Her mit dem ganzen Leben!

Und wenn ein Leben mehr ist, als nur Arbeit, Schweiß und Bauch,
woll'n wir mehr, gebt uns das Brot, doch gebt die Rosen auch!


Diese Textzeile aus dem Kampflied „Brot und Rosen“ stellt eine ganz klare Forderung: unser Leben soll mehr als nur Essen, Arbeiten und Schlafen (hier als „Brot“ beschrieben) sein, unser Leben soll auch das, was es schön macht, was es lebenswert macht, beinhalten, also die Rosen.

Aber warum spreche ich eigentlich von einem Kampflied? Und warum gerade zum Anlass des Internationalen Frauen*kampftages?

Dazu müssen wir einen kurzen Schwenk in die Geschichte machen: im Jahr 1910 sagte Helen Todd in einer Rede „Bread for all, and Roses too.“, also Brot für alle und die Rosen dazu. Die Gewerkschafterin Rose Schneiderman benutzte diesen Slogan wieder: „The woman worker needs bread, but she needs roses too.“, also „Die Arbeiterin braucht Brot, aber sie braucht Rosen auch.“ Beide dieser Reden wurden im Zuge der Frauenrechtsbewegung des frühen 20. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten gehalten. Diese setzten sich für Gleichberechtigung, das Frauenwahlrecht, gerechte Arbeitsbedingungen und gleichen Lohn für Frauen ein.

Im gleichen Jahr wurde „Brot und Rosen“ zu einer Kampfparole in einem Streik von mehr als 20.000 Textilarbeiterinnen in Massachusetts. Die streikenden Frauen begannen immer wieder Lieder zu singen, die ihre Anliegen zum Ausdruck brachten – eines davon war eben „Brot und Rosen“ (eine Vertonung des gleichnamigen Gedichts von James Oppenheim aus dem Jahr 1911). Damit forderten die Frauen nicht nur gerechte Löhne für ihre Arbeit, sondern auch faire und menschenwürdige Bedingungen.

Heute ist dieses Lied, das auch im Deutschen vertont wurde, der Inbegriff eines feministischen Arbeiterinnen-Kampfliedes. Es wurde und wird mit dem feministischen Kampf, den Arbeiterinnenrechten, Gewerkschaften und dem Frauen*kampftag verbunden. Es gibt kaum eine feministische oder antikapitalistische Demo, wo dieser Slogan nicht zu finden, dieses Lied nicht zu hören ist.

Brot, die Jungschar und Rosen

Wir in der Jungschar sind auch der Meinung, dass es nicht reicht, wenn wir einen vollen Bauch haben, nein, auch wir glauben, dass alle Menschen ein erfülltes Leben mit allem Schönen haben sollen – ein gutes Leben für alle also. Wenn ich es weniger politisch, kämpferisch und eher katholisch sagen wollte, könnte ich mich auch auf die Bibel berufen: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ (Joh 10,10) Diese Textstelle meint auch genau das: wir wollen nicht nur genug Essen zum Leben und ein Dach über dem Kopf haben, sondern wir sollen das Leben in seiner ganzen Fülle haben.

Wenn wir am Abschluss eines Grundkurses oder am Lagerfeuer aber Brot und Rosen singen, dann tun wir das auch, weil es ein Arbeiterinnenlied ist, eben kein Arbeiter_innenlied. Wir tragen also auch den Kampf um Gleichberechtigung mit, den Kampf um gleiche Chancen, gleiche Behandlungen, gleiche Möglichkeiten für Mädchen* und Frauen*. Wir tun das in der Gruppenstunde, in der Arbeit miteinander, aber auch auf struktureller Ebene (zum Beispiel dadurch, dass wir auf allen Ebenen paritätische Besetzungen haben, also gleich viele Frauen* und Männer*).

Warum singen wir immer noch von Brot und Rosen?

Mehr als 100 Jahre nach dem Streik der Textilarbeiterinnen – der übrigens erfolgreich war – kämpfen wir im Jahr 2021 immer noch um gleichen Lohn für Frauen*, um die Gleichbehandlung aller Geschlechter, Brot und Rosen ist also (leider) immer noch ein aktueller Slogan. Erst vor kurzem, nämlich am 21. Februar, war der Equal Pay Day 2021 in Österreich, also der Tag, bis zu dem Frauen* im Verhältnis zu Männern* gratis gearbeitet haben. Das bedeutet, der Lohnunterschied ist so groß, dass Frauen* fast zwei Monatsgehälter im Jahr weniger verdienen als Männer*.

Zum Beispiel deshalb begehen wir am 8. März wiedermal den Internationalen Frauen*kampftag, den Tag, an dem wir rufen: Brot und Rosen! Aber auch deshalb, weil Frauen* immer noch den Großteil aller unbezahlten Arbeit (Haushalt, Kinderbetreuung) machen, dadurch viele überlastet oder finanziell abhängig sind, weil Frauen* immer noch sexueller Belästigung oder Gewalt ausgesetzt sind, weil Mädchen* immer noch glauben, dass sie sich technisch schlechter auskennen – genau deshalb gehen wir auf die Straße und kämpfen für unsere Rechte! Denn auf unserer Welt sollen ALLE ein gutes, schönes Leben haben, nicht nur die Reichen, die weißen Männer, die Privilegierten.

In diesem Sinne möchte ich mit einer Textzeile schließen:

Die Frauen die sich wehren, wehren aller Menschen Plag.
Zu Ende sei, dass kleine Leute schuften für die Großen!
Her mit dem ganzen Leben: Brot und Rosen!


* der Stern bedeutet, dass alle Personen, die sich mit dem Begriff angesprochen, mitgemeint sind – also sowohl Frauen, als auch Lesben, Inter-, Non-binary, Trans- Personen, kurz FLINT genannt.

Johanna Walpoth

P.S: Das ganze Lied bzw. den Liedtext könnt ihr auf der Homepage der Katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung hören bzw. lesen ...