In einer Jungschargruppe können Freundschaften entstehen, Freundschaften, die manchmal kurze oder öfters auch sehr lange Zeit bestehen bleiben. Was aber kannst du als Gruppenleiter/in dazu beitragen, dass in eurer Gruppe Freundschaften wachsen und auch bestehen können?
In jeder Phase des Lebens ist es wichtig, gute Freund/innen zu haben, mit denen man sich austauscht, gemeinsam etwas unternimmt, die eine/n verstehen und für eine/n da sind, wenn man sie braucht. Der Wert einer guten Freundschaft kann gar nicht hoch genug bemessen werden. Freundschaft ist aber nichts, was einem zufällig "passiert", oft muss man nach einer guten Freundschaft erst lange suchen und sich um sie bemühen. Freundschaften brauchen günstige Rahmenbedingungen, sie brauchen Zeit, um zu wachsen, und sie brauchen eine gute Basis, damit sie auch schwierige und konfliktträchtige Situationen überstehen können. Dir als Gruppenleiter/in ist es bestimmt auch wichtig, dass in deiner Gruppe gute Voraussetzungen für das Knüpfen von Freundschaften da sind. Wie aber kannst du bewusst dazu beitragen, diese Voraussetzungen zu schaffen?
Nicht alle werden Freund/innen sein
Ein paar Worte vorweg, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Du als Gruppenleiter/in kannst dazu beitragen, dass bei euch in der Gruppe ein Klima entsteht, das für das Schließen von Freundschaften förderlich ist. Aber: Es steht nicht etwa in deiner Macht, ob Kinder in deiner Gruppe sich miteinander anfreunden oder nicht. Erste Voraussetzung für das Schließen einer Freundschaft ist Sympathie, die entweder da ist - oder eben nicht. Wenn zwei Kinder einfach nicht zusammenpassen, könntest du dich auf den Kopf stellen, und es würde nichts daran ändern, dass die beiden sich nicht miteinander anfreunden wollen - jede/r kann nur selbst entscheiden, mit wem er/sie eine Freundschaft schließen möchte. Du solltest dich auch nicht der Illusion hingeben, dass alle Kinder deiner Gruppe enge Freund/innen werden: Das ist einfach unwahrscheinlich und für eine gute Gruppe auch gar nicht unbedingt notwendig.
Gemeinsame Erlebnisse als Grundlage
Stell dir vor, dir begegnet auf einer Party eine dir noch völlig fremde Person und ihr kommt miteinander ins Gespräch. Dabei stellt ihr fest, dass ihr euch versteht, dass ihr euch gut miteinander unterhaltet und einander sympathisch seid. Würdest du euch deshalb schon als Freund/innen bezeichnen? Wahrscheinlich nicht. Freundschaften brauchen längere Zeit, um sich entwickeln zu können, gegenseitiges Vertrauen muss gebildet werden. Die Beziehung zwischen den zwei Menschen muss sich erst in verschiedenen Situationen bewährt haben, damit wir sie als Freundschaft bezeichnen. Bevor wir Freund/innen werden, müssen wir in der Regel erst gemeinsam etwas erleben, wir brauchen gemeinsame erfreuliche Erinnerungen, auf die wir zurückgreifen können und die unsere Beziehung festigen.
Was heißt das für eure Jungschargruppe? Du als Gruppenleiter/in bist gefragt, den Kindern ein vielfältiges Programm anzubieten, das auf ihre Bedürfnisse eingeht. Wenn die Kinder in der Jungschargruppe für sie Erfreuliches erleben können, wenn es ein abwechslungsreiches Programm gibt und ihr gemeinsam Dinge unternehmt, die den Kindern Spaß machen, so wird dieses Klima dazu beitragen können, dass Kinder sich miteinander anfreunden. Auch ein gelungenes Lager, auf dem die Kinder sich wohl fühlen und miteinander Spaß haben, ist oft ein "Nährboden" für gute Freundschaften.
Du prägst das Klima
Als Gruppenleiter/in prägst du durch dein Verhalten ganz entscheidend das Klima in eurer Gruppe. Ist es dir schon einmal passiert, dass an einem Tag, an dem du besonders gut drauf warst, eure gemeinsame Gruppenstunde auch besonders gelungen ist? Hast du manchmal das Gefühl, dass deine Stimmung und dein Verhalten sich auf die Kinder übertragen können? Mir ist das schon oft passiert, und ich bin mir sicher, dass es kein Zufall ist. Was heißt das aber jetzt für dich und wie solltest du als Gruppenleiter/in eigentlich auftreten?
Sei einfach du selbst, aber das so gut wie möglich. Keinesfalls solltest du dich vor den Kindern verstellen und ihnen etwas vormachen - sie würden es merken, und weder du noch die Gruppe würde sich dabei besonders wohl fühlen. Wenn du als Gruppenleiter/in authentisch auftrittst und den Kindern auch etwas davon zeigst, wie es dir gerade geht (was nicht heißt, dass du deine Launen an ihnen auslassen solltest), so wird es die Kinder ermutigen, sich auch nicht zu verstellen, sondern sie selbst zu sein. Im ganz alltäglichen Leben verstellen wir uns nämlich öfter, als es uns bewusst ist. Wenn die Kinder dann in der Gruppe die Erfahrung machen können, dass sie keine Rolle spielen müssen, um akzeptiert zu werden, so wird das das Entstehen von Freundschaften unter den Kindern unterstützen - eine gute Freundschaft zeichnet sich nämlich unter anderem dadurch aus, dass man von dem/der Freund/in so gemocht wird, wie man tatsächlich ist.
Aber auch sonst prägt dein Verhalten das Klima in der Gruppe. Wenn du den Kindern eine verständnisvolle und verlässliche Bezugsperson bist, die auf sie eingeht und auf sie hört, wenn sie dir etwas erzählen oder etwas von dir brauchen, dann unterstützt und bestärkst du genau dieses Verhalten bei den Kindern, und das wiederum wird auch dazu beitragen, dass Freundschaften entstehen können.
Krisen und Konflikte
In jeder Beziehung gibt es auch schwierige Zeiten, die gemeinsam überstanden werden wollen. Interessenskonflikte, Meinungsverschiedenheiten und Streit - sie kommen überall und so auch bei einer Freundschaft vor. Entscheidend für das Weiterbestehen der Freundschaft ist, ob es den Beteiligten gelingt, damit umzugehen.
Du kannst die Kinder deiner Gruppe unterstützen, krisenhafte Situationen zu überstehen, indem du im allwöchentlichen Zusammensein mit ihnen übst, wie man mit Konflikten umgehen kann - Anlässe dafür wird es auch bei euch sicher geben. Eine wichtige Grundregel ist, Konflikte zuzulassen - verlange also nicht von deinen Kindern und erwarte dir auch nicht, dass sie immer nur harmonisch miteinander umgehen sollen - überall, wo mehrere Menschen zusammentreffen, gibt es nun einmal auch Konflikte, und wir müssen lernen, damit umzugehen, indem wir uns damit auseinandersetzen. Wenn Meinungsverschiedenheiten immer nur unter den Teppich gekehrt werden, kann es leicht irgendwann passieren, dass die Situation eskaliert und es zu einem großen Streit kommt, mit dem dann aber keine/r umgehen kann. Also: Konflikte in der Gruppe sollen zugelassen und offen angesprochen werden. Es ist gut wenn du die Kinder ermutigst, auch kontroversielle Standpunkte offen zu artikulieren und einander zuzuhören, um dann gemeinsam zu einer für jede/n einzelne/n zumindest tragbaren Lösung zu finden.
Eine weitere wichtige Regel in eurer Gruppe könnte dabei sein, dass niemand einem/r anderen weh tun darf, weder körperlich noch mit Worten. Diese Regel kannst du als Gruppenregel mit den Kindern vereinbaren und ihnen auch immer wieder ins Gedächtnis rufen. Man kann auch heftige Streits miteinander besser austragen und leichter zu einem Kompromiss finden, wenn die Beteiligten einander nicht persönlich verletzen.
Das Ende einer Freundschaft
Manchmal gelingt es dennoch nicht, einen Konflikt zu bereinigen. Wenn sich herausstellt, dass man allzu gegensätzliche Standpunkte vertritt, wenn man plötzlich merkt, dass man in einem oder mehreren Punkten eigentlich überhaupt nicht miteinander kann, dann kann es leicht passieren, dass eine Freundschaft daran scheitert. Auch in einer solchen schwierigen Situation kannst du die Kinder unterstützen, ihnen helfen, trotzdem noch miteinander zu sprechen und in der Gruppe nebeneinander weiter zu sein, ohne dass ihre zerbrochene Freundschaft sich deshalb gleich in Feindschaft umwandeln muss. Wichtig ist in einer solchen Situation, dass du für beide Seiten Verständnis zeigst und zuhörst. Eine zu Ende gegangene Freundschaft ist für die Beteiligten oft eine schmerzhafte Erfahrung - wenn es da eine/n unparteiische/n Vermittler/in gibt, der/die beiden Teilen zeigt, dass sie nach wie vor in der Gruppe willkommen sind und sie unterstützt, wieder zu einem "normalen" Verhältnis zu finden, kann das eine wichtige Hilfe sein.
Freundschaften fördern heißt, die ganze Gruppe zu stärken
Wenn du die Kinder deiner Gruppe beim Schließen (und Beenden) von Freundschaften wie geschildert unterstützt, wird sich das in Summe positiv für die ganze Gruppe auswirken, denn was eine Gruppe prägt, sind unter anderem ganz wesentlich die in ihr vorhandenen Beziehungen zwischen den einzelnen Mitgliedern der Gruppe. Du kannst, wenn du so willst, die erwähnten Tipps auch als Ratschläge zum Schaffen einer guten Grundlage für eine funktionierende Gruppe lesen, und es wird sich an den einzelnen Punkten nichts ändern. Wenn du beim Lesen festgestellt hast, dass du eigentlich schon bisher gute Arbeit gemacht hast - wunderbar! Wenn sich in einer Gruppe gute und vielleicht auch dauerhafte Freundschaften entwickeln, und wenn man sieht, was man selbst vielleicht dazu beitragen konnte, dann weiß man wieder einmal, warum man gerne Jungschar macht.
Martin Lacroix