Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit

Die Frage ob Frauen und Männer gleichberechtigt sind oder wie wir als Gesellschaft dieses Ziel erreichen können, stellen wir uns nicht erst seit Kurzem. Schon Sokrates (469 – 399 v. Chr.) hat sich mit diesem Thema befasst. Was Gleichberechtigung bzw. Emanzipation eigentlich meint, woher sie kommt, von wem sie ausgeht, wo sie angefangen hat und wohin sie sich entwickeln will, für wen sie da ist und wofür sich diejenigen einsetzen, die sich emanzipieren wollen und aktiv für die Emanzipation kämpfen soll hier Thema sein.

Das Wort Emanzipation stammt von dem lateinischen emancipare: einen „Sklaven oder erwachsenen Sohn“ in die Eigenständigkeit zu entlassen. Also die Freiheit eines/einer Sklaven/Sklavin, geschenkt von seinem Besitzer. Heute wird Emanzipation als rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung der Frau mit dem Mann definiert.
(Duden Fremdwörterbuch 4. Auflage)

Frauen, wacht auf!

Ziel der Emanzipation ist es seit jeher (mehr) Freiheit und Gleichheit zu erlangen. In unserer Zeit ist in erster Linie die Emanzipation der Frauen ein Thema.

Das Streben der Frauen nach Gleichheit und Freiheit, so wie wir es kennen, hat seine Wurzeln unter anderem in Frankreich. Nach der französischen Revolution, deren Ideale, Gleichheit und Freiheit und Brüderlichkeit, zuerst nur für die Männer galten, fingen Frauen an sich zu organisieren und für ihre Rechte zu kämpfen. Das Hauptaugenmerk dieser ersten Frauenbewegung waren die Erlangung der Bürgerrechte (Wahlrecht, Recht auf Bildung, Recht auf Privateigentum und Erwerbsarbeit). Jedoch wurde die traditionelle Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen grundsätzlich noch nicht in Frage gestellt.

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges brach die Revolution der Frauen vorerst zusammen. Obwohl die Frauen dieser Zeit die Aufgaben der Männer in den Gemeinden übernommen haben und nach der Zerstörung durch die Alliierten, als sogenannte „Trümmerfrauen“, unmittelbar am Wiederaufbau vieler Städte und Dörfer beteiligt waren, war dadurch keine tatsächliche Machtverschiebung zu spüren. Erst Mitte bis Ende der 1960er Jahre wurden im Zuge der internationalen Freiheitsbewegungen auch die Frauenrechtler/innen wieder aktiver. Ab dieser Zeit wurde das Patriachat (also die Herrschaft der Männer in der Gesellschaft) in Frage gestellt und somit der Grundstein für den uns heute Bekannten Feminismus gelegt. Feministinnen thematisieren die Rechte und Interessen der Frauen und kämpfen vor allem für die Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft.

„Frauen, wacht auf! Was auch immer die Hürden sein werden, die man euch entgegenstellt, es liegt in eurer Macht, sie zu überwinden. Ihr müsst es nur wollen.”
Olympe de Gouges (1748-93), frz. Revolutionärin u. Frauenrechtlerin

Frauen starten durch

Emanzipation heißt also, dass Frauen die gleichen Rechte in der Gesellschaft haben wie die Männer. Dass Frauen studieren dürfen, dass sie überhaupt Berufe ausüben und Karriere machen, dass ihnen im Grunde alle Dinge erlaubt sind, die auch Männer tun, ist noch nicht so lange möglich. Zum Beispiel sind in Österreich Frauen erst seit knapp 100 Jahren berechtig zu wählen! In den 1880er Jahren organisierten sich einige Frauen, gründeten Frauenvereine und forderten Bildungs- und Berufsmöglichkeiten für Frauen, im Jänner 1907 wurde das allgemeine freie Wahlrecht für Männer durchgesetzt. Der Forderung der Frauen nach politischer Mitbestimmung wurde vom Parlament nicht nachgekommen. Unter anderem deshalb, weil in allen anderen europäischen Ländern Frauen zu diesem Zeitpunkt von Wahlen ausgeschlossen waren und Österreich da offensichtlich keine Ausnahme sein wollte. Die Bedingungen änderten sich erst nach dem Ende der Monarchie und den politischen Umwälzungen nach dem ersten Weltkrieg. Nach langen politischen Kämpfen war es 1919 dann endlich so weit: auch Frauen durften wählen. Das österreichische Frauenwahlrecht gehört somit zu den frühesten in Europa!
An allen Fakultäten zu studieren ist Frauen in Österreich erst seit knapp 65 Jahren erlaubt.

Doch die Zeiten ändern sich. Und obwohl wir manchmal das Gefühl haben, dass die Mühlen unserer Gesellschaft sehr  langsam mahlen, so hat sich in den letzten Jahrzehnten doch einiges getan auf diesem hoch interessanten Gebiet der Gleichberechtigung von Frau und Mann.
 So können sich Frauen zum Beispiel seit 1998 beim Österreichischen Bundesheer freiwillig melden und haben laut Bundesheer in Folge die gleichen Aufstiegsmöglichkeiten wie ihre männlichen Kameraden. (www.bundesheer.at) Bereits 1994 wurde die erste Frau in den Polizeidienst bei der Polizei Wien aufgenommen. Doch obwohl 50% der Anwärter/innen weiblich sind, stellen die nur 10% Beamtinnen bei der Polizei Wien immer noch eine Minderheit dar – was daraus folgt, dass eben schon so viel länger nur Männer im Polizeidienst waren und die Relation sich nur langsam verschiebt.

Indivitualität gegen klassische (Männer)Rolle

So wichtig die Gleichberechtigung mit den Männern für die Frauen war uns ist, so schwierig ist der Umgang mit diese Freiheitsbewegung für die Männer. Plötzlich werden die klassischen Rollenbilder in Frage gestellt. Die klare Linie an der sich unsere Urgroßväter, Großväter und vielleicht auch noch ein bisschen unsere Väter orientieren konnten löst sich immer mehr auf. Die Frage wie ein „richtiger“ Mann in unserer Gesellschaft aussieht ist schwierig und schon lange nicht mehr (falls sie es überhaupt jemals war!) eindeutig zu beantworten. Genau das ist aber die Chance unserer Zeit! Buben und Männer, sowie Mädchen und Frauen, können sich größtenteils frei und bewusst für ihre Individualität entscheiden und ihr eigenes, selbst definiertes Lebensmodell leben.

Bewusster Rollenwechsel

Egal, ob Frau oder Mann, ob jung oder schon etwas älter, wer sich bewusst dafür entscheiden nicht so sein zu wollen wie die klassichen Rollenbilder es uns auftragen hat gute Chancen seinen Weg und sein Glück zu finden. Eine junge Frau die sich in der chemischen Forschung einen Namen macht und daheim gerne für ihre Freunde und Familie kocht passt zwar nicht ins Cliché, aber sehr gut in das Bild das die Emazipation zeichnen will. Ein Mann, der in der Modeboutique Designerkleider verkauft und am Abend am Fußballplatz mit seinen Kolleg/innen laut schreit, wenn ein Tor für seine Mannschaft fällt passt auch nicht ins Klischee, macht aber einen guten Schritt in Richtung Aufweichung von Rollenbildern und ebnet somit vielleicht zu mehr Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Die bewusste Entscheidung für das eigene Tun oder Nichttun ist hier der Schlüssel.

Falsch verstanden

Das Gute an der Emanzipation ist, dass wir heute leichter als jemals zuvor bewusst so sein können, wie wir wollen. Jedoch birgt diese Freiheit auch die Gefahr, dass wieder unbewusst entschieden wird. Frauen fühlen sich häufig dazu gedrängt in Männerndomänen Fuß zu fassen obwohl sie das gar nicht wollen. Wer „nur“ Hausfrau und Mutter sein will wird plötzlich als rückständig und hinterweltlerisch abgestempelt. Doch das ist keine Gleichberechtigung! Es geht nicht darum, dass Frauen plötzlich Männer sein sollen oder sich zumindest so verhalten sollen. Es geht darum, dass Frauen – und auch Männer! – frei entscheiden können, was sie tun wollen. Das Frauen Automechanikerinnen werden und Männer als Kindergartenpädagogen arbeiten ist in unserer Gesellschaft zwar nicht mehr ganz tabuisiert jedoch noch lange nicht so anerkannt und üblich wie es seit Jahrzehnten von den Kämpfer/innen für die Emanzipation gefordert wird.

Weit gekommen… und doch zu kurz?

Trotz der rechtlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung der Frau gibt es immer noch Gebiete, in denen Frauen in ihren Rechten beschnitten werden. Sie haben es geschafft, Karriereleitern zu erklimmen und Führungspositionen zu übernehmen. Trotzdem liegt es größtenteils immer noch in ihrem Zuständigkeitsbereich, die Kinder zu versorgen und den Haushalt zu führen. Und obwohl Frauen grundsätzlich die gleichen Jobs bekommen können, werden sie in den meisten Fällen immer noch schlechter bezahlt, als ihre männlichen Kollegen in vergleichbaren Positionen.

Fazit

Gleichberechtigung, Gleichstellung, Emanzipation, Feminismus – es ist uns schon viel gelungen auf dem Weg dorthin. Und doch gibt es noch soviel zu tun! Jahrtausendelange Unterdrückung, starre Rollenbilder, fest zugeschriebene Aufgabenfelder…es wird noch eine Zeit dauern, bis Frauen und Männer es geschafft haben, wirklich gleichberechtigt zu sein. Doch die Erfolge, die wir als Gesellschaft über die letzten 100 Jahre bereits verzeichnen können, dürfen uns Mut machen und Ansporn sein, weiter zu machen und zu kämpfen. Für Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit!

Nika Fürhapter

aus dem kumquat "Der.Die.Das" 2/2010