... und was du als Gruppenleiter/in dazu beitragen kannst.
Hast du schon einmal überlegt, was das ist: eine Gruppe? Ein paar Leute, die gerade auf den Bus warten ... die Fußballfans, die ins Stadion strömen ... die sonntäglichen Messbesucher/innen ...??? Man kann ein paar Kriterien zur Definition von „Gruppe“ benennen:
Überschaubarkeit
In der Psychologie spricht man ab 3 Personen von einer Gruppe. Was die Gruppengröße in der Jungschar betrifft, ist es wichtig, dass es nur so viele sind, dass die oder der Gruppenleiter/in nicht den Überblick über die Bedürfnisse und Befindlichkeiten aller Gruppenmitgliedern verliert und jederzeit mit jeder/jedem in direkten Kontakt („face-to-face“) treten kann. Meistens wird als ideale Anzahl 10 bis 14 Kinder angegeben. Falls es sich abzeichnet, dass deine Jungschargruppe wesentlich größer wird, könntest du dir also überlegen, vielleicht 2 Gruppen dieser Größe daraus zu machen.
Geschlossenheit
Eine Gruppe ist, im Gegensatz zu einer zufälligen Ansammlung von Menschen, ein kompliziertes Beziehungsgebilde: Voraussetzung dafür ist, dass klar ist, wer zur Gruppe gehört und wer nicht. Ein ständiges Kommen und Gehen verhindert das Werden einer Gruppe.
Kontinuität
Eine Gruppe ist keine einmalige Sache, sondern entwickelt eine eigene „Lebenszeit“, welche durchaus mehrere Jahre dauern kann. Gruppentreffen müssen regelmäßig stattfinden, damit die Gruppenmitglieder nicht den Anschluss verlieren. 14-tägige oder – besser – wöchentliche Treffen sollten für deine Jungschargruppe die Regel sein. Regelmäßige Treffen geben den Kindern auch etwas, auf das sie sich freuen können, das zu einem schönen Ritual und zu einem fixen Bestandteil ihres Alltages wird.
Ziele und Aufgaben
Gruppen sind nicht Selbstzweck. Wenn also am Start deiner neuen Jungschargruppe ein interessantes „Projekt“ steht, welches die Kinder ein Stück herausfordert (individuelle Begabungen) und zugleich zueinander in Beziehung bringt (Kooperation), dann kann das eine Gruppenbildung gut voranbringen.
Der Gruppenprozess
Mit fortschreitender Zeit entwickelt sich die Gruppe. Das ist keinesfalls ein linearer Prozess, sondern es gibt immer wieder auch Rückschritte, Leerläufe, Irritationen. Folgende große Phasen lassen sich beschreiben:
Fremdheit
Wer ist denn aller da? Wie wird das gehen? Was erwartet mich? Zu Beginn jeder Gruppe sind die Mitglieder verunsichert. Man kennt einander nur vereinzelt, viele neue Eindrücke und Informationen müssen verarbeitet werden, Spielregeln sind unklar, spontane Sympathien, aber auch Antipathien treten auf ...
In dieser Anfangsphase ist es deine Aufgabe als Gruppenleiter/in, Sicherheit zu geben, Übersicht und Zusammenhang herzustellen, Klarheit zu schaffen über Rahmenbedingungen, Vorhaben, Umgangsformen usw. Ihr könnt euch in dieser Phase überlegen, welche Rituale ihr in eurer Gruppe einführen wollt (Anfang/Ende der Stunden, Geburtstage, ...) – diese Regelmäßigkeiten erleichtern es den Kindern, sich in der neuen Situation zurecht zu finden und helfen, eine eigene „Gruppenkultur“ aufzubauen.
Gerade für diese Phase ist es sehr hilfreich, wenn ihr zu zweit die Gruppe leitet, dann könnt ihr euch abwechseln im Anleiten und Beobachten, und könnt rechtzeitig intervenieren, wenn ihr merkt, dass sich einzelne Kinder nicht wohl fühlen oder „innerlich emigrieren“.
Orientierung
Was ist mein Platz in der Gruppe? Welche Rolle habe ich da? Welche Spielregeln – ausgesprochen oder versteckt – gelten hier? Relativ rasch wird deutlich, wer „die Lauten“ und wer „die Leisen“ sind. Und genauso rasch wird versucht, die eigenen Interessen gegen die der anderen durchzusetzen. Kinder wetteifern gerne um die Aufmerksamkeit der Gruppenleiter/innen und finden so heraus, welches Verhalten passend für das Gruppengeschehen ist.
Auch diese Phase verlangt von dir als Gruppenleiter/in große Aufmerksamkeit, eine klare Positionierung bezüglich Wertschätzung und Respekt jeder und jedem einzelnen gegenüber und eine entsprechende Interventionsfreudigkeit, wenn es darum geht, Minderheiten zu schützen oder Einzelpositionen in der Gruppe entsprechend zu respektieren.
Vertrautheit
„Wir“ gehören zusammen! Alle haben ihren Platz bei uns und sind respektiert! Wir wollen auch gemeinsam etwas schaffen! Orientierungsphasen müssen länger dauern, wenn sich ein „Wir-Gefühl“ in der Gruppe einstellen soll. Ist es aber geschafft, dann befindet sich die Gruppe tatsächlich auf einem sehr guten Beziehungs- und Aktivitätsniveau.
Je fester dieses „Wir“ in der Gruppe gewachsen ist, desto klarer und realistischer werden die Antworten ausfallen, wenn du die Gruppe fragst, was sie denn miteinander tun wollen. Wenn man es genau nimmt, dann kannst du diese Frage tatsächlich erst in der „Wir“-Phase der Gruppe stellen – und damit auch ein Stück von deiner Leitung an die Gruppe abgeben. Ab jetzt bist du „Begleiter/in“ ihrer selbstgewählten Ziele und Aufgaben.
Differenzierung
Wir sind doch unterschiedlich! Müssen wir immer alles gemeinsam tun? Lassen sich eingespielte Regeln nicht auch wieder aufbrechen? So paradox es klingen mag – ein verlässliches „Wir“-Gefühl gibt den Gruppenmitgliedern so viel Sicherheit, dass sie sich an Differenzierung wagen. André Heller hat es einmal auf den Punkt gebracht: „Es ist erstaunlich, wie nahe man sich kommt, wenn man sich auseinandersetzt!“
Es geht um ein Ausprobieren, wieweit „Gemeinschaft in Differenz“ innerhalb der Gruppe möglich wird. Manche Gruppen schrecken davor zurück und beginnen wiederum in der Orientierungsphase die Frage zu stellen: „Wer sind WIR? Und was wollen WIR eigentlich?“
Als Gruppenleiter/in ist deine Aufmerksamkeit in dieser Phase wieder stärker gefordert. Denn es geht darum, dass Differenz, Widerspruch, Gegenposition, ... die Gemeinschaft nicht infrage stellen, sondern möglichst stärken. Gut möglich, dass du der Gruppe helfen musst, eine gute Feedback-Kultur zu entwickeln.
Abschluss
Gruppen haben auch irgendwann ein Ende. Sei es, weil Kinder umziehen, in eine andere Schule wechseln, keine Zeit mehr für Gruppenstunden haben – oder weil sie dem Jungschar-Alter entwachsen und auf einmal gar keine Kinder mehr sind. Manchmal endet eine Gruppe auch, weil der/die Gruppenleiter/in keine Zeit mehr hat oder ins Ausland geht.
Gut möglich, dass sich die Gruppenmitglieder (noch) nicht trennen wollen, dann könnt ihr gemeinsam überlegen, wie es denn mit der Gruppe weitergehen soll. Manchmal ist es eine Option, sich als Firm- oder Jugendgruppe weiterhin zu treffen. Oder vielleicht spielt ihr immer noch so gerne miteinander, dass ihr euch in größeren Abständen (monatlich, einmal im Semester, …) zum gemeinsamen Spielen treffen wollt?
Wenn sich das Ende des Gruppenlebens (in der gewohnten Form) anbahnt, ist es jedenfalls wichtig, auch die Abschiedsphase bewusst zu gestalten: Fein ist es, wenn alle so voneinander Abschied nehmen können, dass keine schlechten Gefühle dabei entstehen. Denn die Gruppe war eine gute, eine wertvolle Zeit, sie hat uns Freunde und Freundinnen werden lassen und wir haben tolle Erlebnisse miteinander gehabt. Am Ende der Gruppe bist du als Gruppenleiter/in wieder stark in deiner Leitungsrolle gefragt – du musst diesen Abschluss gestalten, damit sich alle Gruppenmitglieder auch gut lösen können. Hilfreich sind jedenfalls Rituale und symbolzentrierte Aktivitäten (z.B. Abschlussfest).
Zum Schluss noch ein Tipp: Führe ein Gruppentagebuch, wo du nicht nur die Gruppenaktivitäten einträgst, sondern auch deine persönlichen Reflexion zum Gruppenprozess. Versuche nach jedem Gruppentreffen festzustellen, in welcher Phase sich deine Gruppe gerade befindet. Es kann durchaus sein, dass ihr „springt“ – nach vorne ebenso wie auch rückwärts. Diese Reflexion – noch besser wenn ihr zu zweit seid – kann dir helfen, das Programm zu planen und gegebenenfalls Vorschläge für Gruppenübungen zu machen, die den Mädchen und Buben helfen, in ihrem Gruppenprozess wieder ein Stückchen voranzukommen.
Otto Kromer, Nani Gottschamel und Veronika Schippani
kumquat "alle anders - alle gleich!" 3/2015