„Wem Gott einen Auftrag gibt, den rüstet er auch entsprechend aus, unabhängig vom Geschlecht. Daran hat sich bis heute nichts geändert.“
Vor Gott sind alle Menschen gleich?!
Die Bibel erzählt sehr viel von Menschen. Von manchen wird nicht einmal der Name erwähnt, von anderen ist der gesamte Stammbaum oder alle Orte, die sie bereist haben, überliefert. Ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, Männer und Frauen sowie Arme und Reiche haben ihren Platz in der Bibel.
Das Judentum war von Anfang an patriarchalisch strukturiert, was bedeutet, dass alle Macht in Männerhänden lag. Männer nehmen daher in der Bibel mit ihren Heldentaten viel Raum ein. Trotzdem wird die Bedeutung, die einige Frauen hatten, nicht geschmälert. Oft begegnet uns beim Lesen der Bibel die klassische Rollenverteilung der damaligen Zeit: Männern wurde traditioneller Weise der öffentliche Bereich zugeteilt, d.h. soziales und politisches Leben, der religiöse Kult. Der Aufgabenbereich der Frauen war mit Haus, Familie und Spiritualität verbunden.
Gerade in der Bibel wird allerdings auch von Frauen berichtet, die von Gott zu bestimmten Aufgaben berufen wurden, auch wenn diese nicht dem damaligen Klischee entsprachen.
Die Taten, die von Frauen ausgeführt wurden, waren sehr unterschiedlich. Debora, Jael, Ester und Judit wurden z.B. politisch aktiv, indem sie ihre Weisheit und ihre Sexualität einsetzten, um das Volk vor der drohenden Vernichtung zu bewahren. Das Buch Genesis berichtet von vier Urmüttern des jüdischen Volkes: Sara, Rebekka, Rachel und Lea. Auch das wichtige Amt des Propheten/der Prophetin wurde von Anfang an auch Frauen wie Sara, Miriam, Debora, Hanna, Abigail, Hulda und Ester anvertraut. Auf zwei dieser Frauen werde ich noch genauer eingehen.
Allen diesen Frauen, die im Namen Gottes handelten, wird tiefer Glaube und eine direkte Verbindung zu Gott zugeschrieben. Allgemein lässt sich sagen, dass Frauen in der Bibel selten ohne eine andere Frau an ihrer Seite auftraten.
Die so genannte Geschlechterasymmetrie (Frauen und Männer haben auf Grund ihres Geschlechts unterschiedliche Rechte und Pflichten) wurde von einigen Protagonistinnen (s.o.) durchbrochen. Man kann daher nicht von einer „allgemein gültigen Rolle der Frau im Judentum“ ausgehen.
Debora und Ester, zwei „andere“ Frauen
Debora – Prophetin und Ehefrau
Die Zeit der Richterinnen und Richter (ca. 1350 – 1050 vor Christus) wird als Zeit des geistlichen und politischen Widerstandes bezeichnet. Damals mussten sehr viele Menschen in großer Armut und ständiger Angst vor erneuten Belagerungen leben.
Kinder wurden in dieser Zeit der Armut als kostbares Geschenk angesehen, da sie schon früh in die anfallenden Arbeiten einbezogen wurden. Männer und Frauen konnten nur miteinander die Familie erhalten. Trotzdem gab es eine unterschiedliche Stellung der beiden arbeitenden Gruppen.
Debora wurde in dieser klar patriarchalischen Gesellschaft Richterin – von Gott begabt und beauftragt, unabhängig von ihrem Geschlecht.
Sie war auf Grund dieses Amtes für alle Bereiche der Regierung zuständig: Exekutive, Legislative und Jurisdiktion. Debora schaffte es, mittels ihrer brillianten Führungsqualität in der Zeit der größten Belagerung ihres Stammes durch Mobilisierung von sechs Nachbarstämmen einen Sieg zu erringen.
Sie ist eine der 12 Richter-Held/innen und wird auch als Prophetin bezeichnet. Sie war die einzige, die das Richterinnenamt im heutigen Sinn ausübte: Sie schlichtete Rechtsstreitigkeiten zwischen den Menschen. Darüber hinaus hat sie als Richterin durch ihre Ansichten und visionären Gedanken die Gesellschaft geprägt.
Sie konnte ihre gesellschaftlich sehr wichtige Aufgabe nur erfüllen, da sie eine besondere Beziehung zu Gott hatte. Nebenbei wird auch erwähnt, dass sie einen Ehemann hatte. Beide Aufgaben, Ehefrau und geistige Führerin zu sein, standen für Debora in keinem Widerspruch.
Deboras Rolle war sicher untypisch für die patriarchal ausgerichtete Gesellschaft, in der sie lebte. Sie zögerte aber nicht aus Sorge, was die anderen über sie denken könnten, sondern lebte und handelte ganz aus der Beziehung zu Gott und ihrer Verantwortung für die Gesellschaft. Sie wusste sich berufen, um für Gott zu reden. Sie war selbstbewusst und bereit, anderen Verantwortung zu übertragen, und trat mutig aus dem Schatten, in den Frauen der damaligen Zeit gedrängt waren.
Ester – eine Frau der Tat
Die Einführung der Monarchie um 1050 vor Christus brachte so gut wie keine Veränderung für die meisten Frauen im Alten Israel. Frauen, die der königlichen Familie angehörten, erhielten dadurch einige Privilegien, gleichzeitig aber viele Pflichten. Im Wesentlichen und nur mit wenigen Ausnahmen wurden die Frauen der Königsfamilie von ihren Männern auf dem Schachbrett der Politik hin und her geschoben, um diesen mehr Macht zu verschaffen. Ihr Wohlbefinden war weit hinten angereiht. Einige Frauen am Königshof ließen sich aber nicht für solche Machtspiele ausnutzen. Sie trotzten der ihnen vorgegebenen Rolle und wurden selber politisch aktiv.
Ein Beispiel für eine Frau, die die Zügel selbst in die Hand nahm, ist Ester: Ihr Onkel Mordechai, ein gläubiger Jude und Beamter am Königshof, wollte vor Haman, einem Offizier, nicht niederknien, da Gott der einzige war, vor dem er sein Knie beugte. Haman wollte auf Grund dieser Beleidigung nicht nur Mordechai, sondern mit ihm alle Juden im Land töten. Er setzte ein Dekret auf, welches ihm durch List auch die königliche Erlaubnis dazu gab. Ohne dem Einschreiten von Ester hätte dies die Ausrottung der jüdischen Minderheit in Persien zur Folge gehabt. Ester setzte ihre Weisheit so geschickt ein, dass sie zur Hauptfrau des Perserkönigs Xerxes wurde. Da es aber sogar der königlichen Gattin nicht gestattet war, vor den König zu treten und zu sprechen, setzte sie ihr Leben aufs Spiel, als sie ihm die wahren Pläne des gekränkten Beamten Haman enthüllte, was die Rettung ihres Volkes bedeutete. Haman wurde schließlich an dem Galgen gehängt, den er selbst für Mordechai hatte errichten lassen.
Die Geschichte Esters ist die Geschichte einer jungen Frau, die ganz ohne Gewalt zu großer Macht aufstieg und ihr Volk rettete. Am Anfang war sie passiv und unterwarf sich der Leitung anderer. Als Auslöser, der sie zur vollen Entfaltung und zum rettenden Handeln führte, kann die angedrohte Ausrottung ihres Volkes gesehen werden. Trotz lebensbedrohlicher Gefahr handelte Ester überlegt und bereitete sich geduldig vor. Mut und Glaube waren zentrale Elemente, die wesentlich zum Glücken ihres Vorhabens beitrugen.
Ester wird oft als Heldin bezeichnet und dargestellt, da sie ihre persönliche Verantwortung wahrgenommen hat und mutig für ihre Überzeugung und zum Schutz anderer eingetreten ist. Ihr Beispiel dient dazu, den Hörer/innen ihrer Lebensgeschichte Zuspruch zu geben.
Obwohl der Begriff Gott in der hebräischen Urfassung nicht erwähnt wird, steht dennoch außer Frage, dass Ester und ihr Onkel Mordechai eine lebendige Beziehung zu Gott hatten. Ester begab sich ganz bewusst in die Hände Gottes und riskierte ihr Leben für das ihres Volkes.
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Sabine Kräutelhofer
Die Frau als Zweiterschaffene?
Am Anfang der Bibel steht die Schöpfung des Menschen. Hier sind in der Einheitsübersetzung zwei unterschiedliche Berichte nebeneinander gestellt worden (Gen 1,1-2,4 und Gen 2,5-3,24). In Genesis 1,27ff wird der Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen, dann erst wird geschlechtlich unterschieden zwischen Mann und Frau. Der Mensch, also alle Männer und Frauen, sind Abbilder des unsichtbaren Gottes auf Erden. Hier sind beide Geschlechter grundsätzlich gleichwertig vor Gott.
In der zweiten Erzählung (Gen 2,5ff) haucht Gott dem aus Ackerboden geformten Menschen Lebensatem ein. Der Mensch (die Einheitsübersetzung gibt es mit „Mann“ wieder) beginnt, für die Tiere zu sorgen. Dabei erkennt er seine Verschiedenheit zu ihnen, weshalb sie nicht ebenbürtige Partner/innen sein können. Der Mensch sucht nun nach einem Geschöpf, das wie er ist, das ihm hilft und mit dem er sich austauschen kann. Gott schafft aus der Rippe des Menschen die Frau.
Die Aufgaben, die der Mensch vorher allein zu bewältigen hatte, sind nun eine Herausforderung für sie beide, als ebenbürtige Partner/innen. Bei allem weiß er nun eine besonders qualifizierte Helferin an seiner Seite, die ihm entspricht und ihn ergänzt. Diese Form der Verwandtschaft soll die besondere Nähe der beiden herausstellen. Beide sind nach der Gottesebenbildlichkeit gestaltet, sie können daher auf der Persönlichkeitsebene miteinander in Beziehung treten: emotional, körperlich und auch intellektuell. Diese Erzählung wird leider oft falsch gedeutet, nämlich dass die Frau, die erst später aus dem Mann geschaffen wurde, diesem untergeordnet ist.