesem Artikel anschauen, ob man in der Kirche leise sein muss oder ob es auch ok ist, mal laut zu sein. Bei mir ist es schon so, dass ich schon beim Reinkommen leise und vorsichtig bin. Besonders in fremden Kirchen fällt mir das auf. In meiner eigenen passiert‘s schon öfter, dass ich weniger bedacht hineingehe – wenn ich zum Beispiel irgendetwas hole, herrichte oder auf-/abbaue. Aber sobald jemand in der Kirche sitzt, stell ich schon beim ersten Schritt auf „Kirchenmodus“ um.
Veronika: Stimmt: „Kirchenmodus“ Diese getragene Stimmung dort beginnt sofort bei der Tür. Es ist ja nicht nur leise, sondern auch ein bisschen in Zeitlupe – wer rennt schon in der Kirche? Dieser Ruhepol tut mir oft gut. Besonders im hektischen Alltag habe ich Sehnsucht nach der Ruhe in der Kirche. Es ist schön, einen solchen Ort zu haben.
Das kennen sicher viele Menschen, ist aber auch nicht bei allen gleich. Schließlich hat jede/r seinen/ihren eigenen Zugang zu Religion und Glaube. Manche brauchen’s da ruhig, für andere ist das Besinnliche vielleicht wieder eher komisch und sie hätten’s gern fröhlicher.
Es ist vielleicht besser, wenn ich’s für mich ruhig mache, anstatt alle anderen auch dazu zu zwingen. Wenn mein persönlicher Zugang mehr in Richtung Purzelbaum schlagen geht, werd ich auch nicht alle zwingen, bei solchen Spaß-Aktionen mitzumachen. Das sollte jede/r für sich selbst entscheiden können. Allerdings nur, wenn man dabei auch darauf schaut, was die anderen brauchen.
Find ich gut. Oft ist das ja auch nicht nur von Person zu Person unterschiedlich, sondern hängt auch von der aktuellen Stimmung oder auch einem Thema ab. Die Zeit zu und nach Ostern kann ich bewusst fröhlich und laut gestalten und dafür auf Ruhe achten, wenn das Laute nicht so passend ist, zum Beispiel bei einem Kreuzweg.
Ich muss ja nicht immer und überall Orff-Instrumente – also Klanghölzer, Rasseln und so – verwenden. Bei einem Begräbnis wär das wohl nicht so gut. Da sollte es schon leise sein.
Moment, mir fällt grad was auf: Wir reden von laut und leise und kommen immer mehr zu fröhlich und traurig. Ist still sein immer traurig und laut immer fröhlich? Oder umgekehrt: Ist traurig sein immer still? Ich mein, ich könnte ja auch weinen und jammern, wenn jemand gestorben ist.
Vielleicht wäre es dann auf Friedhöfen auch nicht so unangenehm. Ich finde die Stimmung dort immer eher traurig – es wirkt so endgültig. Dass man am Friedhof eher nicht lacht und Witze reißt, macht die Stimmung für mich sehr bedrückend.
Für mich ist das gar nicht so. Ein Friedhof ist für mich eher wie ein Gemeinschaftsgarten. Dort kommen verschiedene Leute hin und kümmern sich um die Gräber. Es herrscht ein eher geschäftiges Treiben – irgendwas gießen, pflanzen, jäten, nebenbei mit Leuten am Nachbargrab plaudern. Dann ist es aber immer wieder auch ruhig und man kann in Ruhe arbeiten und/oder seinen Gedanken – denen an die Verstorbenen zum Beispiel – nachhängen.
Wenn die Arbeit der Grund ist, warum es am Friedhof nicht immer nur leise ist, könnte man das doch auch auf die Kirche umlegen: In der Kirche wird auch oft etwas getan – Blumenschmuck aufstellen, Pflanzen gießen, Kirche putzen und so weiter.
Stimmt. Es kommt auch niemand auf die Idee, beim Putzen in der Kirche laut Radio zu hören, oder?
Eher nicht. Aber warum eigentlich? Sonst gibt es doch auch viel Musik in der Kirche. Nämlich „laute“ und „ruhige“. Die Liturgie hat da eine gute Mischung gefunden zwischen lauten und leisen Teilen. Zuerst das stille Kyrie, dann das fröhliche Gloria – so zieht sich dieses Wechselspiel durch die ganze Messe. Eigentlich super, dass das alles Platz findet.
Besonders gut gefällt mir diese Dynamik in der Osternacht. Es beginnt ganz ruhig und wird immer lauter und fröhlicher. Die Glocken „kommen zurück“, die Orgel spielt wieder und da ist es dann auch wirklich laut in der Kirche.
Kirchenglocken sind überhaupt ein gutes Stichwort! Wenn wir zum Beispiel mit den Kirchenglocken die laute Fröhlichkeit über den Sonntag nach draußen tragen, warum dürfen wir sie dann nicht auch drinnen leben? Es ist schließlich die FROHE Botschaft, die wir feiern. Dass wir sie in die Welt hinaus tragen sollen ist ja an sich schon ein recht „lauter“ Anspruch.
Da komm ich nochmal auf die Frage von vorhin: Muss das so sein? Ist fröhlich gleich laut? Kann ich mich nicht auch leise freuen? Wenn ich etwas Schönes erlebe, einen besonderen Moment zum Beispiel wenn mir in der Früh die Sonne auf die Nase scheint – da schrei ich meine Freude ja auch nicht gleich heraus.
Richtig, und wenn, dann gibt es dafür sicher auch einen geeigneten Ort. In der Kirche ist das Ruhige und die Stimmung, die dadurch möglich wird, etwas Besonderes, deswegen find ichs schon gut, wenn es in der Kirche grundsätzlich ruhig ist.
Blöd ist es nur dann, wenn die Stimmung zu wichtig genommen wird und über den Menschen gestellt wird. In der Kirche geht es schließlich nicht zuletzt um uns Menschen. Wir leben und sind halt manchmal laut.
Veronika Schippani und Sandra Fiedler
kumquat "Pssst!" 4/2012