Von Malongs, Moskitos und Menschenrechten

Impressionen vom Lerneinsatz 07

Vergangenen Sommer waren wieder neun Leute aus Österreich und Südtirol auf LernEinsatz auf den Philippinen. Der LernEinsatz ist ein Projekt der Dreikönigsaktion, bei dem Menschen aus Österreich ermöglicht wird, einen Monat zu Projektpartner/innen der DKA in ein Land des Südens zu reisen. Der Sinn dahinter ist das Voneinander-Lernen, einen Einblick in andere Lebensweisen zu bekommen, seinen Horizont zu erweitern, das eigene Leben somit womöglich anders zu sehen und vielleicht sogar, wieder zurück zu Hause, zu ändern und Veränderungen auch weiter zu tragen.

Was man alles erlebt und vor allem wie man es erlebt, ist unglaublich bereichernd und lässt sich nur schwer in Worte fassen. Für mich, Clemens, einen dieser neun, waren es einzigartige Dinge, vollkommen Neues und gleichzeitig viel Vertrautes, da man bei allen Unterschieden auch immer wieder Gemeinsamkeiten feststellt, sei es mit den Farmer/innen im Norden der Philippinen, den Kalinga im zentralen Hochland oder den Fischer/innen an der Ostküste.

Nach einer knappen Woche in Manila, der Hauptstadt, verbrachten wir einige Tage in St. Ana, einer kleinen Provinz ganz im Norden Luzons, der Hauptinsel der Philippinen. Dort besichtigten wir ein Projekt, das sich mit biologischem Anbau beschäftigt, und hatten auch die Chance, zwei Tage bei Gastfamilien mitzuleben und mit ihnen den Alltag zu teilen. Danach ging es nach Tanglag, einem kleinen Dorf in der zentralen Gebirgskette Luzons, wo wir mit der Community mitleben konnten. Über Umwege gelangten wir in der dritten Woche an die Ostküste, in die Diözese Infanta, bevor wir unsere Reise wieder in Manila ausklingen lassen konnten.

In Folge findet ihr sehr verschiedene Ausschnitte aus unserem Reisetagebuch, die einen Eindruck geben sollen, was wir erlebt haben und was uns dabei so durch den Kopf gegangen ist:

St. Ana & FCCI

„Die Bewohner/innen von St. Ana warten schon seit Wochen auf die Regenzeit, der Boden ist spröde und noch immer ist kein Regen in Sicht. Um die Wasserversorgung aufrechtzuerhalten, ist es unbedingt nötig, dass die Farmer/innen sich organisieren und sich absprechen. Dabei hilft ihnen FCCI (foundation for the care of creation Inc). FCCI betreut ca. 14 Dörfer rund um St. Ana und ist eine der NGOs, die von der Dreikönigsaktion unterstützt wird. (Anmerkung: FCCI war übrigens 2007 das Modellprojekt für die Sternsingeraktion, einigen von euch ist daher ihre Arbeit sicher noch bekannt.) FCCI bietet Trainings an, um von der chemischen Landwirtschaft zur biologischen zurückzukehren – durch Kompost und Wiederverwertung.

Egal wo man hinkommt, teilen wird groß geschrieben. Daher ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Mitglieder der Organisation bei der Bepflanzung, Pflege und Ernte zusammenhelfen. Der Umstieg von chemischem Reisbau zu biologischem kostet viel Geld und ist natürlich auch mit einem gewissen Risiko verbunden. Denn der Erfolg zeigt sich frühestens nach einigen Jahren. Bis dahin muss sich der Boden von den Pestiziden erholen. Erst dann ist der biologische Anbau billiger, doch dafür auch um einiges arbeitsintensiver. Ein weiteres Problem ist, dass die biologischen Produkte noch nicht denselben Preis am Markt erlangen wie chemische. Diese Barriere gilt es zu überwinden, sodass lokale Bewohner/innen Zugang zu biologisch angebautem Reis und Gemüse erhalten. Gleichzeitig soll der/die Landwirt/in von den Erträgen leben können, erst dann kann über Verkauf in anderen Regionen nachgedacht werden.“

Der etwas andere Alltag

Zu Gast bei Celso und seiner Familie, Farmer/innen im Norden der Philippinen:
„Ich sitze alleine im Wohnzimmer. Mir wurde gesagt, ich kann fernsehen, während das Essen zubereitet wird. Schon hundert Mal erlebt, nur bin ich diesmal bei meiner Gastfamilie auf den Philippinen, die Situation ist also noch mal eine Spur „fremder“ und ungewohnter, als solche Situationen ohnehin sind. Es dauert eine Weile, bis das Eis gebrochen ist, doch dann fühlt es sich an wie Alltag – daily life – sogar Familie. Das Alltagsgefühl wird gebrochen durch für mich Außergewöhnliches, vermutlich sogar Einzigartiges: Karabau füttern, Reisfelder bewandern, Ananas ernten…

Doch es ist schnell wieder hier: Beim gemeinsamen Reis-Essen, das mittlerweile zur lieb gewonnenen Selbstverständlichkeit geworden ist, genauso wie das Ritual, mich abends in meinen Malong (eine Art „Hüttenschlafsack“, der aber vielseitiger verwendbar ist) zu legen. Und gemeinsam „Shall we dance“– so etwas in der Art wie „Dancing Stars“ – anzusehen, unterscheidet sich auch nicht von zu Hause. Alltag eben. Aber mit atemberaubenden und unvergesslichen Unterschieden.“

Leben in Tanglag

„Nachdem wir am Vortag von unseren Gastfamilien und St. Ana Abschied genommen haben, ging´s früh morgens los Richtung Cordillera, um ein paar Tage in Tanglag zu verbringen. Die Reise dorthin traten wir in gewohnter Weise in einem Jeepney an, wir fuhren vorbei an traumhafter Landschaft und holprigen Straßen, bis wir nach Umstieg und Mittagspause in Tabuk am frühen Nachmittag fast am Ziel angekommen sind.

Nach einer Wanderung (die wegen der Hängebrücke reichlich Mut und Überwindung erforderte und mich sehr ins Schwitzen brachte) erreichten wir am Abend das Dorf Tanglag, wo wir mit Reiskuchen und Kaffee sehr herzlich empfangen worden sind. Bemerkenswert war, dass wir hier nicht von einer Familie empfangen wurden, sondern wir waren Gäste des gesamten Dorfes. Das hat man auch später noch gemerkt, wenn es um unsere Verpflegung ging. Wir wurden fast jedes Mal von einer anderen Familie versorgt. Nur geschlafen haben alle Frauen in einem Haus und alle Männer in einem anderen.



Unser Begleiter Jimmy, von der Organisation MRRSF, hat uns durch das Dorf geführt und uns die ersten Infos über das Leben in dieser Community gegeben. Zu diesem Dorf gehören 78 Haushalte, von denen jede Familie im Durchschnitt 6-8 Kinder hat. Das ist uns aufgefallen, da wirklich sehr viele Kinder um uns herum waren! Anfangs haben sie uns noch sehr verstohlen angesehen, später haben sie schon etwas aufgeweckter in unsere Kameras gelächelt!

Das Dorf liegt sehr abgelegen (Fußmarsch eine Stunde), was wirklich recht idyllisch wirkt und den Eindruck erweckt, in eine „andere Welt“ einzutauchen, aber die fehlende Infrastruktur bringt auch Probleme mit sich (fehlende Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, und vieles mehr). Die Familien leben hauptsächlich vom Reisanbau, züchten auch Schweine und Hühner und bauen auch kleine Mengen Kaffee an.

Generell besteht in den Cordillera das Problem, dass die Regierung mit dem Abbau von Bodenschätzen ganze Bergrücken verwüstet und dann einfach so zurücklässt. Die Philippinen sind ein Land, welches mit Rohstoffen aller Art gesegnet ist, von Gold und Silber bis zu Kupfer und anderen seltenen Edelmetallen und Erzen. Dieser Reichtum an Mineralien wird zur Schuldentilgung verwendet. Deren Gewinnung ist aber für die Menschen und die Umwelt oft eine echte Existenzbedrohung. Die Minen werden hauptsächlich von ausländischen Besitzern betrieben, welche sich eines Abbauverfahrens bedienen, das viel Wasser, viel Energie und hohe Technologien braucht. Um diese Energie zur Verfügung zu haben, werden Mega-Staudämme gebaut, Täler überflutet und was bleibt zurück? Bergkrater, Boden, der zu Erosion neigt, verschmutztes Wasser,… Dass dieser rücksichtlose Raubbau Folgen für die Bevölkerung hat, interessiert die Regierung weniger.

Am Abend wurden wir mit einer „Solidarity night“ von allen Bewohner/innen noch einmal begrüßt, wo wir zum Teil unsere Lieder zum Besten gegeben haben und auch schöne traditionelle Tänze, begleitet von Gongs, lernen durften. Besonders ist, dass hier alle Altersgruppen mitgewirkt haben. Der Umgang zwischen den Generationen ist generell bemerkenswert. Wir haben einen „neuen Namen“ von Älteren erhalten, was auch Zeugnis für die Wertschätzung der älteren Generation ist. Zu unseren Ehren wurde zudem ein Schwein geschlachtet, welches wir spät abends als Abschluss eines doch ereignisreichen Tages essen durften, bevor wir dann müde ins Bett bzw. auf unsere Malongs gefallen sind.



Den folgenden Tag haben wir in der Grundschule verbracht, wo wir in Gruppen aufgeteilt in allen Klassen unterwegs waren und mit den Kindern gesungen, getanzt, gespielt und gelacht haben. Diese Tage in Tanglag sind wie im Flug vergangen und schon hieß es wieder „Good bye“ sagen. Nach einer weiteren Solidarity night, welche für uns gestaltet wurde (mit dazugehörendem extra geschlachtetem Schwein, versteht sich) haben wir uns von Tanglag und seinen Bewohner/innen verabschiedet und uns weiter auf die Reise gemacht nach Tagatay…“

Clemens Huber, aus dem Reisebericht der LernEinsatz-Gruppe