Bericht vom LernEinsatz in Ghana
In der Volksschule hatte ich mal eine Brieffreundin in Ghana (auf meinen ersten Brief bekam ich nie eine Antwort) und im Gymnasium an einem Trommelkurs eines Ghanaer teilgenommen. „Europa hat die Uhr, Afrika die Zeit“ ist mir als Spruch unseres Trommellehrers in Erinnerung geblieben. Es gab also im Vorfeld nicht viele persönliche Verknüpfungen zu diesem kleinen westafrikanischen Land, das ich im Sommer 2012 bereiste. Seit meinem vierwöchigen Aufenthalt im Zuge des LernEinsatz allerdings verbinde ich damit tausende Erfahrungen und Erlebnisse, Gesichter und Geschmäcker, Bilder und Beziehungen.
Der LernEinsatz
Ziel der Reise war es, Ghana und die Projekte der Dreikönigsaktion (DKA), dem Hilfswerk der Katholischen Jungschar Österreichs dort kennenzulernen. Die Motivation dazu steckt in dem für diese Art der Bildungsreise von der DKA entworfenen Programm: LernEinsatz. Eine Gruppe von interessierten Menschen macht sich auf die Reise, um in einem fremden Land etwas zu lernen. Lernen über Ghana – das Land, seine Geschichte, seine Kultur, seine Herausforderungen. Lernen über entwicklungspolitische Projektarbeit vor Ort und was dadurch bewirkt werden kann. Viele unserer 13-köpfigen Reisegruppe – auch ich – sind in Kindertagen als Sternsinger/innen von Haus zu Haus gezogen. Daher auch das Interesse, wohin diese Gelder gehen. Um einen Teil der Welt kennenzulernen, der in unseren Köpfen oft ausschließlich mit Hunger, Armut und Not in Verbindung gebracht wird. Das alles haben wir gesehen und uns nicht vor der Frage und den Hintergründen der stetig weiter auseinander klaffenden Schere von Armut und Reichtum, von ungleichen Chancen und Strukturen gedrückt. Dabei sind wir uns unserer privilegierten Position als weiße, europäische Mittelschichtsbürger/innen, denen die Welt quasi offen steht, wieder einmal bewusst geworden. Neben all der Problematik und Schieflage gab es aber auch so viel beeindruckend Schönes zu sehen: Kultureller Ausdruck in mitreißender Trommelmusik und Tanz, lebendiges Miteinander verschiedener Religionen, generationenübergreifendes Zusammenleben, das kein Altersheim kennt. Das Erheiternde und das Bedrückende haben wir mitgenommen in Bildern und Geschichten und wollen es weitertragen, uns dafür einsetzen, die Zusammenhänge unserer Welt ein stückweit besser zu verstehen – vielleicht auch etwas zu verändern. Sei es durch die Unterstützung konkreter Projekte, sei es durch einen bewussteren, nachhaltigeren Lebensstil.
Vier Wochen – viele Themen
Viele Stationen im LernEinsatz gibt es schon seit seinem Beginn in den 1990er Jahren. So zum Beispiel der Besuch in der ehemaligen Sklavenburg Elmina Castle oder in einem privaten Krankenhaus, dessen Begründer seit nun bald 20 Jahren die europäischen Gäste mit seiner außergewöhnlichen Energie und seinem herzlichen Umgang mit Patient/innen fasziniert. Ein weiteres Herzstück ist der mehrtägige Aufenthalt in einem Dorf der Volksgruppe der Dagomba, im Norden Ghanas (rund um die Stadt Tamale). Nach intensiver Vorbereitung im TICCS (Tamale Institute of Cross Cultural Studies) bieten diese Tage in Lehmhütten, ohne Strom und Wasser, aber mit viel Gastfreundschaft, Einblicke in das traditionelle von Landwirtschaft geprägte Leben Nordghanas. Dass Zeit relativ ist und sich der Tagesablauf nach der Witterung richtet, haben wir spätestens hier gelernt. Neu dieses Jahr war das Thema Goldabbau.
Von wegen goldig
Nicht alles was glänzt, ist Gold. Aber hinter jedem Goldstückchen steckt eine traurige Geschichte. Eine von unfairen Arbeitsbedingungen, Landvertreibungen und Umweltverschmutzung. Ghana ist einer der zehn größten Goldexporteure weltweit, wurde es doch schon im 15. Jahrhundert in der Kolonialzeit als „Gold Coast“ bezeichnet. Auf einem Drittel der Landesfläche wird Goldabbau betrieben. Der Quadratmeter Landfläche kann von den Minenfirmen für 0,5 Cedi (20 Cent) erworben werden. Konflikte rund um Landnutzung, Enteignungen ohne oder mit nur geringer Kompensation sind quasi vorprogrammiert. Bei den Landvertreibungen kommt es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen, durch die Verwendung von Zyanid und Quecksilber werden Flüsse verseucht, Fische ausgerottet, Lebensgrundlagen zerstört. Die 1998 gegründete NGO (Nichtregierungsorganisation) WACAM (Wassa Association of Communities Affected by Mining) besteht aus circa zehn Mitarbeiter/innen und unterstützt die vom Goldabbau betroffenen Gemeinden. Ihre Arbeit soll langfristig zu besseren gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Gemeinden führen. Dabei stützt man sich auch auf ehrenamtliches Engagement. Finanziell getragen wird das Projekt von verschiedenen ghanaischen und europäischen Organisationen, wie auch der DKA. Erste Erfolge lassen sich sehen: Viele Betroffene in Gemeinden erhalten Kompensation im Falle von Enteignung und Verschmutzung ihrer Wasserquellen, bei schweren Menschenrechtsverletzungen wurden mit Erfolg Gerichtsfälle gewonnen und es kam zu einer Sensibilisierung der nationalen und internationalen Öffentlichkeit über die Auswirkungen des Goldabbaus.
Gold, Quecksilber und Dreck
Eine Einführung ins Thema bekam unsere Reisegruppe von einer der WACAM-Mitbegründer/innen Madame Hannah Owusu-Koranteng. Sie brachte die Problematik mit Bildern von verschmutzten Flüssen, vom Wasser schwarzen Bananen, von angeschossenen oder eingesperrten Demonstrant/innen auf den Punkt. Vor Ort in Obuasi besuchten wir zwei Gemeinden, ein illegal betriebenes Goldabbaufeld (galamsey genannt) und eine legale kleine Mine (small scale surface mining) Der Besuch hinterließ einen tiefen Eindruck bei uns: Schmutzüberzogene Männer und Frauen werkten an selbstgebauten Maschinen, in die sie Schlamm schütteten, um durch die Zufuhr von Wasser auf Goldbröckchen zu stoßen. Das Minenfeld ist ca. 200 Hektar groß, Wälder müssen dafür gerodet werden. Rundherum sieht man aufgeschüttete Berge, breite Taleinschnitte; alles Ergebnisse der großflächigen Erdumschichtungen durch den Goldabbau. Im Dorf werden uns Risse in den Häuserwänden gezeigt, die durch die Erschütterungen der Sprengungen entstehen. Der Besitzer der legalen Mine antwortet brav auf unsere Fragen. So ganz trauen wir seinen Aussagen allerdings nicht, Arbeitszeiten von 8-15 Uhr. Nein, da flunkert wer. Ob wir Quecksilber kennen, fragt er uns und schüttet einen kleinen Tropfen der silbrigen Flüssigkeit auf seine bloße Hand. Dieselbe Hand zeigt uns dann auch einen kleinen Krümel des harterarbeiteten Goldes. Wir fragen und im Hintergrund wird geschuftet. Jeder Goldschmuck, der an uns hängt, wird plötzlich schwerer. Auch unsere Gedanken am Weg zurück in den Bus sind schwermütig. Nicht alles was glänzt, ist Gold.
Simone Grosser
kumquat "Bildung" 2/2013