Wer ist Gott? Ist das ein Netter? Oder doch eher ein gefährlicher Typ? Gottesbilder sind so unterschiedlich wie die Menschen, die an Gott glauben und versuchen zu formulieren, wie sie sich Gott vorstellen. Gotteserfahrungen in Worte zu fassen ist sehr schwierig; wir Menschen bedienen uns daher gerne verschiedener Bilder ("Gott ist der Weg, die Tür, der gute Hirte ...") oder Vergleiche ("Gott ist wie ein barmherziger Vater", "wie ein mächtiger Herrscher", "wie ein weiser Richter" ...), wie wir sie auch in der Bibel finden.
Eine der beliebtesten Formulierung ist jene vom "lieben Gott". Gott ist die Liebe, heißt es oft. In einem gewissen Sinn ist damit über Gott alles gesagt, was zu sagen ist: Die Liebe ist das Wichtigste für uns Menschen. Sie lässt uns wachsen, sie schenkt uns Freude und Hoffnung. Was wollen wir mehr? Gleichzeitig ist die Liebe aber auch ein Rätselding: Nicht jeder versteht das selbe unter "Liebe". Sie kann mal seelisch, mal körperlich verstanden werden. Sie kann die Liebe der Eltern zu ihren Kindern meinen oder jene unter guten Freund/innen ("Philia") oder die solidarische Liebe unter Gleichen ("Agape") oder die erotische Liebe ("Eros"). Gott ist all das gleichzeitig, und noch viel mehr.
Der liebe Gott, das ist also der liebende Gott und der Gott, der die Liebe ist.
Auf der anderen Seite gibt es aber ein Problem mit dieser Formulierung vom "lieben Gott". Sie wirkt etwas lieblich: Ist Gott so ein netter, vielleicht etwas schrulliger, gewiss aber irgendwie liebenswürdiger älterer Herr? So viele Darstellungen zeigen Gott inmitten der Wolken, weit weg von den Menschen, als alten Mann mit langem Bart. Es kann sehr hilfreich sein, sich Gott so vorzustellen. Immerhin ist es ein konkretes Bild, und wenn es Vertrauen vermittelt, ist es ein gutes Gottesbild. Gleichzeitig verkörpert es die ganze Tradition und Last des patriarchalen Denkens: Wieso nicht eine weise Frau? Die Bibel kennt auch viele Formulierungen, in denen Gottes weibliche Seiten angesprochen werden.
Im Gegensatz dazu ist Gott immer auch ein Unbekannter: Gott bleibt uns fremd. Er schweigt, er erklärt sich nicht, seine Wege sind unergründlich. Menschen sind erschüttert von seinen Taten, verunsichert von Gotteserfahrungen. Nicht die schlechtesten der Propheten versuchten vor Gottes Auftrag zu flüchten, wie etwa Jona oder Elias. Der fremde Gott ist aber kein lieber Gott. Er ist eine Erfahrung, die uns zum Ausbruch, zu neuen Sichtweisen führt. Zum ganz Anderen.
Der fremde Gott, der liebe Gott. Beide Formulierungen stimmen. Nicht immer gleichzeitig stimmt jede davon für jede/n von uns. Aber die Vielfalt der Gottesbilder ermöglicht uns, jenes zu finden, das zum gegenwärtigen Moment für uns richtig und wichtig ist.
Gerald Faschingeder
kumquat "dazugehören" 3/2012