„Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker“ (Ernesto Che Guevara)

Ein Bericht vom Lerneinsatz 2010 auf den Philippinen

Solidarität, Mitgefühl, das Auseinandersetzen mit den Realitäten und Problemen anderer und vor allem auch das Einstehen für Verbesserungen ist für mich eine Tugend - und vielleicht Grundantriebskraft für die Auseinandersetzung mit entwicklungspolitischen Themen. Genau diese Solidarität, ihre Ausbildung und ihre Stärkung bildet neben dem Einblick in die Arbeit von Projektpartner/innen der DKA ein zentrales Element des Lerneinsatzes.

Zu diesem Zweck reiste ich diesen Sommer gemeinsam mit zehn weiteren Personen, alle im Alter zwischen 20 und 30, für vier Wochen auf die Philippinen, um sowohl die Probleme dieses Landes mitzuerleben als auch vor allem Projekte kennenzulernen, die versuchen, diese zu bekämpfen.



Am 18.7. ging es los: mit einer insgesamt 20-stündigen Anreise nach Manila. Dort verbrachten wir auch die erste Woche, um beim Theaterspielen die Gruppe noch ein bisschen besser kennenzulernen und ein wenig in das Land, seine Kultur, Geschichte und Sprache einzutauchen. Während dieser Zeit waren wir in einem kleinen Fair-Trade-Laden mit Pension untergebracht - eine absolut geniale Herberge. Es gab super leckeres Essen, zum Beispiel leckere Gemüsegerichte mit Tofu, oder auch vegetarische Burger (aus Bananen). Die Philippinen sind außerdem das vielleicht einzige asiatische Land, in dem die Bevölkerung zum größten Teil nicht gerne scharf isst. Diesbezüglich gab es also keine Probleme für uns.

Da es sich bei dieser Herberge um einen sehr politischen Ort handelte, trafen jeden Tag Mitarbeiter/innen lokaler Organisationen dort zusammen. Zum größten Teil waren es Frauen, die das Lokal dafür verwendeten, organisatorische Treffen abzuhalten. Dabei wurde viel gelacht und vor allem diskutiert. Am Gang und in den Zimmern standen (entwicklungs)politische Bücher, und überall hingen Plakate von Organisationen und Initiativen mit politischen Forderungen. Es war sehr gemütlich und wir kehrten während unseres Aufenthaltes noch mehrmals dorthin zurück.

Nach diesen ersten Tagen in Manila begaben wir uns vier Stunden zu Bus und weitere drei Stunden zu Schiff ein kleines Stück in den Süden: nach Marinduque, eine kleine Insel südlich der Hauptinsel Luzon. Die erste Nacht auf Marinduque verbrachten wir noch im Pastoral Center in Boac, der Haupt-„Stadt“ der Insel. Die darauf folgenden Nächte hatten wir dann zum ersten Mal die Gelegenheit, bei Gastfamilien zu übernachten. Die Hauptthemen, mit denen wir uns während des Aufenthalts auf der Insel beschäftigen sollten, waren das Kennenlernen von sogenannten „basic christian communities“ und die Arbeit, die die Diözese von Boac in diesen leistet. Außerdem erfuhren wir über die Gefahren durch Flutkatastrophen und die Auswirkungen von jahrelanger Ausbeutung der lokalen Bodenschätze durch ausländische Unternehmen. Dabei geht es vor allem um Eisenerz (für die Gold und Kupfergewinnung), welches in riesigen Minen, die die gesamte Natur in diesem zerstört, abgebaut wird.

Wir fuhren dazu in ein kleines Dorf (diese werden Barangay genannt), in welchem wir mit einer riesigen Willkommensfeier begrüßt wurden, zu der das gesamte Dorf zusammenkam. In Gruppen von zwei oder drei Personen wurden wir im Anschluss auf Familien aufgeteilt, wo wir den Abend und die Nacht verbrachten. Eine super Gelegenheit, Menschen kennenzulernen und sich über Unterschiede und Gemeinsamkeiten im alltäglichen Leben auszutauschen. Dabei hielten sich ältere Menschen, auch gehemmt durch die oft schlechteren Englischkenntnisse, eher im Hintergrund und wir hatten viel Kontakt zu Jüngeren. Es wurden Facebook Kontakte ausgetauscht (ein Großteil der Menschen die wir getroffen haben, hatten zumindest durch Internetcafes eine Zugangsmöglichkeit zum Internet) und über Berufswünsche, Beziehungsstatus, Pläne eine Familie zu gründen, oder ins Ausland zu gehen geplaudert. In Marinduque hatten wir auch die Gelegenheit zu sehen, wie Kokosnüsse geerntet und verarbeitet werden, mit kleinen Booten Fischen zu fahren und eine Organisation zu treffen, die sich um den Erhalt der natürlichen Ressourcen der Insel und den Hochwasserschutz kümmert. Was uns alle auch sehr gefreut hat war, dass wir dort zum ersten Mal die Gelegenheit hatten, im Meer baden zu gehen. Nach vier Tagen verließen wir Marinduque aber auch schon wieder mit dem Flugzeug Richtung Manila.

Die nächste Station war Quezon Province, eine Region an der Ostküste der Hauptinsel. Dort trafen wir mit einer Frauenorganisation (KUMARE) zusammen, die unter anderem Kleinstkredite an Frauen vergibt, damit diese zum Beispiel einen Sari Sari Store (kleines Geschäft) eröffnen können. Außerdem können die Frauen in so etwas wie eine Krankenkasse einzahlen, damit sie im Krankheitsfall finanziell unterstützt werden.

Ein paar von uns übernachteten auch hier wieder bei Gastfamilien, wir hörten uns Vorträge, einerseits über den Aufbau und die Tätigkeiten der Organisation, andererseits über die Provinz in welcher wir uns aufhielten an und nahmen an den regelmäßigen Umweltaktivitäten von KUMARE teil. Dabei geht es darum, in den Menschen, und vor allem in jungen Menschen (es gibt eine eigene Kinder und Jugendgruppe) ein Gefühl für Umweltfragen zu wecken. Das betrifft vor allem die Frage der Müllentsorgung und  Informationen über die Natur und den richtigen Umgang mit ihr. So halfen wir einen Tag lang bei der Wiederaufforstung des Waldes an den Hängen der Berge. Durch die Bäume wird das Erdreich gefestigt und werden Schlammlawinen verhindert. Einen anderen Tag stapften wir an der Küste im kniehohen Schlamm, um Mangroven (Bäume, die vor allem an der Küste im Wasser wachsen) zu setzen, weil sie die dahinter gelegenen Dörfer vor großen Wellen schützen. Die Abschiedsfeier war mit fast hundert Personen die größte der ganzen Reise. Es wurde gemeinsam gegessen, getanzt und geplaudert.



Nach der Rückreise verbrachten wir nur eine einzige Nacht in Manila und fuhren dann mit einem öffentlichen Bus in den Norden, nach Zambales, um dort zwei Tage bei den Aeta, einem indigenen Volk, zu verbringen. Wir wurden wieder sehr herzlich willkommen geheißen und bei Familien untergebracht. Am besten gefiel mir während dieses Aufenthaltes, dass wir wirklich am alltäglichen Leben der Menschen teilhaben konnten. So verbrachten wir einen ganzen Tag damit, Reis zu pflanzen, die Reisfelder mithilfe eines Carabao (Wasserbüffels) zu pflügen und ihre Gemüsefelder und die Humuserzeugung mittels tausender Regenwürmer zu besichtigen. Die Humuserzeugung findet in einem Kompost statt, der wie ein Beet angelegt ist. Es wird zunächst eine rechteckige Grube ausgehoben und der Boden und die Wände betoniert (damit die Regenwürmer nicht fliehen können). Dann wird diese Grube mit schlechter Erde und biologischen Abfällen gefüllt. Dazu kommen Unmengen an Regenwürmern. Diese fressen das Material und scheiden Erde (Humus) höchster Qualität aus, der dann für die Felder verwendet wird.

Den Höhepunkt stellte jedoch auf jeden Fall die Abschiedsfeier dar, bei welcher wir im traditionellen Gewand der Aeta gemeinsam einen, für unsere Verhältnisse ungewöhnlichen, Tanz aufführten. Unseren letzen Tag in Zambales verbrachten wir schließlich in einer kleinen Unterkunft am Strand mit einer Mitarbeiterin von IPDI, der Partnerorganisation der Dreikönigsaktion auf den Philippinen, die die gesamte Reise für uns organisiert und deren Mitarbeiter/innen uns immer begleitet haben, und reflektierten unseren vierwöchigen Aufenthalt.

In Manila fand schließlich eine allerletzte Abschiedsfeier statt, zu der alle Organisationen, die wir auf der Reise getroffen hatten, und sogar unsere Gastfamilien eingeladen waren. Für einen Teil unserer Gruppe hieß es hier auch schon Abschied nehmen, da sie noch an diesem Abend zurück nach Österreich flogen.

Was bleibt mir von meinen insgesamt fünf Wochen auf den Philippinen? Wie am Anfang meines Berichtes erwähnt, halte ich Solidarität für das zentrale Element dieser Reise. Zwar glaube ich nicht, dass tausende Kilometer mit dem Flugzeug zurückgelegt werden müssen, um Armut zu erleben. Auch in Österreich gibt es viele in Armut lebende Menschen. Diese unterscheidet sich in ihrem Ausmaß jedoch fundamental von der in weiten Teilen der Welt herrschenden absoluten Armut, bei welcher es tagtäglich um das nackte Überleben geht. Um nur annähernd ein Gefühl dafür zu bekommen, was das wirklich heißt und ein Gefühl der Solidarität zu entwickeln, helfen persönliche Erfahrungen, die man in einem Land wie den Philippinen sammeln kann ungemein, um ein innerlich vorhandenes, unkonkretes Mitgefühl mit Erlebnissen, Geschichten und vor allem Personen zu füllen, die so zu einem Teil des eigenen Lebens werden. Für mich war der Lern­einsatz, inklusive der Vorbereitung auf die Reise, meine bisher intensivste Auseinandersetzung mit den konkreten entwicklungspolitischen Herausforderungen eines Landes. So eine Erfahrung, da bin ich überzeugt, wird noch in vielen Lebenssituationen einen Beitrag dazu leisten, entwicklungspolitische Fragestellungen aus einer anderen Perspektive betrachten zu können - nämlich der Perspektive des Südens.

Schon vor der Reise stand für mich fest, dass ich einen derartig langen Flug für mich rechtfertigen können müsse. Ich versuche, möglichst klimafreundlich zu leben, und deshalb aufgrund der riesigen Menge an CO2, die durch ein Flugzeug ausgestoßen wird, so wenig wie möglich zu fliegen. Es war für mich klar, dass dieser Flug für mich nur zu rechtfertigen sei, wenn ich so viel wie möglich  aus meinem Aufenthalt auf den Philippinen mitnähme, um dann in Österreich die gemachten Erfahrungen und gesammelten Eindrücke nutzen zu können, tiefer in entwicklungspolitische Fragestellungen einzutauchen und mein Engagement zu intensivieren.

Flo Bischof