Ehe für alle - Kirche für alle - Jungschar für alle

Freude, feiern, Tanz und gute Laune – das waren die ersten Reaktionen am 4. Dezember 2017 als die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die Möglichkeit der Heirat auch für gleichgeschlechtliche Paare bekannt wurde – „Ehe für Alle“!

Es ist eigentlich beschämend, dass im Jahr 2017 ein Gerichtshof diese Entscheidung treffen muss. „Verletzung des Diskriminierungsverbotes“ wird dem Staat vorgeworfen und die Politik, die noch sechs Monate vorher dieses Thema negativ abgestimmt hatte und dafür verantwortlich ist, erkennt ihr Versäumnis nicht an.

In Deutschland wurde kurz vor der Abstimmung in Österreich über das gleiche Thema diskutiert und positiv beschlossen.

Meinungsumfragen in Österreich zeigen ganz deutlich, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung die Öffnung der Ehe für alle Menschen befürwortet. Gleiche Rechte für alle: Wir sollten soweit sein, uns dazu zu bekennen – eigentlich ganz besonders auf politischer Ebene. Komisch also schon, dass die gewählten Politikerinnen und Politiker dann doch gegen eine Gesetzes­änderung stimmen. Sind sie nicht die gewählten Vertreter/innen für die Anliegen der Menschen? Dabei kann eine Gesetzes­änderung zur Öffnung der zivilen Ehe doch eigentlich niemanden schaden. Welche Ängste oder Sorgen sich dahinter verbergen ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Öffnung bedeutet keinerlei Einschränkungen – weder für hetero- noch für homosexuelle Menschen. Warum also das Zögern?

In der katholischen Kirche wurde diese Entscheidung unterschiedlich aufgefasst. In den Medien herrschte jedoch – leider – eine sehr ablehnende Stimmung vor. Viele Priester, Pfarrer, Bischöfe und andere Persönlichkeiten der Kirche sehen einen „Verfall der Ehe“ oder befürchten sogar Schaden für Kinder, die in „solchen Ehen“ aufwachsen.

Dabei fordert uns Jesus in der Bibel auf zu lieben: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). Ja, die heilige Schrift geht sogar noch weiter und erhebt die Liebe zum Gesetz: „Bleibt niemand etwas schuldig; nur die Liebe schuldet ihr einander immer. Wer den andern liebt, hat das Gesetz erfüllt“ (Römer 13,08). Liebe wird als etwas Wertvolles, Schönes und nicht zuletzt zutiefst Menschliches gesehen: „Geliebte, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott“ (1 Joh 4,7). Lieben zu können macht uns zu Menschen, zu Ebenbildern Gottes, denn er ist es, der uns bedingungslos liebt. Und ich bin der Überzeugung, dass Gott uns ALLE liebt und dass Jesus, der mit den Ausgegrenzten seiner Zeit - mit Sünder/innen, Prostituierten, Zöllnern, Bettler/innen und Menschen mit Beeinträchtigung - gegessen, gefeiert, sich ihnen angenommen, sie als seinesgleichen wertgeschätzt hat, NICHT gemeint hat, „Liebt einander, aber bitte nur heterosexuell!“.

Außerdem ist die Entscheidung der Ehe für alle im Endeffekt doch nur eines: eine Öffnung, eine Ausweitung der Rechte auf alle. Heterosexuell lebenden Menschen wird durch diese Änder­ung gar nichts weggenommen, sie verlieren nichts, es bleibt alles gleich. Gut, nicht ganz: Auch heterosexuell lebende Menschen gewinnen eine fairere, gerechtere und offenere Gesellschaft.

Und was sagt die Jungschar dazu?

„Jungschar ist für alle da“ – ein sehr bekanntes und oft verwendetes Statement kann auch hier wieder Gebrauch finden: Jungschar ist auch für Kinder da, die homosexuelle Eltern haben, sie ist auch für Gruppenleiter/innen da, die (offen) zu ihrer Homosexualität stehen, sie ist auch für Menschen da, die den Umgang mit Homosexualität erst lernen müssen.

Die Katholische Jungschar äußert sich in einem sehr neuen Positionspapier zum Thema Familie zu Homosexualität. Darin steht: „Familien abseits des Vater-Mutter-Kind Modells sind oft besonderem gesellschaftlichem und/oder sozialem Druck ausgesetzt. Die KJSÖ fordert Akzeptanz und Wertschätzung für jegliche Familienform, in der das Kindeswohl sichergestellt ist. […] Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie1 verletzt nicht nur betroffene Eltern, sondern auch ihre Kinder und ist damit ein Gewaltakt gegenüber der ganzen Familie. Die KJSÖ fordert auch hier ein gewaltfreies Umfeld für alle Kinder.“

Hier steht also ganz klar, dass jegliche Familienform als zentrales Element das Kindeswohl hat – alles andere ist unwichtig. Die Jungschar als Vertreterin von Kindern und ihren Rechten setzt also ein ganz klares Zeichen für Akzeptanz und Wertschätzung unterschiedlicher Familienformen, sowie für deren gesellschaftliche Integration und Wahrnehmung. Eine Sache ist ganz klar: Kinder brauchen eine Familie, einen Ort, an dem sie sich geborgen fühlen, wo sie angenommen sind, wo sie bedingungslos geliebt werden. DAS sind die wichtigen Elemente einer Familie, DAS macht Familie aus, nicht die Zusammensetzung dieser. Ob Kinder nun „nur“ einen Vater, zwei Mütter, vier Elternteile oder ein ganzes Dorf haben, ist nicht wichtig, das was zählt ist eben etwas anderes. In der Jungschar schaffen wir einen Ort, wo alle Kinder aus jeglicher Familienform willkommen sind und angenommen werden. Wir können es nicht dulden, wenn Kinder aufgrund ihrer Familie diskriminiert werden.

Ein anderer wichtiger Aspekt für uns als Jungschar ist die Offenheit gegenüber Menschen aller sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten. In der Gruppenleiter/innen-Runde soll Homosexualität auch ein Thema sein (dürfen), nicht versteckt oder tabuisiert werden. Gerade Heimlichkeiten, das Nicht-darüber-reden-dürfen und Themen, die sich mit Sexualität auseinander setzen auszuklammern, vermittelt Kindern, dass man drüber nicht reden darf, dass das etwas Schlechtes ist und solch ein Umfeld fördert, das sich Täter/innen, die sexuelle Gewalt ausüben wollen, wohl fühlen und ein ideales Betätigungsfeld vorfinden. Deshalb ist es sogar enorm wichtig, über solche Themen zu sprechen, sie zu enttabuisieren und nicht zu dämonisieren.

Für Gruppenleiter/innen, als Vorbilder der Kinder, ist es wichtig, dass sie sich in ihrem Umfeld wohl fühlen dürfen, unabhängig von sexuellen oder geschlechtlichen Eigenschaften. Der ehemalige Jugendseelsorger Gregor Jansen hat im kumquat „Liebe“ im Jahr 2013 geschrieben, dass es in der Kirche eine „Don’t ask, don’t tell“ Politik in Bezug auf Homosexualität gäbe – und genau das sollten wir endlich beenden. Es ist wichtig, dass es in der Jungschar Platz gibt für alle Menschen, dass es auch dann Platz gibt, wenn jemand homosexuell empfindet. Verstecken kann keine Lösung sein – und ignorieren erst recht nicht.

Ein natürlicher und offener Umgang mit Homo-, Bi-, Inter- und Transsexualität ist nicht nur für die Beteiligten sinnvoll und schön, sondern auch für die Kinder in der Jungschar wichtig. Sie lernen dadurch, dass es OK ist schwul, lesbisch oder bisexuell zu sein. Sie lernen, dass sie zu sich stehen können, sollen und dürfen. So zeigen wir den Kindern, dass es keinen Unterschied macht, wen jemand liebt. Kinder erfahren dadurch Toleranz, Akzeptanz und Wertschätzung, die sie dann auch weitertragen und anderen Menschen entgegenbringen können.

Jede Liebe ist etwas wunderschönes, sie tut uns gut und sie macht uns stark. Ob Liebe nun homosexuell oder heterosexuell sein mag, sie ist immer wertvoll und gut. Das können wir auch zeigen, also versteckt euch nicht, seid so wie ihr seid und seid stolz darauf!

Den Artikel von Gregor Jansen findest du hier

Das Positionspapier der Kath. Jungschar Österreichs findest du hier

Johanna Walpoth

aus dem kumquat "Vielfalt" 1/2018