Tauch ein!

Wie der LernEinsatz auf den Philippinen meine Weltsicht veränderte.

Vor etwas über einem Jahr erzählte mir eine Freundin, dass es noch Plätze bei einem Informationsabend für “LernEinsätze” der Dreikönigsaktion der Jungschar gäbe. Das sind Reisen in “Entwicklungsländer”, in denen man einerseits die laufenden Projekte vor Ort kennenlernt, um sich ein Bild davon zu machen, wie das Geld der Dreikönigsaktion aktiv eingesetzt wird. Andererseits wird der Lerneinsatz auf englisch “Immersion” genannt, was “Eintauchen” in eine andere Kultur bedeutet.

Fünf Monate und zwei Vorbereitungsseminare später befand ich mich im Flugzeug auf dem Weg auf die 17 Flugstunden entfernten Philippinen. Gemeinsam mit sieben weiteren Österreicher/innen war ich gespannt auf die Erlebnisse, die uns erwarten würden:
Ein Monat 35 Grad rund um die Uhr, ein Monat 89% Luftfeuchtigkeit Tag und Nacht, ein Monat voller Armut und Gastfreundschaft hoch 10.

Wir verbrachten auf unserer Reise einige Nächte bei einheimischen Gastfamilien, die in die Projekte involviert waren. Daneben bekamen wir Inputs in Form von Vorträgen oder Ausflügen der einzelnen Organisationen, die uns ihre Arbeit vorstellten.

In einem Monat bereisten wir unterschiedlichste Landschaften in den untouristischsten Gegenden. Wir mussten uns bald daran gewöhnen, selbst die Hauptattraktion in kleinen Ortschaften zu sein. Fast die ganze Zeit machten wir ähnlich große Augen wie die Leute vor Ort, und erlebten so einiges: Die räumliche Enge in Manila, wo auf wenigen Quadratmetern eine fünfköpfige Familie meisterhaft lebt, oder die knochenharte Arbeit im Reisfeld, die wir erfuhren, als wir mit Indigenen mitleben durften. Wir durchlebten alle Prozesse des alltäglichen Lebens: wie man sich mit einem Schöpfer Wasser duscht oder die Wäsche wäscht, wie man Fische fängt, um den täglichen Bedarf einer Familie zu decken und was es in einem Haus ohne Strom bedeutet, wenn um sieben Uhr abends die Sonne untergeht.



Oft kamen wir uns wahnsinnig ungeschickt vor: wenn wir nicht wussten, wie man einen gefangenen Fisch fürs Trocknen vorbereitet, oder wie man in einer engen Küche um die Mittagszeit bei gefühlten 37 Grad noch etwas kochen soll. Doch die nicht enden wollende Gastfreundschaft der Familien und die amüsanten Konversationen mit Händen und Füßen machten den Aufenthalt einzigartig und unvergesslich.

Auf der einen Seite schmeckte man köstlich reife Mangos und aß farbenprächtigen, frischen Fisch. Auf der anderen Seite hörte man Geschichten von Vätern, die mehr als 12 Stunden am Tag für weniger als 3 Euro arbeiten, um ihre Familie ernähren zu können.

Alle Persönlichkeiten, die wir in diesem Monat kennenlernen durften, waren beachtenswert und stark. Die Menschen in den Projekten setzten sich alle für etwas ein, waren engagiert und motiviert, ihren Beitrag für ein besseres Leben zu leisten. Wir hingegen fühlten uns, als hätten wir noch einen Beitrag zu leisten.



Bei einigen Reflexionsmöglichkeiten vor Ort und im Herbst in Wien kamen wir zu dem Entschluss, dass es langfristig vor allem darum geht, Bewusstsein zu entwickeln und zu fördern: Was bedeutet Armut? Wie funktioniert das Leben mit 1,50 Euro am Tag? Und bald tauchte die Frage auf: Was kann man selbst dafür tun, dass es Menschen besser geht?

Auf den Philippinen leben zwei Drittel der Bevölkerung (insgesamt rund 93 Mio. Einwohner/innen) unterhalb der Armutsgrenze, also von weniger als 1,50 Euro am Tag.
Die Gründe der stetig wachsenden Armut sind vielfältig: Korruption auf politischer Ebene, unfaire Arbeitsbedingungen und vermehrte Naturkatastrophen aufgrund des Klimawandels.

Die Arbeit der DKA auf den Philippinen – aber genauso in anderen Teilen Asiens, Afrika und Lateinamerika trägt dazu bei, dass Lebensbedingungen vor Ort verbessert werden können und würdiges Leben möglich wird. Allerdings sollte das Ziel noch weiter gefasst werden: es soll sich langfristig und großflächig etwas in die richtige Richtung bewegen!



Warum soll nicht auch eine Welt möglich sein, in der es allen gut geht?
Die Vorstellung mag naiv klingen, aber in kleinen Schritten kann jeder Einzelne seinen Beitrag zu einer gerechteren Welt leisten. Dies beginnt damit, sich Themen wie globaler Ungerechtigkeit bewusst zu werden, auch wenn sie unangenehm sind. Und dann geht es vor allem auch darum zu handeln: sei es mit Gefallen, die man Menschen in Not tut, auch in seiner direkten Umgebung, sei es durch Geldspenden, die dann in Projekten weiterwirken, sei es durch die Veränderung seines Konsumverhaltens (fair, lokal und weniger!), sei es sich politisch zu engagieren und gerechtere Verteilung einzufordern.  Wichtig ist, sich nicht davor zu verstecken.

Als wir wieder zu Hause in Wien ankamen, waren wir auf der Straße keine Attraktion mehr. Alles war wie zuvor. Aber wir begannen Dinge zu ändern: Auf einmal war die warme Dusche in der Früh mit fließendem Wasser etwas Besonderes. Wir erkannten, dass es nicht normal war, sondern Luxus, sich im Supermarkt alle wichtigen Hauptnahrungsmittel leisten zu können.

Ich habe seit dieser Reise angefangen, meine Umgebung zu reflektieren und die Dinge anders zu sehen. Ich kann nur sagen: es tut nicht weh!

Ein Bericht von Conny Selch.