Interview mit Michael Kienböck (selbstständiger Outdoortrainer und Psychotherapeut) von Sara Dallinger
Michael Kienböck
Studium der Sportwissenschaften, seit 1999 Arbeit in freier Praxis (Psychotherapie, Supervision, Coaching), Outdoortrainer, Projektleiter bei der Österr. Kinderkrebshilfe für erlebnistherapeutische Geschwistercamps, langjährige Trainererfahrung in den Bereichen Kommunikation, Gruppendynamik, Persönlichkeits- und Teamentwicklung sowie seit 1998 Lehrtrainertätigkeit im Bereich Outdooraktivitäten und Erlebnispädagogik
Sara hat sich mit ihm getroffen und nachgefragt, wie er in seinem Beruf als Outdoortrainer mit Konkurrenz umgeht.
Wir in der Jungschar Wien vertreten eine pädagogisches Konzept in dem es darum geht, Kinder nicht bewusst Situationen der Konkurrenz auszusetzen, weil wir die Aufgabe der Gruppenleiter nicht darin sehen, Kinder verlieren zu lassen, sondern darin Kinder gut auf ihrem Lebensweg zu begleiten und sie durch positive Erfahrungen zu stärken.
Sara: Ein wenig Einblick in unsere Sicht zur Konkurrenz habe ich dir jetzt geben können. Wie stehst du in deinem Arbeitsfeld zu diesem Thema?
Michael Kienböck: Das besondere an meinem Beruf ist, dass ich nach Aufträgen arbeite. Zum Beispiel habe ich im Herbst mit 2 Schulklassen gearbeitet, da gab es den Auftrag die Klassengemeinschaft zu fördern. Und da habe ich dementsprechend das Setting dann gewählt. Ich arbeite nicht so wie die Jungschar Wien in einer Einrichtung, die eine pädagogische Haltung an eine Zielgruppe vermitteln möchte.
Sara: Du arbeitest mit Aufträgen. Wenn du einen solchen Auftrag annimmst, ist es dann für dich persönlich wichtig, auf eher kooperative Settings zu achten, auf Aufträge, die auf Zusammenführung und Zusammenarbeit abzielen?
Michael Kienböck: Also ich arbeite sehr gerne mit Gruppen, wo es auch darum geht, wie wertvoll Kooperation sein kann und was da alles drinnen steckt. In denen es darum geht wie schön es sein kann gemeinsam etwas zu schaffen , etwas zu bewerkstelligen – das ist ein schöner Part meiner Arbeit.
Sara: Hast du das Gefühl du erlebst in deiner Arbeit eher Gruppen und Teams, die auf Anforderungen kooperativ reagieren oder solche, die das nicht tun?
Michael Kienböck: Also wenn ich mit Teams arbeite, das sind meistens Erwachsene, die erlebe ich schon so, dass sie das auch so sehen, dass es etwas bringt, im Team zu arbeiten, miteinander gut auszukommen und zu kooperieren. Gemeinsam Konflikte zu klären um im Team wieder gut arbeiten zu können und erfolgreich sein zu können. Bei Kindern und Jugendlichen ist es ganz unterschiedlich. Da gibt es Kinder, die haben das auch noch nicht erfahren mit anderen gemeinsam eine Lösung suchen zu können. Weil ich gerade stark meine letzte Schulklasse in Erinnerung habe, das waren Zehnjährige: da gab es welche, die das noch nicht erlebt haben, die das erst lernen mussten, wie man miteinander diskutiert, Kompromisse schließt, Meinungen und Wünsche respektiert.
Sara: Würdest du sagen, dass bei Kindern Erfahrungen mit Konkurrenz häufiger sind als Erfahrungen mit Kooperation?
Michael Kienböck: Vielleicht nicht am häufigsten Erfahrungen direkt Konkurrenz sondern Erfahrungen mit: der hat sein Ding und weiß wie es geht und rechnet auch gar nicht damit, dass es da noch andere Meinungen, Möglichkeiten, Kinder gibt. Da geht es noch gar nicht um die Stufe des besser Machens. Sich nicht vorstellen zu können, dass es auch andere Vorstellungen gibt. Und es gibt natürlich auch andere Kinder oder Jugendliche die mehr Kooperatives erlebt haben und positive Erlebnisse damit verbinden. Von der Tendenz her glaube ich aber schon, dass je jünger die Kinder sind, desto seltener ist das Verständnis für Kooperation da und umso mehr gute Erfahrungen brauchen sie, um sich darauf einlassen zu können.
Sara: Denkst du Kinder brauchen für eine gute Entwicklung den Umgang mit Konkurrenz, auch in konkret herbeigeführten Settings – das was in unserer Gesellschaft häufig mit „verlieren lernen“ betitelt wird?
Micheal Kienböck: Also ich glaube, dass je mehr du Zeit mit einer Gruppe hast, umso facettenreicher sind die Themen die aufkommen. Also wenn du zum Beispiel nur eine Stunde in der Woche oder eine Stunde alle zwei Wochen mit einer Gruppe verbringst, musst du als Gruppenleiter/in ganz klar das dir am Wichtigsten auswählen. Wenn du mehr Zeit hast – nehmen wir als Beispiel eine Projektwoche einer Schulklasse zum Thema soziale Kompetenzen und Klassengemeinschaft, dann wird auch automatisch das Thema Konkurrenz kommen, weil es einfach in unserer Welt ist. Wenn man aufmerksam ist, muss man das Thema Konkurrenz nicht herholen. Denn auch in Kooperationssituationen oder einfach im Alltag kommen Themen auf wie „Welche These setzt sich durch, Wer kann was entscheiden, Welcher Vorschlag wird angenommen?“
Sara: Du meinst also für Kinder bewusst Situationen zu gestalten, in denen sie Erfahrungen des Verlierens oder des Scheiterns machen, ist nicht notwendig.
Michael Kienböck: Genau, ich glaube Kinder sehen, dass es Konkurrenz in der Welt und Konkurrenz im alltäglichen Miteinander gibt, sie erleben es in ihren vielen Vorbildern. Kinder brauchen die Erfahrung wie sie mit ebendiesen Dingen umgehen können. Irgendwann passiert es automatisch, dass das Thema in einer Gruppe aufkommt.
Sara: Gutes kooperatives Tun ist mehr als Konkurrenz zu vermeiden. Wie herausfordernd erlebst du die Position des Leiters/ der Leiterin einer Gruppe?
Michael Kienböck: Bei Konkurrenz geht es immer auch um Konflikt, um unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse, um den Glauben, dass der eine besser ist als der andere. Da steckt schon auch viel in der Anleitung und der Begleitung drinnen, damit solche Dinge gut gelöst werden können bis hin das daraus auch etwas gelernt werden kann, wie man künftig an Konflikte herangeht.
Wichtig dabei ist für den/die Leitung einer Gruppe und auch für mich als Outdoortrainer mich einerseits immer wieder mit meiner eigenen Haltung auseinander zu setzen. Wie stehe ich zu Kooperation, was denke ich zur Konkurrenz, wie tue ich damit und wie geht es mir, wenn ich konkurrenzigen Situationen ausgesetzt bin und andererseits brauche ich auch Methoden, die ich anwenden kann, um solche Situationen gut zu begleiten.
Sara: Du bist mit einer Schulklasse eine Woche lang beisammen und erlebst in Alltagssituationen ständiges Vergleichen zwischen den Kindern. Lässt du solche Erlebnisse beruhen oder greifst du ein?
Michael Kienböck: Ich versuche im Setting darauf zu schauen, dass die Kinder spüren, dass es nicht darum geht sich zu vergleichen und besser zu sein als der andere. Das kann ich in dem ich gemeinsam erreichte Ziele als solche betone und nicht vergleiche, wer an der Lösung mehr beteiligt war und wer weniger.
Sara: Schaffst du es in einer Gruppe alles, was an Emotionen bei den Teilnehmern da ist, zu spüren und darauf zu reagieren?
Michael Kienböck: Also ich bin bei mir weit davon entfernt, dass ich sage ich bekomme alles mit. Und das geht glaube ich auch gar nicht. Wenn ich in eine Gruppe schaue habe ich immer nur einen Ausschnitt. Rein schon von meinen visuellen Möglichkeiten: ich schaue nach links und weiß nicht was rechts passiert und umgekehrt. Außerdem gibt es viel Zeit, wo die Teilnehmer unter sich sind. Ich möchte mir auch den Stress nicht machen zu sagen, dass ich eh alles mitbekomme. Ich finde es gut, wenn man sagen kann: für den Auftrag, den ich habe weiß ich Wege, wie ich die wichtigen Stimmungen der Teilnehmer mitbekomme. Dem Wesentlichen kann ich mich nähern, alles andere käme mir anmaßend vor.
Sara: In welchem Zusammenhang steht für dich Konkurrenz und Selbstwertgefühl?
Michael Kienböck: Leistungsorientierte Menschen holen sich ganz klar sehr viel über ihre persönlichen guten Leistungen, darüber dass sie besser sind als andere. Da gibt es sicher einen Zusammenhang. Und andere, die sich akzeptieren, wie sie sind, die brauchen nicht konkurrieren und über Leistung zu zeigen, dass sie etwas Besseres sind. Das gibt es auch. Und Konkurrenz ist ja nicht nur schlecht. Nämlich im Sinne von Identitätsstiftung. Die eine ist da gut und die macht es so und im Vergleich lerne ich mich auch besser kennen und je nachdem wie ich dann tu mit dem anders Sein, geht es mir dann damit. Der Vergleich an sich ist noch nicht schlimm, blöd ist es erst, wenn ich darunter leide, es bekämpfe und mir unsicher werde.
Sara: Das klingt alles sehr herausfordernd. Gibt es etwas, dass du den Gruppenleiter/innen für ihre Arbeit mit den Jungscharkindern mitgeben möchtest?
Michael Kienböck: Ich denke, solche kontinuierlichen Gruppenerlebnisse, wie es sie bei der Jungschar gibt, sind eine unglaubliche Bereicherung für die Kinder. Auch wenn der Alltag mit einer Gruppe nicht immer einfach zu meistern ist, die Kinder erleben ein miteinander tun und gemeinsam Dinge erleben in einem positiven Sinn, fühlen sich angenommen und zugehörig und das über einen langen Zeitraum – eine gute Grundlage später selbstbewusst in der Welt mit all ihren Facetten zurecht zu kommen.