Die Kinder und ich

Gestaltung von belastbaren Beziehungen

Dass die Kinder in der Jungschar Spaß haben und sich wohl fühlen hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab: Freund/innen, abwechslungsreiches Programm, respektvolles Gruppenklima, Mitbestimmungsmöglichkeiten, etc. Doch der wichtigste Faktor bist du! Als Gruppenleiter/in kannst du mehr als alle anderen dazu beitragen, dass die Kinder die Jungschar- und Ministrant/innen-Stunden oder das Lager positiv erleben.

Die Kinder nehmen uns nicht nur als Gruppenleiter/innen, sondern als ganze Personen wahr – das heißt, sie nehmen wahr, wie wir uns in verschiedenen Situationen verhalten, was wir wie sagen, etc. Eine Gruppe zu leiten und eine Beziehung zu den Kindern zu haben ist untrennbar miteinander verbunden. Die Art dieser Beziehung kannst du beeinflussen und durch dein Verhalten mit gestalten.

Wertschätzung

Die Basis jeder positiven Beziehung ist gegenseitige Wertschätzung – so ist es auch in der Jungschar oder Ministrant/innen-Gruppe. Hier ist die Aufgabe für den/die Gruppenleiter/in ganz klar: Versuchen, alle Kinder zu mögen!

Bei manchen Kindern fällt es uns leichter, eine Beziehung aufzubauen, bei anderen müssen wir uns mehr bemühen, weil es nicht automatisch „auf Anhieb“ klappt. Das liegt daran, dass uns nicht alle Menschen (und damit auch nicht alle Kinder) gleich sympathisch sind. Sympathie empfinden wir immer dann, wenn wir Ähnlichkeiten mit jemandem entdecken, bzw. wenn jemand (auch in Teilbereichen) so ist, wie wir gerne wären. Jedes Kind hat liebenswerte Eigenschaften oder Persönlichkeitsmerkmale, die es besonders machen. Wir müssen uns nur bemühen, genau genug hinzuschauen, um sie auch zu erkennen.

Die Kinder sollen merken, dass sie uns als Gruppenleiter/in wichtig sind, egal was passiert. Das heißt, dass die wertschätzende Haltung, mit denen du den Kindern begegnest auch unabhängig ist von ihrem konkreten Verhalten in der jeweiligen Situation. Zu einer belastbaren Beziehung gehört, dass die Kinder spüren, dass wir sie mögen, auch wenn wir nicht mit dem einverstanden sind, was sie gerade tun. Auch darf diese Achtung nicht an eine zu erbringende Leistung gekoppelt sein. Die Grundbotschaft soll also nicht sein: „Ich mag dich, solange du lieb und brav bist“ sondern: „Ich mag dich, weil du so bist, wie du bist!“. Das bedeutet nicht, dass die Kinder tun können, was sie wollen, aber sie sollen sich sicher sein können, dass der/die Gruppenleiter/in sie trotzdem weiterhin mögen wird, auch wenn er/sie mal schimpft.

Im konkreten Gruppenstunden-Alltag zeigt sich das Ausdrücken von Wertschätzung in vielen Kleinigkeiten. Wertschätzung wird sichtbar…

… wenn der/die Gruppenleiter/in die Namen aller Kinder weiß. Am besten gleich in der zweiten Gruppenstunde oder am ersten Lagerabend.

… wenn Geburtstage nicht vergessen werden. Da braucht es gar keine eigene Geburtstagsparty für jedes Kind. Es reicht eine SMS am Geburtstag oder dass ihm/ihr in der nächsten Gruppenstunde gratuliert wird und er/sie sich z.B. das erste Spiel aussuchen darf.

… wenn dem/der Gruppenleiter/in auffällt, dass ein Kind schon ein paar Mal nicht zur Gruppenstunde gekommen ist und nachfragt, was los ist.

… wenn der/die Gruppenleiter/in sich merkt oder aufschreibt, was die Kinder für Hobbys haben oder nachfragt, wie denn die Mathe-Schularbeit gelaufen ist.

Kinder ernst nehmen

Kinder sind anders als Erwachsene. Sie denken anders, sie verwenden andere Ausdrücke als Erwachsene, sie interessieren sich für andere Sachen und sind oft fasziniert von Dingen, die wir als Erwachsene möglicherweise gar nicht (mehr) beachten. Das macht das Leben mit Kindern ja so spannend!

Leider kommen nicht alle Erwachsenen zu diesem Schluss. Viele sind der Meinung, dass das Anders-Sein der Kinder unreif und „kindisch“ ist, dass es ihnen an Lebenserfahrung fehlt und sie albern sind. Damit einher geht oft die Ansicht, dass man Kinder nicht ernst zu nehmen braucht. Doch Kind-Sein ist nicht nur eine Art „Vorstufe“ auf dem Weg zum Erwachsen- (und damit Mensch-)Werden. Egal wie alt sie sind, auch Kinder sind ganze Menschen mit ganz individuellen Wünschen, Träumen, Phantasien, Zielen, Talenten und Fähigkeiten.

Auch wir Erwachsenen sind Individuen und niemand ist genau wie ein/e zweite/r. Wir denken, fühlen und handeln ganz unterschiedlich – genau wie die Kinder. Trotzdem erwarten wir uns, von anderen ernst genommen zu werden und den Kindern steht das genauso zu. Zu einer belastbaren Beziehung gehört ganz wesentlich dazu, die Kinder in ihrem Anders-Sein, Anders-Denken und Anders-Tun als ganze Personen ernst zu nehmen.

Für die Arbeit mit der Jungschar- oder Ministrant/innen-Gruppe heißt das, …

… dass wir uns als Gruppenleiter/innen für die Kinder und ihre Lebenswelt (also für ihre Wünsche, Anliegen, Sorgen, Hoffnungen, etc.) interessieren und Anteil nehmen.

… dass wir die Fragen der Kinder ernst nehmen und sie nicht „abschasln“. Das heißt nicht, dass wir alles beantworten können müssen, sondern dass wir uns zumindest darauf einlassen.

… dass wir Wünsche und Ideen der Kinder ernst nehmen und Mitbestimmung in der Gruppe oder am Lager ermöglichen. Das meint ein Interesse für Spielideen der Kinder, ein Eingehen auf Programmwünsche oder auch die Möglichkeit Feedback zu bekommen.

Glaubwürdigkeit

Als Gruppenleiter/in ist es wichtig, als Person glaubwürdig zu sein. Das meint erst einmal, dass das was wir sagen mit dem was wir tun, zusammenpassen muss. Ich kann z.B. nicht selbst jede zweite Stunde fünf Minuten zu spät kommen und in den anderen Wochen schimpfen, wenn die Kinder unpünktlich sind und dadurch evtl. einen Spielablauf stören. Das wirkt unglaubwürdig und die Kinder können sich nicht orientieren.

Glaubwürdigkeit heißt auch, sich den Kindern so zu zeigen, wie man ist. Manchmal ist man gut drauf und manchmal nicht, das gehört dazu. Solange wir unsere Launen nicht an den Kindern auslassen, sondern erklären, ist es legitim, auch einmal nicht nur fröhlich zu sein. Die Kinder kennen das von sich selbst und werden das auch bei dem/der Gruppenleiter/in akzeptieren. Sie brauchen auch keine Erwachsenen, die so sind wie sie selbst – wir müssen also nicht zwanghaft versuchen, uns den Kindern anzupassen (z.B. was Sprache oder Kleidungsstil betrifft). Jede/r Gruppenleiter/in hat seinen/ihren eigenen Stil, mit Kindern umzugehen und das ist – solange das wertschätzend geschieht – auch gut so!

Bei der Wahrheit zu bleiben ist in vielen Situationen angebracht und wichtig – ob es um den Grund geht, warum die Gruppe trotz Sonnenschein nicht sofort draußen Ballspielen geht (z.B. weil du etwas anderes vorbereitet hast und das zumindest ausprobieren möchtest) oder weil du eine persönliche Frage nicht beantworten möchtest. Wahre Begründungen für unsere Entscheidungen zu geben, heißt manchmal auch, dass wir unsere Standpunkte überdenken müssen (wenn wir Regeln z.B. nur aus Bequemlichkeit aufstellen und es eigentlich keinen logischen Grund dafür gibt, warum sie dieses oder jenes nicht dürfen). Dafür werden Kinder sich auch eher an Grenzen, die wir setzen, halten, wenn sie verstehen, warum wir etwas (nicht) wollen. Kinder brauchen niemanden, der „Gschichtln druckt“ und sich interessant machen will, sondern echte und ehrliche Menschen.

Dazu gehört auch, Fehler zugeben zu können. Als Gruppenleiter/innen müssen wir nicht perfekt sein. Die Kinder erwarten sich niemanden, der/die immer alles richtig macht. Dadurch wären wir auch keine besonders guten Vorbilder für sie. Kinder machen schließlich auch Fehler und können durch unser Verhalten erleben, wie man damit umgehen kann. Wir dürfen und sollen zu unseren Fehlern stehen und uns gegebenenfalls entschuldigen – da hat auch in unserer Vorbildfunktion eine wichtige Signalwirkung an die Kinder in unserer Gruppe.

All diese konkreten Dinge, die hier vorgeschlagen werden, verlangen nicht unglaublich viel Aufwand von Seiten des/der Gruppenleiters/in, sondern zeigen eine zugrundeliegende Haltung den Kindern gegenüber, die eine belastbare Beziehung ermöglicht. Um diese Beziehung zu schaffen und aufrecht zu erhalten, müssen wir keine Liste an Verhaltensregeln abarbeiten – es reicht, wenn wir Kinder gern haben und es uns wichtig ist, dass sie sich in der Gruppe wohlfühlen.

Ich wünsche euch und euren Kindern viele gute Erfahrungen, die in der Gruppe miteinander macht.

Sandra Fiedler

[aus dem kumquat "gratis" 2/2011]